Jerusalem

»Immerwährende Verantwortung«

Gedenkstunde in der »Halle der Erinnerung« Foto: dpa

Angela Merkel hat am Donnerstagvormittag bei einem Besuch in Yad Vashem der Opfer der Schoa gedacht. Die Bundeskanzlerin erinnerte mit ihrem Eintrag in das Gästebuch der Jerusalemer Gedenkstätte an die Pogromnacht des 9. November vor 80 Jahren, als »den jüdischen Menschen in Deutschland Hass und Gewalt in ungeahntem Ausmaß« entgegenschlug.

»Was aber dann folgte«, so Merkel weiter, »waren die beispiellosen Verbrechen des Zivilisationsbruches der Schoa«. Daraus erwachse die »immerwährende Verantwortung Deutschlands, an dieses Verbrechen zu erinnern, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt entgegenzutreten«, schrieb Merkel.

Gemeinsam mit dem Vorsitzenden von Yad Vashem, Avner Shalev, hatte die Bundeskanzlerin zuvor das Holocaust History Museum besichtigt. In der »Halle der Erinnerung« legte sie einen Kranz nieder.

universität Anschließend verlieh die Universität Haifa Merkel als »eine der größten Führungskräfte der freien Welt« die Ehrendoktorwürde. Hochschulpräsident Ron Robin zeichnete die Bundeskanzlerin im Israel-Museum aus. Bei diesem Anlass warnte er vor den »Gefahren, die nicht durch einen militärischen Krieg ausgehen, sondern durch einen schleichenden Prozess der mächtigen Netzwerktechnologien, der unsere Institutionen und Werte bedroht«. Diese Gefahren kämen von innen und außen und seien heute aktueller denn je. »Regierungschefs, Politiker, Journalisten und die Universitäten haben jetzt die Verantwortung, dagegen etwas zu tun.«

Genau dies sei auch ein Grund, weshalb die deutsche Bundeskanzlerin die Ehrendoktorwürde erhalte, hob Hochschulpräsident Robin hervor. Merkel habe als Politikerin stets mit einer unerschütterlichen Haltung gegen Rassismus und Antisemitismus gekämpft sowie die deutsch-israelischen Beziehungen maßgeblich mitgeprägt. »Sie haben es auf sich genommen, die freie Welt in Wort und Tat zu beschützen«, betonte Robin.

Merkel, der zuvor der schwarze Talar mit grauem Schal der Universität Haifa übergelegt worden war, machte deutlich, dass dieser Vertrauensbeweis alles andere als selbstverständlich sei: »Dieses Vertrauen gleicht sogar einem Wunder. Das zeigt sich vor allem nach unserem heutigen Besuch in Yad Vashem.« Die Verantwortung, sich für freiheitliche Werte einzusetzen, sei natürlich für Deutsche besonders groß, doch sie stimmte mit Robin überein, dass diese Werte in Gefahr seien, für die man gerade aufgrund dessen ohne Kompromisse eintreten müsse, »ganz besonders gegen Antisemitismus«.

beauftragter Daher, erwähnte Merkel, habe man in Deutschland einen Beauftragten im Kampf gegen den Antisemitismus berufen. »Auch, weil es heute wieder ein blühendes jüdisches Leben in Deutschland gibt – auch das ist alles andere als selbstverständlich und den mutigen jüdischen Frauen und Männern zu verdanken, die es aufgebaut haben.« Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, begleitet Merkel bei den Regierungskonsultationen.

Bei der späteren Diskussion mit Studenten der Universität Haifa ging es um verschiedene Themen von Politik über die Rolle von Frauen, Philosophie und auch ihre persönlichen Erlebnisse als Kanzlerin. Auf die Frage eines Studenten, ob die Reise wegen des Abrisses eines Beduinendorfes in Gefahr gewesen sei, antwortete sie, dass dies nicht der Fall gewesen sei. »Manchmal ist es, als muss man gegen Windmühlen kämpfen. Das sind wohl die Fake News. Wir können dazu geteilter Meinung sein, aber wir sind beide Demokratien, die selbst entscheiden.«

Mehrfach betonte sie, wie bedeutsam die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel seien und wie sehr sie sich über die regelmäßigen Regierungskonsultationen freue, »diese Beziehungen immer wieder mit Leben füllen«.

Anschließend besuchte Merkel gemeinsam mit Israels Regierungschef Netanjahu verschiedene Stände von deutschen und israelischen Unternehmen im Israel-Museum und leitete mit dem Premier das erste Round-Table-Gespräch der gemeinsamen Konsultationen. Hierzu waren mehrere Wirtschaftsvertreter aus Deutschland mit angereist. »Es ist eine schöne Kooperation zwischen unseren Ländern«, sagte Merkel, »und eine neue Facette der Treffen, bei denen wir so viel voneinander lernen können.« Netanjahu pflichtete ihr enthusiastisch bei: »Willkommen in der Zukunft.«

ankunft Die Kanzlerin war bereits am Mittwoch gemeinsam mit Mitgliedern des Kabinetts zu den siebten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen nach Israel gereist. Nach ihrer Ankunft wurde die Bundeskanzlerin vom israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und seiner Frau Sara in der Residenz des Ministerpräsidenten in Jerusalem begrüßt.

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