Geiseln

Hundert Tage in der Hölle

Tausende Israelis verlangen in einem 24-Stunden-Protest die Freilassung der Geiseln

von Sabine Brandes  14.01.2024 17:17 Uhr

Liora Argamani hofft, ihre Tochter noch einmal wiederzusehen. Foto: Forum für Geisel- und Vermisstenfamilien

Tausende Israelis verlangen in einem 24-Stunden-Protest die Freilassung der Geiseln

von Sabine Brandes  14.01.2024 17:17 Uhr

Es sind 100 Tage der Hölle. So beschreiben die Angehörigen, Freundinnen und Freunde der Geiseln das Leid der Menschen, die noch immer im Gazastreifen gefangen gehalten werden, und auch ihre eigene Verzweiflung. Seit dem Schwarzen Schabbat sind 100 Tage vergangen – und 136 Männer, Frauen und zwei Kinder sind noch immer in der Gewalt der Hamas.  

Im strömenden Regen demonstrierten Zehntausende 24 Stunden lang gemeinsam mit den Geiselfamilien von Samstagabend um 20 Uhr bis Sonntagabend. Gemeinsam ließen sie 136 Luftballons fliegen – für jede Geisel einen. Hunderte Geschäfte, Restaurants und Cafés schlossen am Sonntag in BIG-Einkaufszentren im ganzen Land während eines 100-minütigen Arbeitsstreiks in Gedenken an den 100. Tag seit der Verschleppung durch die Hamas-Terrororganisation am 7. Oktober ihre Pforten.

Andere Arbeitgeber und Arbeitnehmer im ganzen Land, darunter auch Universitäten, Startups und Einzelhandelsketten, stellten ab 11 Uhr morgens ihren Betrieb für 100 Minuten ein. Arnon Bar-David, Vorsitzender der Gewerkschaft Histadrut, stimmte einem Antrag der Familien der Geiseln zu, den Streik abzuhalten, um ihre Botschaft zu verbreiten, in der sie die Rückkehr ihrer Angehörigen forderten.

Die Familien tanzten zu den Klängen der Nova-Party

Am Abend vor Beginn des 24-Stunden-Protests legte DJ Yarin Binyaminov auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv auf. Die Familien der Geiseln und die Unterstützer tanzten zu den Klängen desselben Titels, den der DJ vor genau 100 Tagen für die feiernden jungen Leute beim Nova-Musikfestival gespielt hatte - als die palästinensischen Terroristen kamen.

Sharon Sharabi, der Bruder von Yossi und Eli Sharabi, beide aus dem Kibbutz Be’eri, sprach zu den Demonstrantinnen und Demonstranten: »Ich möchte mich an die gesamte Nation wenden und Ihnen Danke sagen, dass Sie bereits seit 100 Tagen jeden Tag an unserer Seite stehen.« Elis Frau und Töchter wurden von Terroristen ermordet.

»Nichts hat uns auf die überwältigende Trauer vorbereitet, die wir empfanden, als wir mit den Familien der Geiseln sprachen.«

US-senator chuck shumer

Er wandte sich auch die führende Politiker der Welt: »Ihre Heuchelei ist sehr bedeutsam, und die Geschichte wird über Sie alle richten. Wir werden nicht schweigen. Das Vertrauen wird nur wiederhergestellt, wenn die Geiseln sicher nach Hause zurückkehren«, rief Sharabi im Regen der Menge zu.

Der US-amerikanische Senator Chuck Schumer wandte sich per Video-Botschaft an die Angehörigen: »Nichts hat uns auf die überwältigende Trauer vorbereitet, die wir empfanden, als wir mit den Familien der Geiseln sprachen. Es blieb in dem Raum kein Auge trocken. Lassen Sie mich das klarstellen: Die Hamas könnte die Geiseln morgen freilassen. Wenn sie nur einen Funken Menschlichkeit hätte, würde sie das tun.«

Auch Gal Gadot sandte eine Botschaft an die Familien

Er spreche, um Ihnen zu sagen: »Geben Sie die Hoffnung nicht auf! Ich weiß, dass viele von Ihnen Angst haben, dass das Schicksal der Geiseln aus der Öffentlichkeit verschwindet. Aber für mich hat nichts höhere Priorität, als alle Geiseln sicher nach Hause zu bringen. Wir werden niemals vergessen. Und wir werden nicht ruhen, bis Ihre Lieben zurückgekehrt sind.«

Auch der israelische Hollywood-Star Gal Gadot sandte eine Botschaft an die Familien: »Eure Lieben liegen in der Verantwortung jedes Einzelnen von uns. Wir müssen weiter handeln und den Aufschrei aller noch immer von der Hamas als Geiseln festgehaltenen Personen zum Ausdruck bringen – wir werden nicht aufhören, bis alle wieder zu Hause sind.«

»Ich hoffe, dass ich meine Tochter noch vor meinem letzten Tag wiedersehen kann.«

Liora argamani

»Alles, was Sie in Israel und weltweit tun, ist von enormer Bedeutung, jede Kundgebung, jede Delegation, jedes veröffentlichte Video und jede veröffentlichte Nachricht. Die ganze Welt sieht und hört Sie«, so Gadot. »Die Geiseln stehen in jedem Haus in Israel an erster Stelle – auch bei mir zu Hause.«

Liora Argamani, die todkranke Mutter von Noa Argamani, die zusammen mit ihrem Freund Avinatan Or vom Nova-Festival aus entführt wurde, hielt eine Rede vor Tausenden, die kamen, um die Familien der Geiseln zu unterstützen: »Ich hoffe, dass ich meine Tochter noch vor meinem letzten Tag wiedersehen kann«. Liora Argamani, die an Krebs im fortgeschrittenen Stadium leidet und im Rollstuhl sitzt, fordert die sofortige Freilassung ihrer Tochter.

Noa wurde am 7. Oktober von der Party entführt. Ein Video, das ihre Entführung dokumentierte und sie auf einem Motorrad zeigte, während mehrere Terroristen sie wegfuhren, kursierte am Morgen des 7. Oktobers im Internet und wurde zu einem der Symbole des Schwarzen Schabbats.

»Ich bin Liora Argamani, Mutter von Noa, die am 7. Oktober zusammen mit ihrem Freund Avinatan entführt wurde. Noa wird nun seit 100 Tagen von der Hamas gefangen gehalten und ich verstehe nicht, wie das sein kann, wie sie immer noch dort ist«, sagte die Mutter sichtlich verzweifelt.

Sie bedankte sich auch beim israelischen Volk: »Eure Hilfe erwärmt mein Herz. Danke, ich liebe euch alle sehr.« Als Liora Argamani zu Ende gesprochen hatte, erhielt sie tosenden Applaus und einen Ruf der Menge, der zum Schlachtruf der Geiselfamilien geworden ist: »Ach’schaw!« Jetzt!

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