Nahost

Gaza-Abkommen kurz vor dem Scheitern?

DOHA, QATAR - AUGUST 20: (----EDITORIAL USE ONLY - MANDATORY CREDIT ›FOREIGN MINISTRY OF QATAR / HANDOUT‹ - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS----) United States Secretary of State Antony Blinken (R) meets with Qatari Minister of State Mohammed bin Abdulaziz Al-Khulaifi (L) on August 20, 2024 in Doha, Qatar. Foreign Ministry of Qatar / Handout / Anadolu Foto: picture alliance / Anadolu

Begleitet von wachsender Skepsis setzt US-Außenminister Antony Blinken seine intensiven Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza fort. Nach Gesprächen in Israel reiste er nach Ägypten und Katar, die gemeinsam mit den USA bei indirekten Gesprächen über eine Einigung zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas vermitteln, beendete seine Reise aber ohne konkretes Ergebnis.

Einem Medienbericht zufolge droht das erhoffte Abkommen indes, ohne unmittelbare Alternative zu scheitern. Derweil eskalierte der gefährliche Konflikt an Israels Nordgrenze weiter. Die wie die Hamas von Teheran finanzierte Hisbollah griff erneut Ziele im Norden Israels an. Die Streitkräfte (IDF) reagierten.

Bei seiner Abreise aus Doha sagte Blinken vor Journalisten: »Wir müssen die Vereinbarung einer Waffenruhe und Geisel-Freilassung über die Ziellinie bringen.« Die Zeit dränge, weil das Leben der Hamas-Geiseln mit jedem Tag mehr in Gefahr sei. Außerdem litten die Menschen in Gaza jeden Tag, sagte der US-Außenminister.

Verhinderung weiterer Eskalation

Alle Vermittler setzten sich dafür ein, eine weitere Eskalation in der Region zu verhindern. Katar und Ägypten seien in direktem Kontakt mit der Hamas, um eine Einigung zu erzielen. »In den nächsten Tagen werden wir alles Mögliche unternehmen, um die Hamas mit dem Überbrückungsvorschlag an Bord zu bekommen«, sagte er. Danach müssten sich die beiden Seiten auf weitere Details einigen.

Blinken hatte am Montag in Israel gesagt, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe bei einem »sehr konstruktiven Treffen« den jüngsten von den USA unterstützten Vorschlag über eine Waffenruhe in Gaza akzeptiert. Es handele sich um einen »Überbrückungsvorschlag«, der auf einem im Mai von US-Präsident Joe Biden vorgestellten Plan basiere. Nun sei es an der Hamas, dem Vorschlag zuzustimmen.

Die Hamas warf den USA jedoch vor, sich mit dem jüngsten Überbrückungsvorschlag Israels Bedingungen gebeugt zu haben. Washington dulde damit neue Forderungen Netanjahus. Die Hamas werde keine neuen Bedingungen aushandeln, sagte ihr Sprecher Osama Hamdan der Deutschen Presse-Agentur. Es dürfe nur um die Umsetzung des von Biden im Mai vorgestellten Plans gehen. Blinken erklärte dagegen, der »Überbrückungsplan« enthalte lediglich »Klarstellungen und Details« mit Blick auf den ursprünglichen Plan.

Kein Rückzug von strategisch wichtiger Pufferzone

Die Terroristen der Hamas, die bisher sämtliche Kriege mit Israel begannen, und am 7. Oktober mit ihren Massakern auch den aktuellen Konflikt verursachten, wollen nun dessen Beendigung, da sie unter erheblichem militärischen Druck stehen. Ihr erklärtes Ziel ist jedoch eine Vernichtung Israels.

Bidens Plan in drei Phasen sieht zunächst eine Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Bei einem Treffen mit Angehörigen von Geiseln sagte Netanjahu nach Medienberichten, es sei nicht sicher, dass es einen Deal mit der Hamas geben werde. Der Regierungschef habe auch erklärt, er sei weiterhin nicht zu einem Rückzug von der strategisch wichtigen Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Ägypten sowie dem Nezarim-Korridor bereit, der den Gazastreifen in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt teilt.

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Breitere Anerkennung eines Palästinenserstaats

Die Aggressoren der Hamas bestehen auf einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen als Bedingung für eine Waffenruhe.

Nach dem Besuch in Israel traf sich Blinken mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Nach Angaben des Staatsinformationsdienstes SIS sagte Al-Sisi, eine Waffenruhe in Gaza müsse der Anfang einer breiteren Anerkennung eines Palästinenserstaats sein, um Stabilität in der Region zu garantieren.

Ein Bericht des US-Nachrichtenportals »Politico«, der sich auf zwei US- und zwei israelische Beamte beruft, sieht das Abkommen indes kurz davor, zu scheitern, ohne dass es eine klare, direkte Alternative gebe.

Größere Eskalation befürchtet

Im Falle eines solchen Scheiterns der Vermittlungsbemühungen wird eine größere Eskalation in der Region befürchtet. Nach der Tötung zweier hochrangiger Feinde Israels in Teheran und Beirut vor knapp drei Wochen hatten der Iran und die seine Terror-Partner der Hisbollah massive Vergeltungsschläge angedroht.

Die israelische Armee hatte in der Nacht zum Dienstag die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen. Die sterblichen Überreste von sechs Männern im Alter von 35 bis 80 Jahren seien in einem Tunnel in Chan Junis im Süden des Küstenstreifens gefunden worden. Angehörige der Geiseln machten der Regierung schwere Vorwürfe, weil ihre Liebsten nicht lebend aus der Geiselhaft gerettet wurden.

Die Hamas hat nun noch 109 Geiseln in ihrer Gewalt. 36 davon wurden für tot erklärt, 73 gelten als noch am Leben, wie eine israelische Regierungssprecherin mitteilte.

Terror-Zentrale in Schule

»Die Tage vergehen, und wir verlieren immer mehr Geiseln. Wir müssen einen Deal machen. Wir müssen. Jetzt«, schrieb Israels Oppositionsführer Jair Lapid auf der Plattform X.

Derweil versucht die Hamas erneut, Israel einen Angriff auf ein Schulgebäude in die Schuhe zu schieben. Nach Angaben der Streitkräfte (IDF) war jedoch eine Kommandozentrale der Hamas darin versteckt. Diese sei attackiert worden.

Regelmäßig werden auch in diversen Medien entsprechende Vorwürfe in Zusammenhang mit Schulen erhoben, bis sich schließlich herausstellt, dass der palästinensische Terror diese zivilen Gebäude missbraucht und seine eigene Bevölkerung damit zusätzlich in Gefahr bringt, um Israel hinterher beschuldigen zu können.

Dutzende Raketen aus dem Libanon

Bei heftigen Kämpfen im Süden des Gazastreifens wurden nach israelischen Militärangaben Dutzende Terroristen getötet. Im Bereich der Stadt Rafah seien rund 40 Terroristen bei Nahkämpfen und Schlägen der israelischen Luftwaffe ausgeschaltet worden, hieß es in einer Mitteilung der Armee.

Aus dem Libanon wurden derweil erneut Dutzende Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah teilte mit, sie habe eine »intensive Raketen-Salve« auf Stellungen des israelischen Militärs abgeschossen.dpa/ja

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