USA

Familienbande

Trumps Schwiegersöhne und ihre Ehefrauen: Jared und Ivanka Kushner, Tiffany und Michael Boulos (v.l.) Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

»Married to the Middle East.« Dieser Satz könnte im Amerika unter Donald Trumps zweiter Präsidentschaft zum Mantra werden. »Verheiratet mit dem Nahen Osten.« Das bezieht sich nicht nur auf die Brisanz der aktuellen Lage in der Region, sondern auch auf Trumps Familienbande. Ivanka heiratete den jüdischen New Yorker Jared Kushner und trat zum Judentum über. Tochter Tiffany, aus Trumps zweiter Ehe, ist seit 2022 mit dem libanesisch-stämmigen Michael Boulos verheiratet.

Dass Trump sich gern auf unkonventionelle Weise Ratschläge von Familie und Freunden holt, oft auch zur großen Weltpolitik, ist kein Geheimnis. Die Schwiegersöhne werden gewiss regelmäßig in Mar-a-Lago, Trumps Anwesen in Florida, aufeinandertreffen und gemeinsam dinieren. Und weil bei solchen Abendessen sicher auch aktuelle Geschehnisse in Nahost Gesprächsthema sein werden, könnten Trumps Schwiegersöhne in der Gestaltung der amerikanischen Politik in der Region bald schon ein Wörtchen mitreden.

Der 27-jährige Michael ist der Sohn von Massad Boulos, ein Christ aus dem Libanon, also dem Land, das fest im Griff der Hisbollah ist, die Israel seit Oktober 2023 täglich mit Raketen beschießt. Gegen die schiitische Terrormiliz führt Jerusalem derzeit Krieg.

Zwei Drittel der Israels sprachen sich für Trump als Präsident aus

Vor den Wahlen in den USA hatten sich bei Umfragen fast zwei Drittel der israelischen Bevölkerung für Trump als Präsident ausgesprochen. Die Israelis seien in den vergangenen Jahren immer konservativer geworden, erklärt sich das Asi Shariv, der ehemalige israelische Generalkonsul in New York. »Anders als in vielen Ländern auf der Welt wollte die große Mehrheit der Israelis Trump im Weißen Haus sehen.«

Er sei in Israel viel besser bekannt als die demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris und zudem von Leuten umgeben, die enge Verbindungen zum jüdischen Staat halten. Und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu baue ganz besonders auf diese persönlichen Beziehungen, ist Shariv überzeugt. »Ich habe einen direkten Draht nach Washington. Donald und ich sind gute Freunde«, betont Netanjahu gern und häufig. Auch mit Schwiegersohn Kushner verstehe er sich blendend, heißt es.

Trump sei in seiner ersten Amtszeit als Präsident mit den Abraham Accords, an deren Abschluss Kushner wesentlich beteiligt war, der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und der Anerkennung der Golanhöhen »sehr großzügig« gewesen, so der Eindruck. Diese diplomatischen Gaben haben ihn jedoch nichts gekostet, hebt Shariv hervor. »Präsident Biden aber zeigte nach dem 7. Oktober die Freundschaft zu Israel in der großzügigsten Weise, die überhaupt möglich ist, er gab 22 Milliarden US-Dollar. Er ist der zionistischste US-Präsident aller Zeiten.«

Er gehe davon aus, dass Trump »große Worte« schwingen und das »Richtige sagen wird«, so Shariv. Er bezweifle aber, dass er ähnlich tief in die Tasche greifen würde, um Israel zu unterstützen. »Es gibt nicht die geringste Chance, dass eine US-Regierung unter Trump diese Summe überweist.«

Der Vater von Trumps Schwiegersohn soll Verbindungen zur Hisbollah haben.

Ähnlich sieht das Shira Efron, Expertin für US-Politik zum Thema Nahost und Mitglied des Vorstands des Forums Dvorah, einem Netzwerk von Frauen in Führungspositionen in den Bereichen nationale Sicherheit und Außenpolitik. Als Beleg dafür nennt sie das Abstimmungsverhalten des angehenden Vizepräsidenten J. D. Vance. »Er stimmte gegen die weitere Hilfe für Israel. Zwar war die Abstimmung an die Ukraine gekoppelt, doch das Ergebnis war dasselbe.« Shariv betrachtet Trumps Vize ebenfalls als potenzielles Problem: »Nicht nur ist er Isolationist und hat kein großes Interesse an Außenbeziehungen. Er hat auch keine Bindung zu Israel.«

Forderung nach einem Ende des Krieges in Gaza

Obwohl Harris und Trump während ihrer Wahlkampagne ein Ende des Krieges in Gaza forderten, glauben beide Experten nicht, dass es ein amerikanisches Waffenembargo gegen Israel geben werde. Gleichwohl hat sich Trump mehrfach für eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt ausgesprochen. Genau diese wird von der derzeitigen rechts-religiösen Koalition in Jerusalem aber nicht unterstützt.

»Zwar sagt Trump, mit ihm werde es sofort Frieden in Nahost geben, aber es ist lächerlich anzunehmen, dass man die Palästinenser außen vorlassen kann und so eine Verständigung erreicht«, ist Efron überzeugt. »Zu betonen, man könne in sechs Monaten Frieden in dieser sehr komplexen Beziehung zwischen Israel und den Arabern schaffen, hilft uns nicht wirklich.«

Auch was den Iran betrifft, gebe es keine Zuverlässigkeit, wie Trump handeln werde. »Nach drei Monaten könnte er einfach sagen, der Krieg mit dem Iran ist vorbei. Und dann gibt es sehr wenig, was die israelische Regierung tun kann«, warnt Shariv. Dabei könnte auch Russland eine Rolle spielen. Denn in den vergangenen Jahren haben sich Moskau und Teheran zunehmend angenähert. »Obwohl wir ihn vier Jahre lang als Präsidenten der USA kennengelernt haben, können wir ihn nicht einschätzen«, fasst Efron zusammen. »Trump sagt eine Sache und tut dann die andere. Mit ihm ist alles unvorhersehbar.«

Shariv sieht eine der größten Herausforderungen für die zukünftigen Beziehungen zwischen den USA und Israel in der Tatsache, dass Kushner, einer der wichtigsten Player für den Nahen Osten, keine Rolle mehr im Weißen Haus spielen wolle. Zwar soll er Trump derzeit bei der Zusammensetzung der Verwaltung beraten, berichtete die israelische Gratiszeitung »Israel Hayom« Anfang der Woche. Über eine weiterführende Position gebe es aber noch keine Angaben.

Boulos senior wurde im Libanon geboren

»Ein noch größeres Problem allerdings könnte der andere Schwiegersohn sein, oder vielmehr dessen Vater«, gibt Shariv zu bedenken. Boulos senior wurde im Libanon geboren und war zum Jurastudium nach Texas gezogen. Eigenen Angaben zufolge beteiligt er sich seit dieser Zeit aktiv an der republikanischen US-Politik. Nach dem Abschluss seines Studiums wurde er Geschäftsführer des Mischkonzerns in Familienbesitz, SCOA Nigeria, der laut Bloomberg in den Bereichen Möbelproduktion und Innenausstattung, Automobilmontage und -vertrieb, Stromerzeugung, Einzelhandel und Handel tätig ist.

In seinem Heimatland scheint Boulos auch politisch aktiv zu sein: 2009 kandidierte er für einen Sitz im libanesischen Parlament – allerdings erfolglos. Boulos bezeichnet sich selbst als »Freund« von Sleiman Frangieh, einem christlichen Politiker aus einer einflussreichen Politikerfamilie, der mit der schiitischen Partei und der Hisbollah verbündet ist, schreibt die Nachrichtenagentur AP. Frangieh ist derzeit der von der Hisbollah unterstützte Kandidat für das vakante Präsidentenamt im Libanon.

»Boulos, jetzt ein Familienmitglied von Trump, hat enge Verbindungen zur Hisbollah«, bestätigt Ex-Generalkonsul Shariv. »Und das macht einige Mitglieder der israelischen Regierung sehr nervös.« Trump, meint er, »könnte sich dadurch verpflichtet fühlen, dieser Seite der Familie einen Gefallen zu tun«.

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