Nahost

Erste Hilfe vom »Feind«

Krankenhaus in Nahariya Foto: Flash 90

Glück im Unglück hatte die kleine Aya aus der syrischen Stadt Dar’a. Zusammen mit ihrer Mutter Um Omar liegt sie im israelischen Krankenzentrum Siw in Safed, wo sie »die beste Versorgung weltweit« bekommt, wie Calin Shapira, stellvertretender Klinikdirektor, verspricht. Sechsmal operierten die Ärzte die zarte Achtjährige, um ihr das zerschmettere rechte Bein zu retten. Jetzt kann sie wieder laufen. Ayas Mutter ist dankbar. »Früher war Israel unser Feind«, sagt sie. »Wir werden hier gut behandelt.«

Die Syrerinnen sind nur zwei von rund 200 Opfern des blutigen Bürgerkrieges, die ihre Wunden in israelischen Krankenhäusern ausheilen. Wie genau sie hergekommen sind, wissen sie nicht. »Junge Syrer haben mich aus dem Krankenhaus geholt«, erinnert sich Um Omar, als Dar’a erneut bombardiert wurde. Irgendwo in der Grenzregion müssen Mutter und Tochter in einen Sanitätswagen des israelischen Militärs verfrachtet worden sein, der sie dann nach Safed brachte.

Arabisch Mutter und Tochter saßen vor ihrem Haus, als Bomben auf Dar’a fielen. Kaum 100 Kilometer ist das Krankenhaus im nordisraelischen Safed von ihrer Heimat entfernt. Die Mutter wird traurig, wenn sie an ihren Mann denkt, der noch in Dar’a ist. Die sieben Geschwister von Aya glaubt sie in Sicherheit.

Trotz der andauernden Kämpfe wollen Um Omar und Aya, sobald sie können, wieder zurück. »Es ist doch mein Zuhause«, sagt Aya lächelnd auf arabisch zu ihrem Arzt Kassis Shokrey, der plastischer Chirurg im Siw-Krankenzentrum und israelischer Araber ist.

Im Krankenzentrum Siw werden vor allem Splitterverletzungen und Schusswunden behandelt. Besonders schwere Fälle werden in die Klinik von Nahariya überwiesen, wo ein Großteil des Personals israelische Araber sind.

In jeder Schicht soll zumindest eine Krankenschwester oder ein Pfleger arabisch sprechen. »Ein Mensch für einen Menschen«, ist die Devise von Klinikdirektor Masad Barhoum, ein praktizierender Katholik. »Jeder Kranke ist zuallererst ein Mensch«, sagt der israelische Araber.

explosion »Wir Israelis haben leider Gottes genug Erfahrung mit Terrorattentaten und Bombenexplosionen«, sagt Alexander Lerner, Chef der orthopädischen Abteilung. Das Ärzteteam umfasst international anerkannte Experten. Ayas Bein behandelte Lerner mit einem komplizierten Verfahren zur Verlängerung der Knochen. Der Orthopäde ist überzeugt, dass Aya ohne dieses chirurgische Verfahren »ihr Bein verloren hätte«.

Die Patienten aus Syrien lassen den Bürgerkrieg näher an die Israelis heranrücken. »Wir haben alle geweint«, sagt Barhoum, »als ein dreijähriges Mädchen aufwachte und nach ihrer Mutter rief«. Die etwa 100 Syrer, die bis heute zu ihm zur Behandlung kamen, sind zwar »nicht mehr, als ein Tropfen auf den heißen Stein«, dennoch zähle jeder einzelne Mensch. Barhoum berichtet von einer Frau, die mit einem glatten Kopfdurchschuss eingeliefert wurde und »auf eigenen Beinen das Krankenhaus verließ«.

»Wie kann ich hier einen Feind sehen«, fragt Mediziner, der stolz ist auf den Staat Israel ist. »Die Regierung hat entschieden, dass wir die Syrer behandeln können.« Kein Hilfesuchender werde abgewiesen. Genauso empfinde auch Klinikpersonal. Barhoum ist zuversichtlich, dass Gesundheits- und Verteidigungsministerium die Kosten übernehmen werden. Denn die Syrer kommen ohne Geld und ohne Versicherung. Allein in Nahariya liegen die Behandlungskosten schon bei weit über einer Million Euro.

Familien Ohne Ausnahme wollen die Patienten so schnell wie möglich wieder nach Hause. »Viele sind schockiert, wenn sie die Augen aufmachen und hören, dass sie in Israel sind«, berichtet Barhoum. Dabei kommt zur Angst vor dem Feind auch die Sorge, dass Familienangehörige in Syrien bestraft werden könnten, wenn bekannt wird, dass die Patienten in Israel behandelt werden.

Der Mediziner macht sich keine Illusionen: die Haltung der arabischen Welt gegenüber Israel werde sich damit nicht verändern. »Aber wenn hier nur ein paar Syrer sind, die Israel mit anderen Augen sehen und ihren Familien erzählen, wie sie hier behandelt wurden, dann ist schon viel passiert.«

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025