KONZERT

»Das war ja so schejn«

Sorgen für gute Stimmung: Max Raabe (M.) und sein Palast Orchester Foto: promo

Nonchalant lehnt er zunächst am Flügel. Dann vier exakte Schritte in den polierten Lackschuhen bis zum Mikrofon, und er steht im Licht. »Heute Nacht oder Nie« zum Auftakt, der Hit der Comedian Harmonists. Besser hätte es Max Raabe nicht treffen können. Eine Hommage an die teils jüdische Chansonniergruppe, der die Nazis 1933 Auftrittsverbot erteilten. Raabe ist mit seinem Palastorchester zum ersten Mal auf Tournee in Israel. Am Montagabend nahm er sein Publikum in der ausverkauften Tel Aviver Oper – das erste von vier Konzerten – mit seiner »Heute Nacht oder Nie«-Show auf eine musikalische Reise mit zurück in die 20er- und frühen 30er-Jahre.

»Erew tow l’kulam«, begrüßt der Sänger seine Zuhörer nach dem ersten Stück. Guten Abend zusammen. Freudiges Geraune im Saal. Fast alle im Publikum sind Jeckes ab 60 Jahre und aufwärts, Juden deutscher Herkunft. Bei jedem Lied läuft hoch über den Köpfen der Musiker eine Übersetzung der deutschen und englischen Texte ins Hebräische auf einer Leinwand mit. Sie scheint überflüssig. »Ich steh’ mit Ruth gut« oder »Wenn die Elisabeth...« – die Refrains kennt das Publikum. Beim kecken »Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo« klatschen alle enthusiastisch und wippen im Rhythmus auf den Stühlen.

In Walter Jurmanns Klassiker »Ninon« kommt die Flexibilität von Raabes Bariton besonders zur Geltung: Sanft und leise fließen die Töne durch den Raum. Niemand wagt ein Räuspern, ein Hüsteln. Stille für dieses wundersam wehmütige Werk, wenn der studierte Opernsänger zum Besten gibt: »Ninon, lach mir einmal zu, denn mein schönster Traum auf der Welt bist du«. Vor jedem Lied nennt Raabe den Komponisten des Werkes und das Jahr, in dem es geschrieben wurde. Auf einer Pressekonferenz sagte er einmal, dass ihm das besonders wichtig sei, denn viele der Komponisten waren jüdisch, bekamen deshalb Auftrittsverbot, mussten Deutschland verlassen oder wurden umgebracht. »Ich will, dass die Menschen etwas über diese Komponisten erfahren und ihnen den Respekt erweisen, den sie verdienen.«

Bei der Show sitzt jedes Detail. Von den Schuhen bis zur letzten feinen Note ist alles auf Hochglanz poliert. Wie jeder Schritt, so kommt auch sein trockener Humor immer im richtigen Moment. Vor dem Stück »Du bist meine Greta Garbo« erzählt er auf Englisch, dass es nicht immer ganz einfach sei mit den Damen und den Komplimenten. Man könne der Liebsten sagen, sie sei genauso blond und genauso schön wie die Garbo. Nach einer bedeutungsschwangeren Pause fügt er hinzu: »Nur nicht so reich.« Die Zuhörer lassen sich von Raabes Charme mitreißen. Verführerisch inszeniert er Zurschaustellung und Rückzug, stellt sich nur dann ins Spotlight, wenn er singt, überlässt sonst die Bühne seinen Musikern und steht in gekonnt lässiger Haltung am Flügel. Als das Orchester die ersten Noten des Kassenschlagers der Andrew Sisters anspielt, »Bei mir biste schejn«, ertönen Ah- und Oh-Rufe von allen Seiten. Ein musikalischer Anachronismus, der nicht verstaubt, sondern in Raabes Interpretation zeitlos und lebendig wirkt.

Die meisten der Damen und Herren gehen in der Pause in das Foyer, um etwas zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen. Es scheint, sie liefen beschwingteren Schrittes als vor dem Konzert, hätten die Musik noch im Ohr. Sie unterhalten sich, wer damals welchen Lieblingshit hatte. »Ich kenne die Lieder aus meiner Kindheit. Meine Mamme hat sie ständig gesungen, alle kann ich auswendig.« Ruthie Katz ist ganz aufgeregt. »Dieser Max hat eine Stimme, die ist wie gemacht für diese Stücke.« Ob sie nur positive Gefühle bei der Reise in die Vergangenheit habe. »Aber ja«, sagt die ältere Dame, die aus Deutschland stammt, »es gab ja auch schöne Zeiten, und diese Musik erinnert mich daran.«

Andrea Kiewel

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