Internet

Das Netz in Zeiten des Krieges

Hat schon 279.000 Fans: Facebook-Auftritt der israelischen Armee Foto: (M) Frank Albinus

Schon lange findet der Krieg nicht mehr nur am Boden oder in der Luft statt. Während extremistische Palästinenser in Gaza ihre Abschussrampen mit Raketen bestücken, israelische Piloten in ihren Kampfjets Vergeltungsangriffe fliegen, gibt es zur gleichen Zeit eine Schlacht in der Cyberwelt. Es wird gepostet, getwittert und gemailt, als hinge das nackte Überleben davon ab. Militärische Auseinandersetzungen im Zeitalter des Internet werden zu multimedialen Propagandaschlachten.

Sogar Grundschulkinder sind bereits hochpolitisch. Israelische Mädchen und Jungs übertrumpfen sich gegenseitig auf Facebook mit Posts zur Unterstützung der Soldaten während der Militäroperation »Säule der Verteidigung«. Wer bekommt die meisten »Likes« für Bilder, Statusmeldungen und Ermutigungen? »Für die Soldaten Israels: Wir denken an Euch – die ganze Zeit«, schreibt eine Zwölfjährige aus Tel Aviv auf ihrem Profil. Dazu hat sie ein Foto ihres Cousins gestellt, der gerade seinen dreijährigen Wehrdienst ableistet. 178 »Likes« heimst sie dafür ein.

Währenddessen sind auch Cyberterroristen umtriebig. Innerhalb von 24 Stunden versuchten Hacker rund eine Million Mal, in Websites der israelischen Regierung einzudringen. Normalerweise gibt es einige 100 bis 1000 Angriffe täglich. Seit Beginn des jüngsten Gazakriegs summieren sich die Versuche auf 44 Millionen. Mit mehr als 1000 Angriffen hatten die Hacker Erfolg. Im nationalen Cyberbüro herrscht seit Tagen Alarmstufe Rot. Besonders, nachdem versucht worden war, die Internetseiten von Unternehmen der Militärindustrie zu manipulieren. Offenbar sollten Daten des Raketenabwehrsystems ausspioniert werden. Eine Schreckensvorstellung, deren Realisierung aber vereitelt wurde.

Warnung Die israelische Armee selbst ist omnipräsent in den sozialen Netzwerken. Nach der Tötung des Militärchefs der Hamas, Ahmed al-Dschabari, warnte der IDF-Sprecher per Twitter: »Wir empfehlen, dass kein Hamasmitglied, ob hochrangig oder nicht, sein Gesicht in den nächsten Tagen in der Öffentlichkeit zeigt.« Eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Die Terrorgruppe aus Gaza schrieb daraufhin: »@idfspokesperson: Unsere gesegneten Hände werden eure Anführer und Soldaten erreichen, wo auch immer sie sein mögen. (Ihr habt die Tore zur Hölle selbst geöffnet.)« Viele bezeichnen den multimedialen Austausch zwischen Jerusalem und Gaza als »ersten Twitterkrieg«.

Auf die Facebookseite »Israel Defense Forces«, die 279.000 Fans hat, werden rund um die Uhr Fotos und Nachrichten, Neuigkeiten und jede Menge Propaganda gestellt. »45 Prozent der Israelis leben in Reichweite der Hamas-Raketen. Das entspricht 30 Millionen Franzosen, 28 Millionen Briten und 140 Millionen Amerikanern. Was würdet ihr in dieser Situation tun?«, prangt auf einem grau-roten Poster an der militärischen Cyberpinnwand. Fast 9000 Anhänger finden diese Frage gut.

Doch auch Kritik ist auf der Seite zugelassen. So meint eine Carol Ghadimi, es sei nicht richtig, selbst gebaute Raketen mit F16-Fliegern zu vergleichen oder 111 Tote in Gaza mit dreien auf israelischer Seite. Häuser, Moscheen und Kirchen, die kaputt gebombt sind. »Lebt ihr im wahren Leben oder in einer Fantasiewelt?«, fragt sie.

ängste Viele Menschen machen es sich in Zeiten des Krieges zweifelsohne in der virtuellen Welt gemütlich. Je häufiger die Raketen in der Realität, desto schneller fliegen die Finger über die Tastaturen. Menschen auf beiden Seiten des Konflikts tauschen sich aus, suchen Unterstützung und einen Ort, um ihre Ängste zu teilen.

Immer mehr Gruppen auf Facebook verschreiben sich der Solidarität mit den Menschen im geschundenen Süden Israels. Wie die von Adele Raemer, die nahe des Gazastreifens lebt. Der offenen Gruppe »Life on the border with Gaza – things people may not know but should« kann jeder beitreten. Der Gründerin geht es darum, aus direkter Quelle zu vermitteln, wie ein Leben unter Beschuss aussieht. fernab der Politik. Natürlich können auch Israelis hier Dinge erfahren, vor allem aber will Raemer authentische Informationen ans Ausland weiterleiten.

Obwohl die Lage politisch hochbrisant ist, macht die Initiatorin klar: »Die Agenda der Gruppe ist apolitisch.« Stattdessen will die Frau aus dem Kibbuz Nirim Verständigung. Sie versucht sogar, Menschen aus Gaza zu finden, damit auch die ohne propagandistische Verzerrung über die Lage jenseits des Grenzzaunes lesen können. Bislang allerdings ohne Erfolg.

»Menschen, die sich nicht in der Feuerzone befinden, sind herzlich eingeladen, Fragen zu stellen oder Empathiebekundungen zu posten«, steht in den Statuten. Und besonders Letztere trudeln dieser Tage nonstop ein. Carina Freifeld-Nachmani schreibt aus Bat Jam, einige Kilometer südlich von Tel Aviv: »Wir sind hier eigentlich nicht an Raketen gewöhnt. Doch in den vergangenen Tagen haben auch wir etwas abbekommen. Wir haben jetzt einen Eindruck davon, womit ihr ständig leben müsst. Ihr alle seid meine Helden an der Front dieses Wahnsinns. Passt auf euch auf!« Seit Beginn von »Säule der Verteidigung« hat sich die Zahl der Mitglieder fast verdoppelt.

Blogger Unter der Adresse darom.exellense.com schreiben ebenfalls Israelis ihre Erlebnisse mit der Raketenroutine auf. Eine der Bloggerinnen heißt Nachalah, ist 24 und Grafikdesignstudentin am Sapir College in Sderot. Nachalah schildert ihren Alltag im schier endlosen Bombenhagel aus persönlicher Sicht. Sie erzählt, warum sie gerade hier lebt und studiert.

In ihrem zweiten Eintrag ist Nachalah wütend und traurig. »Es reicht. Weil mein Liebster als Reservist zum Militärdienst eingezogen wurde, weil Raketen um mein Haus fliegen, weil ich nicht joggen gehen oder normalen Alltag leben kann.« Woandershin kann Nachalah nicht, denn jeden Tag könnte es vorbei sein mit den Angriffen, könnten die Vorlesungen an der Uni wieder stattfinden. Sie muss Hausarbeiten abgeben und sich auf Prüfungen vorbereiten. Die junge Israelin schreibt, sie sei während der Intifada geboren, habe verschiedene Kriege miterlebt, Terroranschläge und Militäraktionen, und kann sich doch keinen anderen Ort zum Leben vorstellen. Zum Abschluss schreibt sie: »Alles, was ich tun kann, ist, mich zu sorgen und meinen Schatz zu vermissen.«

Tel Aviv

Sorge vor weiteren Anschlägen auf jüdische Ziele weltweit

Laut »Chadschot 13« warnt der Mossad vor »vor einem beispiellosen Anstieg von Zusammenschlüssen zur Durchführung von Terroranschlägen gegen Juden und Israelis im Ausland durch Iraner und Palästinenser«

 16.12.2025

Tel Aviv

Nach Anschlag von Bondi Beach: IDF verschärfen Sicherheitsregeln für Soldaten im Ausland

Unter anderem rät die Einsatzführung der Streitkräfte Soldaten davon ab, ihre Zugehörigkeit zur Armee offenzulegen

 16.12.2025

Diplomatie

US-Gesandter Barrack führt Gespräche in Jerusalem

Vor dem Fristende zur Entwaffnung der Hisbollah besucht der US-Gesandte Barrack die israelische Hauptstadt

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Australien

15 Tote bei antisemitischem Massaker in Sydney

Zwei Attentäter schießen auf Juden, die sich am Bondi Beach in Sydney zu einer Chanukka-Feier versammelt hatten

von Michael Thaidigsmann  15.12.2025 Aktualisiert

Jerusalem

Israels Außenminister kritisiert Australien nach Schüssen

Israels Außenminister Sa’ar sieht nach tödlichen Schüssen beim Chanukka-Fest in Sydney die australische Regierung mit in der Verantwortung – und fordert Konsequenzen

 14.12.2025

Terror

Herzog: »Grausamer Angriff auf Juden« in Sydney

Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog äußerte sich zu dem Angriff auf eine Chanukka-Feier in Australien mit vielen Toten und Verletzten

 14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025