Analyse

Annäherung mit Preisschild

Könnten bald schon auf Verhandlungstischen stehen: die Fähnchen Israels und Saudi-Arabiens Foto: Getty Images/iStockphoto

Analyse

Annäherung mit Preisschild

Die Zeichen stehen für eine Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien

von Sabine Brandes  09.08.2023 16:42 Uhr

Wenn er wetten müsste, dann würde er auf »Ja« setzen. Premierminister Benjamin Netanjahu sagte in einem Interview zu Wochenbeginn, er sei optimistisch, was die Vertiefung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien angeht, und nannte dies eine »außergewöhnliche Sache«.

In den vergangenen Monaten häuften sich die Anzeichen, dass sich Israel und das Königreich am Golf auf Annäherungskurs befinden. Allerdings käme die Normalisierung mit einem Preisschild, meinen Experten.

korridor »Ich denke, dass wir kurz vor einem Wendepunkt in der Geschichte stehen«, so Netanjahu gegenüber »Bloomberg News«. Zwar könne er es nicht garantieren, doch auch »ohne das offizielle Friedensabkommen ist mit einer wirtschaftlichen Normalisierung« zu rechnen. »Es gibt einen Korridor für Energie, Transport und Kommunikation, der natürlich durch unsere Geografie verläuft, von Asien über die Arabische Halbinsel bis nach Europa.«

Der Premier räumte ein, dass Israel »einige Zugeständnisse« machen müsse, um diese Vereinbarungen zu treffen, ging jedoch nicht auf Einzelheiten ein. Zuvor hatte die »New York Times« geschrieben, dass etwaige Kompromisse bei der Hardliner-Regierung in Jerusalem derzeit allerdings unwahrscheinlich seien. Doch Netanjahu sieht das anders: Er gehe nicht davon aus, dass politische Fragen ein Hindernis sein würden, es gebe genug Raum, um Möglichkeiten zu diskutieren, sagte er. »Wenn der politische Wille vorhanden ist, wird es einen politischen Weg geben.«

Der Premier räumte ein, dass Israel »einige Zugeständnisse« machen müsse, um diese Vereinbarungen zu treffen.

Gleichzeitig deutete der Regierungschef an, dass die Saudis nicht besonders besorgt darüber seien, was die Palästinenser von einem möglichen Deal haben könnten: »Ich denke, die palästinensische Frage wird ständig als eine Art Kontrollkästchen ins Spiel gebracht.« Tatsächlich aber würden Gespräche über die Palästinenser in geschlossenen Sitzungen »viel seltener geführt, als man denkt«.

ZUGVERBINDUNG Zwei Wochen zuvor hatte sich Netanjahu in Sachen Annäherung bereits ganz praktisch gegeben: Bei der Eröffnung eines Plans für einen Trans-Israel-Zug sinnierte er darüber, dass dieser »in Zukunft auch in der Lage sein wird, Israel mit Saudi-Arabien und der Arabischen Halbinsel zu verbinden«. Seine Regierung arbeite bereits daran.

Außenminister Eli Cohen äußerte sich ähnlich zuversichtlich: »Die palästinensische Frage wird kein Hindernis für den Frieden sein«, sagte er in einem Interview mit der arabischsprachigen Website »Elaph« in London. »Das haben wir auch bei den Abraham-Abkommen bewiesen. Wir alle haben ein Interesse daran, das Leben in den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde zu verbessern.« 2020 hatte Jerusalem zugestimmt, einen Plan zur Annexion großer Teile des Westjor­danlandes im Austausch für die Abraham-Abkommen einzufrieren. Damit wurden die Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und später zu Marokko normalisiert.

Auch die saudische Presse reagierte bereits auf Spekulationen über ein mögliches Friedensabkommen mit Israel. Der Chefredakteur der englischsprachigen Tageszeitung »Arab News«, Faisal J. Abbas, schrieb nach dem Besuch des amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan in Dschidda vor einigen Wochen, dass »ein Friedensabkommen möglich sein könnte«. Es ist wahrscheinlich, dass der Artikel vorher von der saudischen Führung genehmigt wurde, da praktisch alle Medien unter deren Kontrolle sind.

Hinter vorgehaltener Hand bestehe das Weiße Haus vor einer Vermittlung zwischen Israel und Saudi-Arabien jedoch darauf, dass die Regierung die umstrittene Justizreform beende und die Friedensgespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde wiederaufnehme. Bestätigt wurde das allerdings weder aus Jerusalem noch aus Washington.

PALÄSTINENSERFRAGE Währenddessen erklärte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gegenüber der Arabischen Liga, dass »die Palästinenserfrage das zentrale Thema für die arabischen Länder war und bleibt und an oberster Stelle der Prioritäten des Königreichs steht«. Angeblich soll Saudi-Arabien zudem das Okay von den USA zu Waffengeschäften fordern, die während der Regierung von Präsident Donald Trump ausgehandelt und bei Amtsantritt von Präsident Joe Biden eingefroren worden waren.

Yoel Guzansky vom Institut für nationale Sicherheitsstudien an der Universität Tel Aviv war Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates Israels und koordinierte Arbeitsgruppen zu den Golfstaaten und dem Iran unter vier Nationalen Sicherheitsberatern und drei Premierministern. Derzeit ist er als Berater für mehrere Ministerien tätig. Er meint, dass zudem ein anderer Faktor großen Einfluss auf die Entwicklungen zwischen dem Königreich am Golf und Israel habe: die Beziehung zwischen Saudi-Arabien und den VAE.

»Ich denke, wir stehen vor einem Wendepunkt in der Geschichte.«

Benjamin Netanjahu

Diese hätten sich in den vergangenen Jahren zusehends verschlechtert. »Den Streitigkeiten liegen Prestige- und Status-erwägungen auf regionaler und internationaler Ebene zugrunde. Das ›erwachende‹ Saudi-Arabien hat ein Interesse daran, den aus seiner Sicht privilegierten Status gegenüber den VAE wiederherzustellen«, erläutert Guzansky.

»Streitigkeiten zwischen Abu Dhabi und Riad sind zwar nichts Neues, sie haben jedoch an Intensität zugenommen und zerstören das Bild einer regionalen Einheitsfront gegen den Iran.« Auch hätten sich diese zu einem regelrechten Wettbewerb entwickelt, mit Folgen für den globalen Energiemarkt, die regionale Stabilität und die israelischen Interessen.

BEDEUTUNGSSPRUNG Einer der Gründe sei die Bedeutung der VAE, die im vergangenen Jahrzehnt zugenommen habe. In vielen Bereichen wie Medizin, Raumfahrt, Landwirtschaft und Kernforschung hätten die VAE ihren großen arabischen Bruder überholt. »Der beeindruckende Bedeutungssprung Abu Dhabis ist Riad ein Dorn im Auge, und natürlich hat der Iran Interesse daran, einen Keil zwischen die beiden zu treiben.« Allerdings ist er zuversichtlich, dass die beiden zu einer, wenn auch nur teilweisen, Übereinkunft gelangen werden.

»Beide Länder betrachten Israel trotz seiner derzeitigen Schwäche als regionale Macht«, weiß Guzansky und rät, dass Jerusalem nicht den Eindruck erwecke, zwischen ihnen Partei zu ergreifen. »Israel hat ein Interesse daran, die Beziehungen zu den VAE weiter auszubauen und gleichzeitig eine Normalisierung mit Saudi-Arabien zu erreichen – und muss dabei sicherstellen, dass die eine Anstrengung nicht auf Kosten der anderen geht.«

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