Panne

An der Uhr gedreht

Da nützt das beste Smartphone nichts: Zahllose Israelis kamen am Sonntag zu spät zur Arbeit. Foto: Thinkstock / (M) Marco Limberg

Israelis tragen dieser Tage keine Eulen, sondern ihre Handys nach Athen. Zumindest virtuell. Am Sonntagmorgen, als die Nation nach den Feiertagen zum jüdischen Neujahr erwachte, merkte sie mit Schrecken, dass jemand an den Uhren der Telefone und Computer gedreht hatte. Statt sieben Uhr morgens, wie das Display anzeigte, war es schon acht. Die Mobilfunkfirmen hatten versäumt, die Sommerzeit dem entsprechenden Knessetbeschluss anzupassen. Nach deren Einstellungen war die Uhr schon jetzt eine Stunde zurückgestellt worden, in Wirklichkeit jedoch noch lange nicht.

Vor zwei Monaten hatte das Parlament nach einem Antrag des neuen Innenministers Gideon Saar beschlossen, die Sommerzeit den übrigen westlichen Ländern anzupassen und erst Ende Oktober wieder auf die reguläre Zeit umzustellen. Zuvor galt die Regel, dass die Uhr am letzten Sonntag vor dem höchsten Feiertag im Judentum, Jom Kippur, zurückgedreht wird.

Zahlreiche religiöse Vertreter, allen voran die Schas-Partei, die vor den Neuwahlen das Innenministerium innehatte, betonten stets, dass das Fasten an Jom Kippur leichter falle, wenn es in der Winterzeit stattfinde, und sich deshalb mehr Israelis daran hielten. Mit der fadenscheinigen Begründung, »die Zeit fühlt sich einfach kürzer an«, weigerte sich Schas jahrelang, die Sommerzeit dem Westen anzupassen.

Beratungen Das Komitee der Knesset unter der Leitung von Schmuel Aboav jedoch befragte Religionsexperten und
-oberhäupter der verschiedenen Strömungen. Nach den Beratungen mit den Rabbinern war für Aboav klar, dass es kein religiöses Gesetz gibt, welches die Verlängerung der Sommerzeit verbiete. »Im Gegenteil«, erklärte er abschließend, »viele Rabbiner unterstützen diese Regelung, damit die Bevölkerung während der Hohen Feiertage helle Abende genießen kann.«

Die Tageszeit sollte in einem Zusammenhang mit der menschlichen Aktivität stehen, so Aboav weiter. »Mit der Sommerzeit dämmert es in den heißen Monaten um 18 Uhr, in der Winterzeit indes schon um 17 Uhr, und das passt einfach nicht zum September.«

status quo Zudem hielten die meisten Israelis den bisherigen Status quo für – gelinde gesagt – absurd. »Winter mitten im Sommer«, tönte es wütend durch das Land, als, wie im vergangenen Jahr, die Hohen Feiertage Mitte September im Kalender standen. Draußen herrschten Temperaturen um die 30 Grad, die Menschen wollten an den Strand gehen, doch die Sonne ging bereits um 17 Uhr unter.

»Völliger Quatsch«, meint auch Tomer Levi, der in seiner Hightech-Firma bereits im vergangenen Jahr die frühere Zeitumstellung ignorierte und einfach so tat, als sei es eine Stunde später. »Es ist gut für das Wohlbefinden von allen, wenn die Sommerzeit so lang wie möglich andauert. Vor allem im Hochsommer, wenn es draußen heiß ist. Wir kommen um fünf oder sechs aus dem Büro und wollen noch etwas von den hellen Stunden haben.«

Das sieht auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu so. Zum Parlamentsbeschluss, die Sommerzeit bis in den Herbst zu verlängern, sagte er: »Jetzt haben wir ein Land von Milch, Honig und Sonne. Das ist eine sehr gute und willkommene Änderung.«

Verkehrsunfälle Experten bescheinigen bereits seit Jahren, dass die weitere Stunde Tageslicht neben den Stromeinsparungen für elektrisches Licht in Firmen, Geschäften und Privathaushalten zur Sicherheit beitrage, da die Anzahl von Verkehrsunfällen erst nach Einbruch der Dunkelheit ansteigt und auch kriminelle Taten meist erst dann verübt werden. Angeblich soll die Wirtschaft durch die neue Maßnahme etwa 60 Millionen Euro jährlich einsparen.

Levi hatte die Nachrichten damals verfolgt und war informiert. Umso mehr wunderte sich der zweifache Familienvater, als er an diesem Sonntagmorgen von seinem Handy-Alarm geweckt wurde. »Ich schaute auf mein Telefon, und es war 6.30 Uhr. Als ich die Wanduhr sah, zeigte die aber schon 7.30 Uhr. Es herrschte totale Verwirrung.« Levi brachte seine Söhne zu spät in den Kindergarten, erwartete eine Standpauke. »Doch die Kindergärtnerin lachte nur und sagte, ihr sei es genauso ergangen. Ich müsse lediglich die Zeitzone in meinem Handy auf ›Athen‹ umstellen.«

Zeitzone Erst in seiner Firma verstand Levi, was tatsächlich geschehen war. Seine Kollegen berichteten, dass es die Mobilfunkfirmen nicht geschafft oder schlicht versäumt hätten, dem Knessetbeschluss Beachtung zu schenken. Daher wurden sämtliche Handys und zahlreiche Computer in Israel vor Jom Kippur um eine Stunde zurückgesetzt.

Da sie das Problem derzeit nicht in den Griff bekommen, raten die Firmen ihren israelischen Kunden, die Zeitzone »Athen« in den Einstellungen anzugeben – und erst am 27. Oktober, wenn tatsächlich die Winterzeit Einzug gehalten hat, wieder nach Israel »umzuziehen«.

Israel

Herzog erinnert an »Sieg über das dunkelste Böse«

Israels Präsident würdigt zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs den Einsatz der Alliierten und warnt vor dem Schweigen angesichts von Hass

 08.05.2025

USA

Trump angeblich von Netanjahu enttäuscht

Die regierungsnahe Tageszeitung »Israel Hayom« schreibt, der US-Präsident wolle seine Nahostpolitik ohne Israel vorantreiben

von Sabine Brandes  08.05.2025

Libanon

Israel greift Hisbollah-Stützpunkt an

Dieser habe zur Steuerung von Hisbollah-Waffensystemen im Bereich des Angriffs und der Verteidigung gedient, so die israelische Armee

 08.05.2025

Schweiz

Israel warnt vor Reisen zum ESC

Den Eurovision Song Contests in Basel als Jude oder Israeli zu besuchen, könnte gefährlich werden: Das befürchtet Israels Sicherheitsrat und empfiehlt Bürgern Zurückhaltung und Wachsamkeit

 08.05.2025

Israel

Huthi reklamieren Drohnenangriffe für sich

Die Huthi im Jemen greifen Israel weiter an. In einer Erklärung stellen sie klar: Auch israelische Schiffe im Roten Meer würden weiter Ziel ihrer Angriffe werden

 08.05.2025

Hamas-Terror

Netanjahu: 21 Geiseln noch am Leben - Status von dreien unklar

Präsident Trump hat mit Äußerungen, dass drei weitere im Gazastreifen festgehaltene Menschen gestorben seien, für Entsetzen in Israel gesorgt. Nun äußert sich Israels Ministerpräsident Netanjahu

 07.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  07.05.2025

Nahost

Syrien angeblich offen für Friedensgespräche mit Israel

Dafür müsse aber erst ein palästinensischer Staat gegründet werden und Israel seit 1967 eroberte Gebiete abtreten, so die islamistischen Machthaber

 07.05.2025

Interview

»Wir brauchen einen Papst, der politisch trittsicher ist«

Nikodemus Schnabel über den interreligiösen Dialog und einen Favoriten des Papst-Konklaves, den er selbst gut kennt

von Michael Thaidigsmann  07.05.2025