Jeden Schabbat bekommen wir eine zusätzliche Seele, eine Neschama Jetera, die uns am Schabbatausgang wieder verlässt. Darauf deutet ein Vers im 2. Buch Mose 31,17: »Zwischen mir und den Kindern Israels sei er (der Schabbat) ein ewiges Zeichen, dass in sechs Tagen der Ewige den Himmel und die Erde geschaffen und am siebenten Tage geruht und gefeiert hat.«
Das hebräische Wort, das hier mit »gefeiert« übersetzt wird, lautet »wajinafasch«. Es kommt von dem Wort »Nefesch« (Seele) und kann mit »durch eine Seele belebt« übersetzt werden.
Geschenk Der Talmud (Bejtza 16a) sagt, dass die Neschama Jetera ein exklusives Geschenk G’ttes an das jüdische Volk ist. Raschi (1040–1105) kommentiert, der Hauptgrund für diese zusätzliche Seele liege darin, dass sie uns die Verdauung der üppigen Mahlzeiten am Schabbat erleichtert, damit wir durch das zusätzliche Essen nicht geschädigt werden.
Der Schla, Rabbi Isaiah Horovitz (1565–1630), meint hingegen, dass uns die zusätzliche Seele hilft, am Schabbat besser und mehr Tora zu lernen als an Werktagen. Sie verleiht uns zusätzliche Energie, Eifer, Motivation und Elan, die für ein besseres Lernen und Verständnis der Tora notwendig sind (Kommentar zu Sukka 77a).
Diese Seele hilft uns auch dabei, glücklicher und gelassener zu sein als an Wochentagen. Viele sagen, es liege an der Neschama Jetera, dass man am Schabbat besser aussieht als während der Woche.
Hawdala Bei der Hawdalazeremonie nach dem Schabbatausgang riechen wir die duftenden Gewürze, um die Leere zu füllen, die nach dem Verlassen der Neschama Jetera in unserem Körper entstanden ist. Viele sehen im Verlassen der Neschama Jetera den Grund dafür, dass man sich nach Ausgang des Schabbats in der Regel körperlich etwas schwächer fühlt als sonst.
In den rabbinischen Schriften wird darüber diskutiert, ob wir die Neschama Jetera auch an einem Jom Tow (Feiertag) bekommen. Manche meinen, dass wir dann eine andere Neschama Jetera bekommen als am Schabbat, denn die wohlriechenden Gewürze gehören nicht zur Hawdalazeremonie nach Ausgang des Jom Tow.
Jom Kippur Manche schreiben, wenn Jom Kippur auf einen Schabbat fällt, solle es bei der Hawdala nach dem Ausgang von Schabbat und Jom Kippur keine wohlriechenden Gewürze geben. Denn da es an Jom Kippur verboten ist zu essen, gebe es keinen Bedarf für die Neschama Jetera. Die anderen sagen, auch wenn Jom Kippur auf einen Schabbat fällt, gehören die Gewürze trotzdem zur Hawdalazeremonie. Denn da uns die zusätzliche Seele hilft, besser Tora zu lernen und zu verstehen, bekommen wir sie auch an einem Schabbat-Jom Kippur.
Das Konzept der Neschama Jetera mag manchen vielleicht wie ein schönes Märchen vorkommen, doch über viele heilige Menschen haben Augenzeugen berichtet, dass sie am Schabbat tatsächlich anders aussahen als während der Woche. Und jeder, der den Schabbat hält und auf seine Gebote achtet, kann aus seinen eigenen Erfahrungen berichten, dass man sich am Schabbat anders fühlt als sonst und nach dem Schabbatausgang eine gewisse Leere verspürt.
Mögen wir alle das besondere Geschenk, das uns der Allmächtige jede Woche mit dem Schabbat macht, anerkennen und achten.