Der Messias, also jene schillernde Königsgestalt der Zukunft, wird laut unseren Weisen das jüdische Volk sammeln, den Tempel in Jerusalem wiedererrichten und universellen Frieden stiften. Jedoch soll dieses Unterfangen zu Beginn auf gewalttätigen Widerstand stoßen.
Unter Berufung auf prophetische Stellen des Tanach lehrt die talmudische Überlieferung, dass der Messias große Schlachten zu schlagen habe, in denen das Haus Israel und die Gerechten der Völker über einen götzendienerischen Antihelden und seine Heerscharen siegen werden, die das Volk Israel vernichten wollen.
Dieser feindliche König wird im Tanach »Gog« genannt. Der Name seines Volkes wiederum lautet »Magog« (Jecheskel 38,2). Der sich daraus entwickelnde Krieg wird von unseren Weisen »Milchemet Gog u-Magog«, »der Krieg Gogs und Magogs« genannt. Er soll die messianische Ära einleiten: »Und du (Gog) wirst gegen mein Volk Israel ziehen wie eine Wolke, um die Erde zu bedecken, am Ende der Tage wird es sein, da führe ich dich gegen mein Land, damit die Völker mich erkennen, indem ich vor ihren Augen an dir geheiligt werde, Gog!« (38,16)
Tradition Gog gilt nicht nur als Fürst Magogs, sondern auch als Anführer einer großen Völkermenge (38,2). Allerdings hat die Tradition keine klare Antwort auf die Frage, um welches Volk es sich eigentlich handelt. Der Malbim, einer der größten Tanachexegeten des 19. Jahrhunderts, stellt fest: »Doch heute wissen wir nicht (mehr), um wen es sich handelt, bis auf die Tatsache ... dass sie von den Söhnen Jefets und unbeschnitten sind und dass sie sich in Zukunft erheben werden, nachdem Israel sich im Lande Israel angesiedelt hat.« Tatsächlich, so die Tora, soll das Volk Magog – wie alle Völker – von einem Enkelsohn Noachs nach der Flut abstammen: Magog ist ein Sohn Jefets, der wiederum einer der drei Söhne Noachs ist, »aus denen sich die Völker schieden auf der Erde« (1. Buch Mose 10,32).
Unsere Weisen deuteten Magog als Skythen und Germanen (Gen Rabba 37a) sowie als Goten (Jeruschalmi Megila 1,9). All diese haben gemein, dass es sich um »barbarische« Völker fern vom Mittelmeerraum handelte, die als gefährlich galten. So sagen unsere Weisen über die Germanen an der römischen Grenze: »Kämen sie hinaus, würden sie die ganze Welt vernichten« (Megila 6b). Der mittelalterliche Gelehrte Saadja Gaon hielt Magog dagegen für ein Turkvolk im zentralasiatischen Raum (zum 1. Buch Mose 10,2).
Schoa Heute gibt es Rabbiner, die den Zweiten Weltkrieg und die Schoa als Krieg Gogs und Magogs sehen wollen. Die Rolle Gogs wird dabei vom natürlichsten Kandidaten, dem »Führer des Verderbens«, eingenommen. Diese Idee findet Anklang in der Überlieferung, die vormessianische Ära werde von großen Nöten begleitet (Sanhedrin 88b).
Doch letztlich soll das Wort Maimonides’, des Rambam, gelten. Er empfiehlt, sich nicht zu ausgiebig mit den Details der messianischen Zeit zu beschäftigen, da dies nicht zu Gottesliebe oder -furcht führe (Hilchot Melachim 12,5). Die präzise Ausarbeitung endzeitlicher Vorstellungen nahm in der jüdischen Tradition immer eine Nebenrolle ein. In Jesaja 64,3 heißt es: »Doch von Ewigkeit an wurde es nicht gehört, auch wurde es nicht vernommen; ein Auge hat es nicht erblickt.«