Glossar

Masoreten

Im Jahr 930 n.d.Z. verfertigte Aharon ben Mosche ben Ascher die erste vollständige Tanach-Ausgabe: Ausschnitt aus dem Aleppo-Kodex Foto: cc

Die Masoreten waren Gruppen von Schriftgelehrten. Sie entwickelten in der Zeit von 500 bis 1000 n.d.Z. ein System der Aussprache sowie Methoden für die Bewahrung und Sicherung der Heiligen Schriften.

Wir glauben daran, dass die biblischen Texte, wie sie uns heute vorliegen, dieselben sind, die G’tt Mosche und dem Volk Israel offenbart hat. Wir gehen davon aus, dass sich die Worte G’ttes am Berg Sinai unauslöschlich ins Gedächtnis der Israeliten eingeprägt haben. Im Laufe der Jahre wurde die Tradition mündlich weitergegeben und schließlich niedergeschrieben. In den heiligen Texten der Tora tauchten nach und nach Abweichungen auf, denn die Texte wurden von vielen Schriftgelehrten niedergeschrieben.

Diaspora Nach der Verbannung aus ihrer Heimat Israel und dem ständigen Anwachsen der jüdischen Diaspora lebten unsere Vorfahren weit verstreut in mehreren Teilen der Welt. Die an unterschiedlichen Orten entstehenden Gemeinden begriffen, wie nötig es für ihre tägliche Praxis war, einen authentischen Text der Schriftrolle zu erstellen. Nur eine zuverlässig echte Niederschrift der Tora würde die Beständigkeit der Ausübung des jüdischen Glaubens auch außerhalb des Landes Israel gewähren.

Für diese Aufgabe wurden Gelehrte und Schreiber ausgewählt und geschult. Man nannte sie Masoreten. Der Begriff leitet sich von dem hebräischen Wort »Masora« (Tradition) ab. Das höchste Ziel der Masoreten war es, die Traditionen des jüdischen Volkes zu erhalten, das authentische und wahrhaftige Wort G’ttes zu entziffern und die Unterschiede in den Niederschriften zu beseitigen. Den Text der Bibel, der von Generation zu Generation mündlich weitergegeben worden war, galt es zu beschützen und zu bewahren.

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiteten die Masoreten in mehreren parallelen Richtungen. Sie erläuterten die richtige Schreibweise der Bibel und auf welche Art und Weise sie zu lesen sei. In Passagen, wo sie Unterschiede zwischen Texten und Lesarten fanden, entschieden sie darüber, welche Textform die richtige wäre. Diese Entscheidungen bezogen sich nicht nur auf die Verse und Worte, sondern auf jeden einzelnen Buchstaben.

Vokale Eine traditionelle Torarolle enthält nur den hebräischen Konsonantentext. Es darf nichts hinzugefügt und nichts weggenommen werden. Deshalb erstellten die Masoreten ein System der Kantillation und Vokalplatzierung, damit künftige Generationen die richtige Aussprache verstehen und nachvollziehen können. Sie nahmen alle Änderungen an der Rechtschreibung oder den Texten aus Hochachtung gegenüber der Schrift ausschließlich an den Seitenrändern und in den oberen oder unteren Rändern vor, um den ursprünglichen Text nicht zu verändern. Diese Hinweise wurden aber hinzugefügt, da die Masoreten die Möglichkeit menschlicher Fehler beim Kopieren der Bibel erkannten.

Zwei größere, bekannte Lehrhäuser befassten sich mit den Niederschriften der Tora. Die östliche oder Babylonische Schule und die westliche oder Palästinische Schule. Letztere hatte zwei wetteifernde Zweige. Die des Ben Ascher und die des Ben Naftali in Tiberias am See Genezareth. Im Jahr 930 n.d.Z. verfertigte Aharon ben Mosche ben Ascher die erste vollständige Bibel, genannt Aleppo-Kodex. Dieses Bibelmanuskript verwendete masoretische Symbole und Grundsätze.

Im 11. Jahrhundert wurde der Kodex als Beute aus Jerusalem mitgenommen und tauchte schließlich in Kairo wieder auf, wo er vom Rambam, dem großen Gelehrten Maimonides, benutzt wurde. Dessen Nachkommen brachten ihn im 14. Jahrhundert nach Aleppo. Die jüdische Gemeinde dort hütete ihn 600 Jahre lang. Während des Pogroms von Aleppo 1947 wurde die Synagoge verbrannt und der Kodex beschädigt. 1958 wurde der Kodex nach Jerusalem gebracht. Er befindet sich bis heute im Israel-Museum in Jerusalem im Schrein des Buches.

Mehrere Jahrhunderte lang nahmen verschiedene Masoreten weiterhin Einfluss auf die Aussprache und die Schrift des Textes. Der erste »authentische« Bibeltext, der heute noch benutzt wird, ist die Mikraot Gedolot. Sie wurde im Jahre 1524–25 von Daniel Bomberg veröffentlicht, einem venezianischen Christen, der in seinem Verlagshaus Rabbiner und jüdische Schriftgelehrte beschäftigte.