Es geschieht alle 28 Jahre. Laut unseren Weisen steht die Sonne am Firmament dann wieder an ihrer ursprünglichen Position wie zum Zeitpunkt ihrer Erschaffung. Nach talmudischer Überlieferung (Bavli, Rosch Haschana) wurde die Erde genau am Frühjahrsanfang im Monat Nissan erschaffen, am 4. Tag, in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch (1. Buch Mose 1, 14–19).
Die Sonne nimmt in der Schöpfung G’ttes einen ganz besonderen Platz ein, da sie zum Leben auf dieser Erde beiträgt. Aus tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Allmächtigen wird am Anfang dieses wiederkehrenden Zyklus die Birkat Hachama, die Segnung der Sonne, gesagt. Das letzte Mal, dass dieses Ereignis vorkam, war am Pessachvorabend, dem 8. April 2009 (14. Nissan 5769).
SEGEN Das Segnen der Sonne und dessen protokollarischer Ablauf ist von den Rabbinen selbstverständlich halachisch festgelegt worden (Mischna Berura 229,8). Idealerweise sollte die Birkat Hachama von möglichst vielen Menschen gemeinsam gesprochen werden, da dies den Allmächtigen mehr preist, als wenn man den Segen allein sagt.
Zuerst einmal ist es ganz wichtig, den Segensspruch »Oseh Ma’aseh Breishit« (Gesegnet sei der Allmächtige, der alles erschaffen hat) zu sagen, den wir auch für seltene Naturphänomene wie etwa Blitze oder Regenbogen sprechen (Schulchan Aruch).
Des Weiteren sollte die Segnung immer im Freien stattfinden. Wenn das nicht möglich ist, dann sollte man den Segen am Fenster sprechen. Das gilt übrigens auch für jemanden, der gerade im Flugzeug sitzt.
Sonnenaufgang Laut Magen Avraham (1635–1682) und Levusch (1530–1612) soll die Birkat Hachama in den ersten drei Stunden nach Sonnenaufgang gesagt werden. Die Mischna Berura erlaubt die Segnung aber sogar bis zur halachischen Mittagsstunde.
Normalerweise sollte die Birkat Hachama, gewandt nach Osten in Richtung Jerusalem, bei sichtbarer Sonne gesprochen werden. Wenn es aber ausgerechnet an dem Tag stark bewölkt und vollkommen unmöglich ist, auch nur ein bisschen Sonnenschein zu entdecken, dann werden nur die restlichen Psalmen, die Talmudpassage, in der das Segnen vorgeschrieben wird (Brachot 59b), als auch das Aleinu und Kaddisch zitiert, um die Besonderheit dieses Ereignisses hervorzuheben. Einige wenige Rabbiner erlauben die Segnung trotz allem, denn ihrer Ansicht nach geht es ja darum, der Erschaffung der Sonne zu gedenken, man muss sie deshalb nicht unbedingt sehen.
Sonnenkalender Um diese seltene Gelegenheit nicht zu verpassen, hat schon der Talmud (Eruvin 56a) genau erklärt, wie man den Zyklus ausrechnen muss. Die Rabbinen stützen sich dabei auf die Berechnungen des großen Sonnenkalenders von Mar Schmuel, Samuel bar Abba (165–257 d.Z.), eines bekannten Gelehrten und Astronomen seiner Zeit. Dieser sogenannte große Zyklus (machsor gadol) besteht aus einer Periode von 28 Jahren. Ein Jahr besteht aus 365,25 Tagen. Der Zyklus wurde speziell erstellt, um den Zeitpunkt der Birkat Hachama festzulegen. Obwohl die Berechnungen nach Mar Schmuel ungenau sind – das Ereignis fällt manchmal in einen anderen Lunarmonat, zudem gibt es mitunter mehrere Tage Unterschied zum eigentlichen astronomischen Frühlingsanfang –, haben sich alle Gelehrte der Einfachheit halber auf dieses Berechnungssystem geeinigt.
Der Chazon Isch (1878–1953) erklärt, dadurch könnten die nicht gelehrten Leute die Berechnung nachvollziehen und das Gebot einhalten (Orach Chaim 138,4). So kommt es, dass dieses Ereignis alle 28 Jahre, meistens um den 8. April, aber immer an einem Mittwochmorgen, in unseren gängigen Kalender fällt. Das nächste Mal wird es am Mittwoch, dem 8. April 2037 (23. Nissan 5797) sein.