Faruk Sen

»Wir sollen solidarisch sein«

Herr Sen, Sie haben die Situation der heute in Europa lebenden Türken mit der Lage der Juden früher verglichen. Das kostet Sie womöglich Ihren Job (vgl. S. 2). Was wollten Sie mit dem Vergleich bezwecken?
sen: Das war ein Ausrutscher. Ich habe den Begriff »neue Juden« für die Türken in Europa verwendet, weil ich sagen wollte, dass sie benachteiligt werden. Aber das ist in keinem Fall vergleichbar mit jüdischen Schicksalen. Ich weiß, welches Leid den Juden 2.000 Jahre lang in Europa widerfahren ist.

Warum aber haben Sie gerade »Juden« als Vergleichsgröße gewählt?
sen: Ishak Alaton, ein jüdischer Unternehmer in der Türkei, leidet unter dem Antisemitismus (vgl. S. 6). Ich wollte mich solidarisch zeigen mit ihm und den Minderheiten in der Türkei – Griechen, Armenier, Juden. Viele von ihnen fühlen sich in letzter Zeit stark benachteiligt. Ich wollte ihnen sagen: Wir Türken in Europa können euch am besten verstehen, denn auch wir sind benachteiligt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert Ihren Vergleich, wendet sich aber gegen Ihre geplante Entlassung. Überrascht Sie die Unterstützung?
sen: Die deutsche Seite mag dies überraschen, mich nicht. Ich habe jahrelang mit dem Zentralrat gut zusammengearbeitet, schon mit Ignatz Bubis und Paul Spiegel.

Inwiefern können in Deutschland lebende türkischstämmige Zuwanderer von den Erfahrungen der jüdischen Gemeinde lernen?
sen: Wir können lernen, dass es wichtig ist, einen eigenen Staat zu haben. Die Juden früher waren hilflos, weil sie keinen hatten. Wir Türken haben einen Staat, und wir können lernen, dass man sich wehren soll. Aber lernen müssen auch die Deutschen. Nämlich, dass man auf einen kritischen Satz nicht so heftig reagiert.

Anders gefragt: Was kann die jüdische Gemeinschaft in Deutschland für die türkischen Migranten tun?
sen: Die jüdische Gemeinde ist sehr gut organisiert und hat politisches Gewicht. Das haben die Türken in Deutschland noch nicht. Es ist gut, wenn wir mit der Solidarität der jüdischen Gemeinschaft rechnen können. Und umgekehrt sollen die Türken solidarisch sein mit dem jüdischen Volk. Denn auf keinen Fall darf in Europa der Antisemitismus wieder Fuß fassen.

Mit dem beurlaubten Direktor des Zentrums für Türkeistudien sprach Tobias Kühn.

Holocaust

Vor 80 Jahren hielt Himmler seine »Posener Reden«

Herbst 1943: Der »Architekt der ›Endlösung‹ « redet Klartext. Völlig offen spricht Reichsführer SS Heinrich Himmler über den deutschen Massenmord an Europas Juden. In seinen beiden »Posener Reden« tun sich Abgründe auf

von Joachim Heinz  02.10.2023

Gütersloh

Petition für NS-Gedenkstätte »Stalag 326« in Schloß Holte-Stukenbrock gestartet

Eine private Initiative setzt sich für den Ausbau der Einrichtung ein

 02.10.2023

Oranienburg

Gedenkstätten-Stiftung feiert 30-jähriges Bestehen

Am Donnerstag ist ein Festakt in der Potsdamer Staatskanzlei vorgesehen

 02.10.2023

Würdigung

Nobelpreis für jüdischen Corona-Impfstoff-Pionier

Drew Weissman den Nobelpreis für Medizin

von Simone Humml  02.10.2023

Konvertierte Ordensfrau

Edith Stein vor 25 Jahren heiliggesprochen

Im August 1942 wurde sie in Auschwitz ermordet

 01.10.2023

Bayern

Festnahmen nach Hitlergrüßen auf dem Oktoberfest in München

Auf der »Wiesn« kam es zu zwei Zwischenfällen dieser Art

 29.09.2023

Rheinland-Pfalz

Antisemitismus: Entlassung von Polizeianwärter rechtens

Der Mann hatte Judenhass in einer Chatgruppe verbreitet

 29.09.2023

Sicherheit

Deutschland unterzeichnet Kauf israelischer Raketenabwehr

In Berlin fällt der Startschuss für das Projekt Arrow 3

von Sara Lemel  28.09.2023

Gedenkstätten

80 Millionen Euro für Erinnerungsorte aus der NS-Zeit

Fast zwei Drittel der Mittel sollen in Gedenkorte in Bayern fließen

 28.09.2023