Moskau

Wir sind die Größten

von Christian Jahn

Eine Straßenbahn rumpelt geräuschvoll durch die Obrazcovastraße, vorbei an der historischen Bakhmetyevski-Busgarage mit ihrer Jugendstilfassade. Auf dem Giebel prangen das Anfangs- und das Abschlussdatum der Bauzeit »1926-27«. Die sieben Einfahrtstore mit ihren klassizistischen Säulen sind mit römischen Zahlen durchnummeriert.
Das denkmalgeschützte Gebäude gehört der Föderation der Jüdischen Gemeinden Russlands (FEOR). Die will dort nun das größte jüdische Museum der Welt einrichten und eines der modernsten dazu. Das deutsche Architektenbüro Graft Labs mit Hauptsitz in Berlin und die New Yorker Spezialisten für Design und Museums-Kommunikation Ralph Appelbaum Associates haben jetzt die Pläne vorgelegt. Auf einer Gesamtfläche von 17.000 Quadratmetern soll eine ständige Ausstellung von 4.500 Quadratmeter Größe entstehen. Zum Vergleich: Die ständige Ausstellung des Jüdischen Museums in Berlin nimmt 3.000 Quadratmeter ein.
Geplanter Baubeginn für das »Museum der Toleranz«, wie das Haus offiziell heißen soll, ist 2011. Auf einem computer- animierten Film kann man heute schon sehen, wie die Verantwortlichen sich das Endergebnis vorstellen. Mit seinem elektronischen Führer, einer magnetischen Speicherkarte, betritt der Besucher den ersten von elf Museumsabschnitten, die Epochen der jüdischen Geschichte und Einzelthemen gewidmet sind. Auf einer riesigen, halbkreisförmigen Leinwand erzählt ein Film die biblische Geschichte, beginnend mit der Schöpfung, über den Auszug aus Ägypten, bis zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Im zweiten Raum erfährt der Besucher, wo überall auf der Welt heute Juden leben. Im darauffolgenden Ausstellungssegment ist ein Schtetl mit Kulissen nachgebaut. Die Besucher nehmen auf den Holzbänken der Dorfschule Platz und sehen einen Film über das Leben der osteuropäischen Juden aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Die nächsten fünf Räume thematisieren Abschnitte aus der Geschichte der Juden in der ehemaligen Sowjetunion: Das Leben in der Schwarzmeerstadt Odessa und die Entstehung des Zionismus sind die Themen von Saal vier. In Saal fünf stehen die utopischen Entwürfe jüdischer Denker während der Russischen Revolution von 1917, die Balfour-Erklärung und die Gründung des Staats Israel im Blickpunkt.
Im roten Raum des Museums folgt die sowjetische Geschichte bis 1941. Dann der Zweite Weltkrieg mit einem nachgebauten Partisanen-Wald und dem »Filmtheater des Zweiten Weltkriegs«. Der Holocaust, das Massaker von Babi Jar und die Nürnberger Prozesse sind Themen des nächs-ten Saals. Ein »Erinnerungs-Raum«, in seinem Zentrum ein großer runder Tisch voller Kerzen, bildet den Abschluss der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Besonders wichtig für die russischen Juden ist das Thema des letzten historischen Saals: Während der Perestroika-Zeit erfuhr auch das Judentum in Russland neuen Auftrieb.
Finanziert werden soll das gigantische Projekt durch öffentliche und private Spendengelder. Neben der russischen Regierung gehören laut FEOR auch Deutschland und Polen zu den Förderern, darüber hinaus Steven Spielbergs »Survivors of the Shoa Visual History Foundation« sowie große US-amerikanische Gemeinden und Museen. Und schließlich sitzt auch noch Roman Abramovich, einer der reichsten Russen, im Vorstand der FEOR.
Ob in Zeiten der Finanzkrise die ambitionierten Pläne noch aktuell sind, ist eine andere Frage. Immerhin, berichtet FEOR-Sprecher Daniil Jakovlev stolz, hat der ehemalige russische Präsident Wladimir Putin 2007 für das Projekt »ein ganzes Monatsgehalt gespendet«. Laut der Vermögenserklärung, die Putin vor den Parlamentswahlen im Oktober 2007 abgab, betrug das Monatsgehalt damals knapp 5.000 Euro. Ein eher symbolischer Beitrag.
Offen ist auch, ob das Museum von der russischen Öffentlichkeit überhaupt angenommen werden wird. Zwar betonen Sprecher der jüdischen Organisationen in Russland immer wieder, dass es keinen staatlichen Antisemitismus gebe. In der Bevölkerung allerdings wächst laut Nichtregierungsorganisationen die Unduldsamkeit gegenüber allem vermeintlich Fremden. Ob ein »Museum der Toleranz« in diese Landschaft passt, wird sich noch zeigen müssen.

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025