Ralph Giordano

»Wer nicht kuscht, lebt gefährlich«

von Tobias Kaufmann

Ralph Giordano lässt nicht locker. In einem »Manifest zur Verteidigung der Meinungsfreiheit«, das der Kölner Stadt-Anzeiger vergangene Woche dokumentierte, hat der Publizist seine harsche Kritik an den muslimischen Verbänden in Deutschland konkretisiert. Der Mehrheit der Funktionäre gehe es darum, »die Spielregeln rechtsstaatlicher Verfasstheit zu unterminieren und die Standards der Demokratie zu verweigern«. Damit reagierte der 84-Jährige auf Morddrohungen, die er »in türkischer Sprache« erhalten habe, nachdem er sich in einer Debatte im Internetfernsehen des Kölner Stadt-Anzeigers gegen den Bau einer Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld ausgesprochen hatte. In dem Streitgespräch hatte Giordano komplett verschleierte muslimische Frauen mit Pinguinen verglichen.
In seinem Manifest betont Giordano nun, er wehre sich »gegen ein Erpresserpotenzial, das uns unter islamischer Beobachtung halten will und seine Tentakel von Zentral- und Vorderasien bis in die Mitte Europas ausgeworfen hat: Wer nicht kuscht, lebt gefährlich.« Die Scharia, das islamische Recht, sei »notorisch grundgesetzwidrig, ein skandalöser Anachronismus und ein schweres Hindernis auf dem Weg zur Reformierung und Modernisierung des Islams«. Giordano bekräftigt zugleich, an der Seite aller »säkularisierten Muslime« zu stehen, »die mit Reformen den Weg zu einer Integration freimachen wollen, die diesen Namen verdient«.
Neben den muslimischen Verbänden greift der Publizist auch Grünen-Politiker wie Claudia Roth und Christian Ströbele an, denen er Verharmlosung und Realitätsblindheit vorwirft.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), die Bauherrin der genehmigten Moschee ist, kritisierte Giordanos Äußerungen. Der Dialogbe- auftragte der Organisation, Bekir Alboga, sagte: »Herr Giordano hat nicht die geringste Ahnung vom Islam und von der DITIB.« Die Kritik sei »unter dem Niveau eines Intellektuellen«, für den er Giordano bislang gehalten habe.
Die DITIB gilt als vergleichsweise fortschrittlich, weil sie unter der Aufsicht des türkischen Amts für Religionsangelegenheiten steht. Dessen Vorsitzender, Imam Ali Bardakoglu, hatte Mitte April in Köln zum Thema Integration gesagt: »Ein Moslem muss im Einklang mit den Werten der Gesellschaft leben, und zwar nicht nur aus rechtsstaatlichen Erwägungen, sondern weil es seine religiöse Verantwortung ist.«
Politiker aller Parteien distanzierten sich von Giordanos Äußerungen. Die SPD-Abgeordnete Lale Akgün verteidigte den Moscheebau in einem offenen Brief an den Schriftsteller. Anderenfalls werde sich »muslimisches Leben weiterhin in Hinterhöfen abspielen – und das ist das Gegenteil von Integration.« Kritik erntete Giordano auch von jüdischer Seite. So sprach sich die Arbeitsgemeinschaft jüdischer Sozialdemokraten für den Moscheebau in Köln aus. Der Publizist Rafael Seligmann forderte Giordano auf, umzudenken: »Wenn er dazu aufruft, den Moslems Gleichberechtigung vorzuenthalten, macht er sich zum Vehikel der Intoleranz.«
Im Streit mit der rechtsextremen Organisation »Pro Köln« war Giordano unterdessen erfolgreich. Um den Vorwurf zu entkräften, er provoziere Applaus von falscher Seite, hatte der Autor gesagt, die Organisation sei eine »lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus«. Wenn deren Mitglieder könnten, wie sie wollten, würden sie ihn »in eine Gaskammer stecken«. Daraufhin hatte »Pro Köln« Giordano eine Frist zum Widerruf gesetzt. Giordano aber blieb hart: »Ich nehme nichts zurück.« Statt, wie angekündigt, vor Gericht zu ziehen, gaben die Rechtsextremen nun klein bei – auch angesichts der geringen Erfolgssichten in einem Prozess.

Bayern

Festnahmen nach Hitlergrüßen auf dem Oktoberfest in München

Auf der »Wiesn« kam es zu zwei Zwischenfällen dieser Art

 29.09.2023

Rheinland-Pfalz

Antisemitismus: Entlassung von Polizeianwärter rechtens

Der Mann hatte Judenhass in einer Chatgruppe verbreitet

 29.09.2023

Sicherheit

Deutschland unterzeichnet Kauf israelischer Raketenabwehr

In Berlin fällt der Startschuss für das Projekt Arrow 3

von Sara Lemel  28.09.2023

Gedenkstätten

80 Millionen Euro für Erinnerungsorte aus der NS-Zeit

Fast zwei Drittel der Mittel sollen in Gedenkorte in Bayern fließen

 28.09.2023

Analyse

Was es mit der antisemitischen Vereinigung »Artgemeinschaft« auf sich hat

Bundesinnenministerin Faeser verbot erneut eine rechtsradikale Gruppe

 27.09.2023

Interview

»Die entscheidende Frage ist: Schaffen wir es als Gesellschaft, uns auf eine Grenze der Belastbarkeit zu verständigen?«

Die Vize-Chefin der CDU über Absprachen mit der AfD, rote Linien und Fehler ihrer Partei in der Asylpolitik

von Michael Thaidigsmann  27.09.2023

Meinung

Aiwanger als Märtyrer

Ilanit Spinner hält es für ein Warnzeichen, dass die Freien Wähler bei der Wahl in Bayern nicht trotz, sondern gerade wegen der »Flugblatt-Affäre« auf einen Rekord zusteuern

von Ilanit Spinner  27.09.2023

Berlin

Thielemann wird Nachfolger Barenboims an der Staatsoper

Laut Kultursenator Chialo (CDU) wird der Generalmusikdirektor das Amt 2024 übernehmen

 27.09.2023

Kanada

Parlamentspräsident tritt wegen Nazi-Skandals zurück

»Ich bedauere meinen Fehler zutiefst«, sagt Anthony Rota

 27.09.2023