israel-tourismus

Wenn es Nacht wird am Karmel

von Wladimir Struminski

Langweilig, dröge, Haifa. So ungefähr sehen viele Israelis die Nordmetropole ihres Landes. Das gilt auch, ja erst recht, fürs Nachtleben. Folgt man nämlich den gängigen Vorurteilen, werden in der mit 270.000 Bewohnern drittgrößten Stadt des Landes die Bürgersteige am frühen Abend hochgeklappt. »Was macht ein Haifaer, wenn er in die Nacht hinein feiern will?« fragt ein böser Witz. Die Antwort: »Er geht ins Restaurant, danach ins Kino, dann nach Hause, schaut sich die 8-Uhr-Nachrichten im Fernsehen an und ab ins Bett«.
Mit der Wirklichkeit haben solche Geschichten wenig zu tun und werden allenfalls von Ortsfremden erzählt. »Unser Nachtleben«, sagt Tamar, Studentin und erfahrene Szene-Expertin, nicht ohne Stolz, »kann sich mit dem von Tel Aviv allemal messen«. Jedenfalls nachdem die durch den Libanonkrieg erzwungene Flaute überwunden worden ist.
Wirklich haben die Nordlichter durchaus Grund, mit dem Angebot für die Nachtstunden zufrieden zu sein. Dutzende von Discos, Pubs und Bars säumen die Straßen und sind bis kurz vor der Morgendämmerung gut besucht. Kein Wunder: Tagsüber arbeiten die Haifaer schwer. Die Gehälter sind genauso hoch wie im hochnäsigen Tel Aviv und auch an konsumfreudigen Yuppies und High-Tech-Talenten fehlt es nicht. Da will man nach Feierabend richtig ausspannen.
Mit dabei natürlich auch die 30.000 Studenten, die sich an der Universität von Haifa und an der Technischen Hochschule Technion ihre akademischen Sporen verdienen. Damit ist Haifa übrigens die einzige israelische Stadt, die gleich zwei ausgewachsene Hochschulen ihr eigen nennt. Schließlich lockt die Haifaer Szene auch Gäste aus dem Umland von Naharija im Norden bis Hadera im Süden, von galiläischen Nachbargemeinden bis zum Jesreel-Tal im Osten.
Dem zugereisten Gast ist auf jeden Fall ein Besuch auf dem Berg Karmel zu empfehlen, und zwar nicht nur wegen der zahlreichen Vergnügungsstätten. Wer gerade von Lokal zu Lokal unterwegs ist oder einfach mal frische Luft schnappen will, dem liegt die ganze Stadt zu Füßen. Der Blick auf die Küste oder auf den beleuchteten Schrein der Bahai-Religion, deren Weltzentrum sich in Haifa befindet, ist mindestens genauso schön wie der Lichtteppich der Großdisco Gobi. Weiter unten – Haifa ist nun mal eine Stadt der Steilhänge, ebene Flächen sind eine Ausnahme – ist die »Deutsche Kolonie« zu bewundern, vor 140 Jahren von deutschen Templern gegründet. In dem kleinen, beschaulichen Stadtteil hat der Gast eine reichhaltige Auswahl von Restaurants und Bars. Diesen moralischen Verfall ihres Viertels haben die deutschstämmigen Pietisten aber nicht erlebt. Sie wurden bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von der britischen Mandatsregierung als feindliche Ausländer des Landes verwiesen.
Auch die »untere Stadt«, also das in Meeresnähe gelegene Viertel, weist eine blühende Nachtszene auf. Zu den bekanntesten Anziehungspunkten gehört HaHurva (die Ruine), für Stammgäste die beste Disco der Stadt. Neben zwei Tanzsälen bietet »die Ruine« auch ein Museum für alternative Kunst und ein Hollywood-Café. Im übrigen sind HaHurva oder Bustan HaKarmel, eine bekannte Bar, deren Name soviel wie »Karmel-Hain« bedeutet, mit ihren hebräischen Namen eher die Ausnahme. In den meisten Haifaer Vergnügungsstätten ist internationales Flair angesagt. So kann der Gast entscheiden, ob er dem Irish House, der Scout Bar, der Bistro-Bar Recital, Stella Maris oder sogar dem Havana und dem Barbarossa einen Besuch abstattet. Normalerweise beginnt das abendliche Treiben um elf Uhr. Dann trudeln die ersten Pärchen oder Grüppchen ein.
Wem das etwas zu laut ist, der kann sich auch in eine der leiseren Bars oder in ein ganz normales Restaurant setzen. Das Giraffe gilt als empfehlenswert, ebenso das Lichi. Oder ins Maajan HaBira mit seiner europäischen Küche und der netten Atmosphäre. »In Haifa kann jeder einen netten Abend haben«, preist Tamar die Toleranz der Stadt. »In der vergangenen Woche sind sogar meine Eltern bis spät in die Nacht unterwegs gewesen«.
Ob Disco, Kneipe oder Eßlokal, es geht multikulturell zu. Ob Juden oder Araber – letztere machen ein Neuntel der Stadtbevölkerung aus – alteingesessene Israelis oder die zahlreichen Einwanderer aus der GUS, Touristen oder Bewohner benachbarter drusischer Dörfer: In Haifa ist das bunte Menschentreiben besonders bunt. Erst recht, wenn Matrosen der amerikanischen Mittelmeerflotte in dem von ihnen überaus geschätzten Vergnügungszentrum Haifa Landurlaub haben. Haifa ist eben nicht langweilig. Weder am Tag noch bei Nacht.

Informationen beim »Haifa Tourist Board«:
www.tour-haifa.co.il

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