Orientierungskurse

Weißer Fleck vor 1945

von Anastasia Telaak

Seit Januar 2005 sind Neuzuwanderer in der Bundesrepublik verpflichtet, an einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Sprachkurs und einem anschließenden Orientierungskurs von 30 Stunden teilzunehmen. Vor allem dem Orientierungskurs mißt das Bundesamt größte Bedeutung bei. Hier sollen neben Alltagswissen »Kenntnisse der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte Deutschlands, insbesondere der Werte der Demokratie und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit« vermittelt werden.
Dazu dienen auch eigens für den Orientierungskurs entwickelte Lehrbücher. Das jüngste heißt Zur Orientierung. Deutschland in 30 Stunden und kommt aus dem Hueber Verlag im bayrischen Ismaning. Das Buch will in fünf Kapiteln »Basiswissen über Politik, Geschichte und Kultur in Deutschland« darstellen. Eines der – wie es im Padägogendeutsch heißt, »Lernmodule« – befaßt sich mit der deutschen Geschichte. Die beginnt bei Hueber mit der Kapitulation 1945. Weder im Text noch in den »Daten zur deutschen Geschichte« findet sich irgendein Hinweis auf die Zeit davor. Als Opfer des Zweiten Weltkriegs werden ausschließlich Deutsche erwähnt – gefallene Soldaten, Kriegsgefangene und Trümmerfrauen. Hitler und der Holocaust kommen nicht vor.
Der für das Buch zuständige Verlagslektor räumte auf Nachfrage ein, daß man »beim Thema Geschichte nur schwer auf die Behandlung von Nationalsozialismus und Holocaust verzichten« könne, berief sich aber auf die vom BAMF im Mai 2005 empfohlenen vorläufigen »Lernziele und Lerninhalte des Orientierungskurses«. Dort wird unter »Geschichte« der Zeitraum ab der »Entstehung der Bundesrepublik Deutschland nach NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg« bis zur Wiedervereinigung als obligatorische Unterrichtseinheit vermerkt. Eine darauf angesprochene Referentin der beim Bundesinnenministerium angesiedelten Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration begründete diese für Auslegungen offene Richtlinie zunächst damit, daß in einem 30-stündigen Kurs, der vielfältige für die Integration relevante Aspekte abdecken müsse, »eine thematische Eingrenzung des Pflichtprogramms unumgänglich« sei. Man gehe allerdings davon aus »daß die Themen Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust in den meisten Orientierungskursen zumindest kurz angesprochen werden, da sie für das Verständnis der deutschen Geschichte nach 1945 unerläßlich sind.«
Ob diese unerläßliche Aufklärung im Orientierungskurs tatsächlich erfolgt, ist allerdings, wie es in der Vorbemerkung zu den BAMF-Richtlinien heißt, vom »Ermessen des Dozenten und seiner Einschätzung hinsichtlich Lernvoraussetzungen, Sozialisation und Vorwissen der Teilnehmergruppen« abhängig. Im Klartext: Die Verantwortung dafür, daß die potentiellen neuen Bundesbürger wenigstens in Umrissen von Nazizeit und Schoa erfahren, wird den ohnehin stark beanspruchten und schlechtbezahlten, meist freiberuflichen Dozenten aufgebürdet.
Die sind zum Glück nicht auf das Hueber-Lehrbuch angewiesen. Es gibt vier weitere zugelassene Lehrwerke. In zweien gehören wenigstens die grundlegendsten Fakten über Nazismus und Schoa zum »Basiswissen Geschichte«; eines davon bietet für Interessierte zusätzliche Seiten zum Thema an. In zwei weiteren Büchern werden Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust sogar als eigenständiges Modul präsentiert.
Inzwischen hat eine Sprecherin des BAMF bedauert, daß das »extrem wichtige Thema« Drittes Reich aufgrund »mangelnder Erfahrungen aus den Vorjahren« bislang nicht verpflichtend in die Richtlinien aufgenommen worden sei. Nach der für Ende 2006 vorgesehenen ersten Evaluation der Orientierungskurse solle das Thema im endgültigen Rahmencurriculum berücksichtigt werden. Das BAMF kündigte außerdem eine Nachbesserung des vom Hueber Verlag herausgegebenen Lehrwerks an.

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