Kadima

Vorsprung und Verlust

von Wladimir Struminski

Noch vor zwei Wochen schien es, als sei die Knessetwahl bereits gelaufen – mit Kadima weit vorne und allen anderen Parteien unter ferner liefen. Jetzt aber ist das Rennen spannend geworden. Der Grund ist ein anhaltender Popularitätsverlust von Kadima, durch den der Wahlsieg von Ehud Olmerts Riege nicht mehr selbstverständlich ist. In den jüngsten Umfragen liegt Kadima nur noch bei 36 bis 38 Mandaten, ein deutlicher Rückgang gegenüber den vor einem Monat prognostizierten 44 Knessetabgeordneten. Ein Grund: Parteichef Ehud Olmert gilt sicherheitspolitisch als relativ weich. Nach der Machtübernahme durch die Hamas in den Autonomiegebieten wird dem Wähler offenbar die Abwesenheit des Machtmenschen und Militärstrategen Ariel Scharon schmerzhaft bewußt. »Olmert ist nicht Arik«, geben auch Kadima-Politiker hinter vorgehaltener Hand zu.
Die Stimmen, die Kadima verloren gehen könnten, kommen womöglich der Rechten zugute. Der Likud konnte sich von seinem Tiefstand etwas erholen und darf jetzt mit einer Fraktionsstärke von fünfzehn, sechzehn Abgeordneten rechnen. Auch die siedlernahe Gemeinschaftsliste aus Nationalunion und Nationalreligiöser Partei sowie die rechte Immigrantenpartei Israel Beitenu stiegen in der Wählergunst und kämen heute auf knapp zwanzig Mandate. Auch die Wähler der beiden ultraorthodoxen Listen, der sefardischen Schas und des aschkenasischen Tora-Judentums stehen fast durchweg rechts. Damit sind der Likud, die Siedler- und die Ultraorthodoxenparteien natürliche Bündnispartner und haben in der Vergangenheit auch bereits gemeinsam regiert. Die Schlüsselfrage, erklärt der Parteienexperte Gideon Rahat von der Hebräischen Universität in Jerusalem, lautet nun nicht, wie viele Stimmen jede einzelne Rechtspartei Kadima abjagen kann. Vielmehr komme es darauf an, ob das gesamte rechtsreligiöse Bündnis, das heute auf rund 50 Mandate kommt, bis zum Wahltag eine kombinierte Fraktionsstärke von 61 der 120 Abgeordneten erreichen kann. Gelingt es ihm, heißt der nächste Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Kadima hat den Ernst der Lage begriffen und versucht gegenzusteuern. Im Bemühen um ein kämpferisches Image versprach Olmert in der vergangenen Woche, gegen den Terrorismus »mit eiserner Faust« vorzugehen. Gelingt es dem Scharon-Nachfolger, den Verfall seiner Partei aufzuhalten, wird eine Regierung ohne Kadima und ohne ihn als Premierminister unwahrscheinlich sein. In diesem Fall hält der Politologe Rahat eine Koalition aus Kadima, der Arbeitspartei und den sich ins Unvermeidliche fügenden ultraorthodoxen Fraktionen für den wahrscheinlichsten Ausgang.
Auf der anderen Seite sind zweieinhalb Wochen in der israelischen Politik eine lange Zeit. So etwa könnte eine punktgenau gestartete Terroroffensive einen massiven Rechtsruck unter den Wählern bewirken. Auch das hat es schon mal gegeben: genau vor zehn Jahren. Damals büßte Schimon Peres vor der Ministerpräsidentenwahl wegen einer brutalen Anschlagserie der Hamas einen Vorsprung von fünfzehn Prozentpunkten ein und verlor die Wahl. Der ebenso unverhoffte wie strahlende Sieger von 1996 war kein anderer als der heutige Herausforderer: Benjamin Netanjahu.
Überhaupt ist der Terrorismus das beherrschende Wahlkampfthema. »Stark gegen die Hamas« verspricht der Likud auf seinen Wahlplakaten. Dem Sog kann sich auch die Arbeitspartei nicht entziehen. Sie verknüpft aber eine soziale Botschaft mit dem Thema Sicherheit. Auf Plakaten heißt es: »Wir kämpfen gegen den Terrorismus. Wir besiegen die Armut.« (vgl. auch S. 4)

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Medien

Medienwissenschafter: Erleben Großangriff auf unabhängigen Journalismus

Der öffentliche Raum leide unter »sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern«

 10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025

Rechtsextremismus

Online-Talk: Musk wirbt erneut für AfD. Weidel rechnet mit Merkel ab

Mit positiven Aussagen über die AfD hat sich der US-Milliardär Musk bereits in den deutschen Wahlkampf eingeschaltet. Nun kommt es auf seiner Plattform X zum virtuellen Treffen mit der Parteichefin

 09.01.2025

Libanon

Parlament wählt Armeechef zum Staatspräsidenten

Es hat 13 Versuche gebraucht, nun gibt es endlich einen neuen Präsidenten. Die Hoffnungen auf einen Umschwung im Land sind groß

 09.01.2025

Menlo Park

Faktenchecker adé: Meta öffnet die Schleusen

Mark Zuckerberg kündigt die Abkehr vom bisherigen Moderationsmodell bei Facebook, Instagram und Threads an. Und das ist längst nicht alles

von Andrej Sokolow, Luzia Geier  09.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 9. bis zum 18. Januar

 09.01.2025