Chemnitz

Volljährig

Im derben Berlinerisch plappert »Volksjenossin Wernicke« gewöhnlich ohne Punkt und Komma. Dabei rät sie beim Kaffeeklatsch mit den Nachbarinnen zum »Besser rechtsrum Stricken« und kann sich dennoch anlässlich des Geburtstags von Adolf Hitler nicht den Kommentar verkneifen, dass es doch schön für jeden wäre, dass der Führer endlich altert.
Frau Wernicke ist Fiktion. Erfunden vom Karlsbader Autor Bruno Adler. Die Stimme geliehen von der jüdischen Berliner Kabarettistin Annemarie Hase. Beide Künstler waren vor den Nazis geflohen und nach London emigriert. Dort arbeiteten sie für den Deutschen Dienst des Senders BBC. Nur dort konnte Frau Wernicke von 1940 bis 1944 resolut, mit reichlich satirischen Seitenhieben, den Kriegsalltag in Nazideutschland kommentieren.
»Englisch Inhalieren« hätten das regimekritische Deutsche genannt, wenn sie den »Feindsender« hörten, erklärt Schauspielerin Cornelia Froboess den Zuhörern. Sie selbst sitzt mit Grazie im schlichten Schwarz am kleinen Tisch auf der Bühne und leiht Frau Wernicke nun ihrerseits eine starke Stimme. Ihre markante Berliner Schnauze verstummt ab und an, um der feinsinnigen Kammermusik des Diabelli-Trios zu lauschen. Mit Viola, Flöte und Gitarre präsentiert dies Werke von George Gershwin, Hans Erich Apostel und Paul Hindemith.
Unter der Überschrift »Bangemachen gilt nich!« wurden so am vergangenen Samstag die 18. Tage der jüdischen Kultur in Chemnitz eröffnet. Parfüm liegt in der Luft, die Stimmung ist festlich und für die zahlreichen Besucher, vornehmlich aus der älteren Generation, scheint es eine kulturelle Veranstaltung der gehobenen Art. Mit anschließendem Klesmer-Konzert kos- tet der Abend immerhin auch 22 Euro.
Das Programm kommt an. »Diese Mischung von Text und Musik hat mir gefallen«, so Zuschauerin Astrid Schütz. Die 48-jährige Chemnitzerin ist zum ersten Mal bei den Tagen der jüdischen Kultur. »Ganz ausgezeichnet«, meint der 83-jährige Gerhard Lerchner, »obwohl ich nicht ganz sicher bin, dass diese Veranstaltung passend für die Eröffnung war.« Der treue Gast weiß, wovon er spricht, denn er hat bisher alle Eröffnungen der Kulturtage besucht. Sascha Jähnigen hat über seine Freundin Freikarten von der Schule bekommen und könnte sich vorstellen wieder zu kommen. »Es war interessant«, sagt der 20-jährige Student. Die 65-jährige Barbara Ruppert hat gleich ein fröhliches »Pack’ die Badehose ein ...« auf den Lippen. Sie hat sich schon vorgenommen, auch bei der Spurensuche nach jüdischen Chemnitzer Komponisten kommenden Donnerstag in der Villa Esche dabei zu sein.
Bis zum 28. März sind rund 40 Veranstaltungen geplant. Neben den Erläuterungen zur koscheren Küche im Restaurant Schalom und einem Vortrag über Israel in den Medien vom Journalisten Daniel Dagan, warten Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und als Höhepunkt ein Seminar. »Wir haben dieses Jahr den Akzent auf jüdische Bildung gesetzt«, erklärt Ruth Röcher, Religionslehrerin der jüdischen Gemeinden Sachsens und Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz. Am kommenden Sonntag gehe es um die jüdische Pädagogik in den neuen Bundesländern, die von der zugleich antifaschistisch und antiisraelisch geprägten DDR-Zeit gezeichnet gewesen sei, erklärt Röcher.
www.tdjk.de

Thüringen

Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern

Die mögliche Wahl des AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Landtags sorgt für Zündstoff. Zuletzt signalisierte die CDU von Ministerpräsident Mario Voigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der AfD

 24.01.2025

Erinnerung

Gedenken an ermordete Sinti und Roma Europas

Der 27. Januar ist seit 2005 internationaler Holocaust-Gedenktag

 23.01.2025

TV-Tipp

»Die Frau in Gold« - Helen Mirren und Ryan Reynolds kämpfen um Raubkunst

Drama um das jüdische Kunsterbe einer Familie aus der NS-Zeit

von Franz Everschor  23.01.2025

Kommentar

Die europäische Iran-Politik braucht eine Zeitenwende

Die Chancen, das Mullah-Regime zu schwächen und damit den Nahen Osten zu stabilisieren, sind mit der Präsidentschaft Donald Trumps gestiegen

von Remko Leemhuis  22.01.2025

Westjordanland

Israelische Armee führt Einsatz in Terrorhochburg Dschenin durch

Ministerpräsident Netanjahu zufolge soll damit der Einfluss des Irans geschwächt werden

 21.01.2025

Nahost

Ägypten schickt weitere Hilfe in den Gazastreifen

Rund 220 weitere Lastwagen wurden den Behörden in Kairo zufolge geschickt. Israel hat diesen Monat bereits 1693 LKW mit entsprechender Ladung für Gaza abgefertigt

 20.01.2025

Israel

Regierung will Geisel-Deal am Nachmittag bestätigen

Nach einem vorherigen Plan hätte die Bestätigung erst nach dem Schabbat erfolgen sollen

 17.01.2025

Berlin

Deutscher Appell an Israel und die Hamas

Das Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Deutschland ruft beide Seiten eindringlich zur Zustimmung auf

 17.01.2025

Israel

Sicherheitskabinett beginnt Sitzung zu Gaza-Deal

Voraussichtlich am Samstagabend muss noch die Regierung zustimmen

 17.01.2025