Ärzte

Vier Namen, vier Geschichten

von Marina Maisel

»Es ist vorbei – nie – ist es vorbei.« Rose Ausländers Gedichtzeile stand über dem Gedenkabend zum 70. Jahrestag des Entzugs der Approbation jüdischer Ärztinnen und Ärzte. Die Literaturhandlung und der Förderkreis Literatur zum Judentum haben zusammen mit der Offenen Akademie des MVHS und der Stadtbibliothek dazu in den Münchner Gasteig eingeladen. Die Konzeption hatten Ursula und Hansjörg Ebell übernommen. »Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen«, stand im Aufruf des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes im März 1933. Gemeint waren damit anerkannte jüdische Mediziner – aus München zum Beispiel Magdalena Schwarz, Max Mohr, Julius Spanier oder Erich Benjamin. Ihre Lebensgeschichten wurden exemplarisch in einer Ausstellung im Gasteig vorgestellt.
Mit einem Grußwort leitete Oberbürgermeister Christian Ude den Gedenkabend ein. Als einen »zutiefst alarmierenden und aufwühlenden Vorgang« be- zeichnete Ude den Entzug der Approbation. Er sprach auch über seinen seinerzeitigen Amtsvorgänger Karl Fiehler (1933-1945), der wie Ude zugleich Präsident des deutsches Städtetages war. In dessen Amtszeit, so Ude, habe es keinen Widerstand gegeben. Im Gegenteil hätten sich viele Städte bemüht, in vorauseilendem Gehorsam lange vor entsprechenden Vorschriften das in der Verwaltung umzusetzen, was in der Nationalsozialistischen Partei erst diskutiert wurde.
Der Schriftsteller Gert Heidenreich vermittelte mit seiner Lesung das letztlich Unfassbare, das die betroffenen Menschen und ihre Familien durchlitten haben. Es war eine Collage aus Erinnerungen Betroffener und offiziellen Verlautbarungen. Zu Wort kamen auch Angehörige der Ärzte sowie Axel Drecoll vom Institut für Zeitgeschichte München, der aus historischer Sicht über den offiziellen Approbationsentzug referierte.
Nach der Gleichschaltung der ärztlichen Standesorganisationen werden im März 1933 alle jüdischen Mitglieder entlassen. Im gleichen Monat beginnt auf Initiative von Universitätsprofessoren die Diskriminierung jüdischer Studenten. Ebenfalls im März 1933 entlässt die Stadt München ohne gesetzliche Grundlage jüdische Ärzte aus den Städtischen Krankenanstalten. Im April folgt der Entzug der Kassenzulassung. In dieser Zeit startet von München aus der generelle Boykott gegen jüdische Erwerbstätige, der auch jüdische Ärzte betrifft. Im Februar 1935 wird die Approbation an die »arische Abstammung« gekoppelt. Ab Dezember auch bei allen Ärzten mit einem »nicht-arischen« Ehepartner. Im Januar 1938 werden die jüdischen Ärzte von den Ersatzkassen ausgeschlossen. Am 30. September 1938 erfolgt das endgültige Berufsverbot und damit die unwiderrufliche Vernichtung vieler beruflicher Existenzen. Von jetzt an dürfen jüdische Ärzte als »Krankenbehandler« nur noch jüdische Patienten behandeln.
Über das Gedenken heute und vor 20 Jahren spricht Renate Jäckle, die federführende Autorin der Buchdokumentation über das Schicksal von etwa 270 jüdischen Ärzten in München, die 1988 zum 50. Jahrestag herausgegeben wurde. Ihre Reflexionen beleuchten die Unterschiede des heutigen Umgangs mit diesem Geschehen im Vergleich zu den Kontextbedingungen vor 20 Jahren.
Vier Namen, vier Ärzte, vier Lebensgeschichten stehen an diesem Abend stellvertretend für alle anderen Opfer dieser widersinnigen Politik. Erich Benjamin gilt mit seinem berühmten Kindersanatorium Zell-Ebenhausen als Pionier der Heilpädagogik und als begnadeter Kinderpsychotherapeut und -psychiater. Nachdem er seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte, flüchtete er in die USA, wo er sich aber nicht zurechtfand. Die Vernichtung seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz und die Perspektivlosigkeit verkraftete er nicht. 1943 nahm er sich das Leben.
Julius Spanier durfte nach dem Approbationsentzug nur als »Krankenbehandler« im israelitischen Krankenheim an der Hermann-Schmid-Straße wirken, bis er 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Er überlebte und gründete zusammen mit Fritz Neuland 1945 die Israelitische Kultusgemeinde in München und wurde deren erster Präsident. Von 1946 bis 1955 arbeitete er als Chefarzt des Säuglingskrankenheims in der Münchner Lachnerstraße. Max Mohr wird in den persönlichen Erinnerungen seines Enkels Nicolas Humbert lebendig. Der Regisseur aus München liest aus den Briefen seines Großvaters, die dieser aus dem Exil in Schanghai an Frau und Kinder geschrieben hat. Der praktizierende Arzt und bekannte Dramatiker der 20er-Jahre starb 1937 im Exil.
An Magdalena Schwarz schließlich, die als Ärztin nach dem Entzug der Approbation als »jüdische Krankenbehandlerin« gearbeitet hat und überleben konnte, erinnert ihre Tochter Elisabeth Büscher im Gespräch mit dem Arzt Borys Salamander. Elisabeth Büscher erzählt, wie ihre Mutter im Schwabinger Krankenhaus in der geschlossenen Abteilung bei Dr. Schneider versteckt wurde. »Meine Mutter war mit Leib und Seele Ärztin und mit dem Herzen bei den Armen.« Die alte Dame berichtete auch über ihren eigenen Weg, wie sie als »Halbarierin« die Schule am Anger Kloster besuchte und dort nicht verraten wurde. Sie erinnert sich an ihre Besuche bei der Gestapo, wo sie den Abschiedsbrief ihrer Mutter abgeben musste und über die Gefühle, die sie an diesem Ort hatte.
Gert Heidenreich las zum Schluss die Namen und Adressen der jüdischen Ärzte, die zu jener Zeit in München lebten und arbeiteten. Zum Abschluss wurde der DEFA-Film »Professor Mamlock« aus dem Jahr 1961 gezeigt.

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