Celler Synagoge

Vereint im Fachwerk

von Ingrid Hilgers

Es ist nicht einfach, mit der liberalen jüdischen Gemeinde in Celle Kontakt aufzunehmen. Meist läuft ein Anrufbeantworter. Die Gemeindemitglieder leben verstreut in einem Umkreis von etwa 50 bis 60 Kilometern. Lediglich zwei Familien wohnen im Ort. »Das macht es schwierig, den normalen Pflichten in einer Gemeinde nachzukommen«, bedauert Ralf Hirsch, der seit 21 Jahren mit seiner Familie in Celle lebt. Vor einem Jahr hat er sich der jüdischen Gemeinde angeschlossen und ist dort als Geschichtsbeauftragter tätig. Da hat er viel aufzuarbeiten. »Bis vor rund drei Jahren gab es in Celle kein Bauwerk, keine Straße und keinen Platz, der nach einem Juden benannt wurde«, sagt der 76-Jährige.
Ralf Hirsch wurde in Berlin geboren und wuchs in Shanghai auf, ein Teil seiner Familie konnte rechtzeitig aus Deutschland fliehen. Viele Jahre pendelte der Professor für Städtebau zwischen Europa und Philadelphia. Er bezeichnet sich selber als nicht religiös. Die Erfahrung von Exil und Verfolgung hat seine Identität stärker geprägt als die Ausübung von religiösen Bräuchen. Aber er betrachtet es als seine Aufgabe, sich mit der Geschichte der Juden zu beschäftigen, die er als eine starke Schicksalsgemeinschaft erlebt.
Rund 80 Mitglieder gehören zur Jüdischen Gemeinde Celle. Der überwiegende Teil sind Israelis, einige wenige sind Amerikaner und Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Es ist eine lebendige, recht junge Gemeinschaft, zu der viele Kinder und Erwachsene im erwerbstätigen Alter gehören. In ihr fühlen sich auch einige orthodoxe Juden wohl und nehmen an den alle vier Wochen stattfindenden Gottesdiensten teil. »Wir haben einen sehr warmen und herzlichen Umgang miteinander«, betont Dorit Schleinitz, Vorsitzende der Gemeinde. Auch wenn die Mitglieder sich nicht oft sehen, seien die Bindungen eng.
Die Fachwerk-Synagoge in Celle gilt als die älteste und schönste Synagoge in Niedersachsen. Sie wurde etwa 1740 als Hinterhaus gebaut und der Innenraum im Stil des Spätbarocks errichtet. Aus der Gründungszeit stammt die Zedakabüchse mit der Inschrift »Aron, Sohn des Rabbiners Josua Cohen selig sein Andenken. In Celle 1740«. Sie ist eine der wenigen Anhaltspunkte für das Alter der Synagoge. Von den ehemals 140 niedersächsischen Synagogen sind heute etwa 40 als Gebäude noch erhalten. Seit 1997 dient eins der jüdischen Gemeinde als Gotteshaus. Ihre Rettung in der Pogromnacht hat die Synagoge dem Fachwerkensemble zu verdanken, in das sie eingebunden ist. »Die Nazis hatten Angst, dass das Feuer auf die umstehenden Häuser übergreifen würde«, sagt Sabine Mehnert, Leiterin des Stadtarchivs Celle. Sie organisiert regelmäßig Ausstellungen zur jüdischen Geschichte und lädt in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde und der christlich-jüdischen Gesellschaft zu Veranstaltungen in die Synagoge ein.
Die Gemeinde präsentiert sich offen. Das jüdische Museum und auch die Synagoge sind von außen erkennbar und täglich geöffnet. Gern lädt Dorit Schleinitz Nicht-Juden in die Gemeinde ein, unterrichtet sie in Hebräisch und spricht mit ihnen über das Judentum und das Leben in Israel. »Ganz selten erhalten wir Briefe, in denen wir als Drecksjuden beschimpft werden«, sagt die Vorsitzende. Angst mache ihr das nicht. Als Israelin habe sie gelernt, mit Bedrohungen zu leben. Wesentlich mehr Sorge und Furcht bereiten ihr militante Palästinenser. »Vor etwa zwei Jahren erhielten wir bei einer Veranstaltung einen Anruf, dass wir alle in die Luft gesprengt werden«, sagt Schleinitz. Der Anrufer habe einen arabischen Akzent gehabt. Dennoch verzichtet die Gemeinde auf Polizeischutz.
Sicher fühlt sich auch Steven Kushnir, Kassenwart der jüdischen Gemeinde. Nur in den Gottesdiensten geht es ihm mit den tobenden Kindern manchmal zu turbulent zu. Der 60-Jährige, der in den USA geboren wurde und dessen Vorfahren aus Lettland stammen, kam 1972 nach Deutschland, um in Göttingen zu promovieren. Dort lernte er seine Frau kennen, gründete eine Familie und erzog seine Söhne bewusst im jüdischen Glauben. Sohn Benno bekennt sich in seinem Celler Gymnasium offen zum Judentum. »Manchmal fragen mich meine Mitschüler, wie ich zum Staat Israel stehe oder welche Bedeutung die Locken bei Juden haben.« Beschimpfungen oder Ausgrenzungen erlebe er aber nicht.
Andere Erfahrungen machte eine Familie aus Weißrussland, die ihren Namen nicht genannt wissen will. »Wir werden gemobbt und man hat uns offen zu verstehen gegeben, dass wir in unsere Heimat zurückkehren sollen«, heißt es. Die Familie fühle sich eingeschüchtert und bedroht und erwägt, in die USA auszuwandern.
Solche Erfahrungen sind jedoch die Ausnahme. »Wir haben in Deutschland keine Angst vor Nazis«, sagt Dorit Schleinitz und erzählt, dass sie an ihrem Wohnort in Uelzen mit Nachbarn und Lehrern offen über das Judentum und den Staat Israel spreche. Wesentlich schlimmer sei der latente Antisemitismus, der sich beiläufig in Nebensätzen äußert. Dann heiße es beispielsweise »die USA wird von Juden regiert, oder die Banken werden von Juden beherrscht«. Auch bei Menschen, die sich für tolerant halten, gebe es viele Vorurteile. Deutsche Juden würden fälschlicherweise mit dem Staat Israel gleichgesetzt. »Nur in direkten Gesprächen lassen sich solche Vorurteile ausräumen. Aber«, betont Dorit Schleinitz, »wir sind kein Vergangenheitsverein.« Die Vorsitzende unterrichtet an Volkshochschulen Hebräisch, besucht Schulen, führt durch die Synagoge in Celle und hält Vorträge, auch vor Offizieren der Bundeswehr. Sie nutzt solche Anlässe, um Vorurteile zu korrigieren. Im Sommer feiert die jüdische Gemeinde ihr zehnjähriges Bestehen. Da die Synagoge für solche Feiern zu klein ist, hat man sich zusammen mit der christlich-jüdischen Gesellschaft entschieden, auf einem angrenzenden Parkplatz zu feiern. »Wir sind für alle offen«, sagt Schleinitz.

Im Jüdischen Museum Celle, Im Kreis 24, ist noch bis 3. Juni die Ausstellung »Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden 1933-1945« zu sehen. Sie ist dienstags bis donnerstags 12-17 Uhr, freitags 9-14 Uhr und sonntags 11-16 Uhr geöffnet.

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