Hochschule für Jüdische Studien

Unter einem Dach

von Lisa Borgemeister

Es war ein ungewöhnlicher Anblick, der sich den Passanten am vergangenen Freitagvormittag in der Heidelberger Altstadt bot. Auf der Landfriedstraße, sonst nur von vereinzelten Autos oder Fahrrädern befahren, hatte sich ein kleiner Stau gebildet. An der Spitze: ein Abschleppwagen, umringt von einem Dutzend Polizisten und ebenso vielen wartenden Kameraleuten und Journalisten. Der Fahrer des türkisfarbenen Polos hatte das mobile Parkverbotsschild wohl übersehen. Nicht ohne Grund mussten die Parkplätze vor der Hausnummer 12 aber an diesem Tag frei bleiben, wartete man doch auf hohen Besuch und prominente Gäste. Die reisten auch planmäßig gegen elf Uhr an. Und sie feierten die Grundsteinlegung für den Neubau der Hochschule für Jüdische Studien (HFJS).
Man kennt diese Zeremonien zur Genüge. Erst werden viele Grußworte gesprochen, dann kommt ein bisschen Zement auf einen Stein und dann klatschen alle begeistert in die Hände und stürzen ans Büffet. Doch am vergangenen Freitag in Heidelberg war das ein bisschen anders. Eine gute Stunde lang herrschte unter den Gästen in der Baulücke abseits der Straße aufmerksame Spannung, konzentriert und feierlich zugleich. Dass dies kein gewöhnlicher Neubau ist, war allen bewusst.
Es war Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger, der den Grundstein legte und mit dem Spatel sorgfältig den überschüssigen Zement abkratzte. Schon heute sei die 1979 gegründete Hochschule nicht nur ein Kompetenzzentrum, sondern auch eine Stätte der Wiederannäherung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, hatte der CDU-Poli- tiker zuvor betont. Er sei sicher, dass die Bedeutung mit dem neuen Gebäude weiter steige. Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hob die Bedeutung des Neubaus hervor: »Er verbindet die Tradition jüdischen Lernens mit der Zukunft – auch baulich«, sagte sie in ihrer Festansprache. Damit werde über die Grenzen der akademischen Welt hinaus Geschichte geschrieben.
In dem rund 4,5 Millionen Euro teuren Gebäude sollen die bisherigen vier Standorte der HFJS zusammengefasst werden. Außerdem wird das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland hier Platz finden. Läuft alles nach Plan, können die Lehrkräfte und die rund 150 Studierenden das Haus Ende 2009 beziehen.
Einer von ihnen ist Jonathan Walter. Er studiert im vierten Semester an der jüdischen Hochschule. »Wir sind europaweit die Einzigen, die diesen Studiengang so umfangreich anbieten«, sagt er stolz. Der Neubau sorge seit Monaten unter den Studierenden für Gesprächsstoff. Nicht nur, weil bereits ein Teil der Bibliothek abgerissen ist und der Unterricht teilweise in andere Räume verlegt werden musste: »Wir freuen uns auf das Gebäude. Die Pläne gefallen mir ausgesprochen gut«, so der 22-Jährige.
Derzeit müssen Jonathan Walter und seine Kommilitonen noch zwischen mehreren Häusern der Heidelberger Altstadt pendeln, wenn sie von der koscheren Mensa in die Bibliothek oder zu den Seminarräumen wollen. Kein Weg dauert länger als fünf Minuten, und dennoch begrüßen es die Studierenden, dass bald endlich alles unter einem Dach vereint ist. Die größeren und vor allem moderneren Räume brächten viele Vorteile mit sich, sagt Walter. Sogar Apartments für Gastdozenten sollen in dem Neubau entstehen. Lediglich einen Fahrradstellplatz hat der Lehramtsstudent bislang auf keiner der Skizzen erkennen können – »aber das kann ja noch kommen«.
Die Baukosten des von dem Architekten Hansjörg Maier entworfenen Hauses übernehmen je zu einem Drittel der Bund, das Land und der Zentralrat. Eventuelle Mehrkosten trägt ein Aktionskomitee, in dem sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft zusammengeschlossen haben, darunter der Verleger Hubert Burda und der Vizepräsident den Zentralrats, Salomon Korn. Auch Land und Stadt – vertreten durch den Oberbürgermeister Eckart Würzner – sicherten bei der Grundsteinlegung Unterstützung zu.
Charlotte Knobloch hofft, dass kommende Generationen sagen werden: »Von hier aus wurde die Wissenschaft des Judentums hinausgetragen in alle Welt.« Ihrem Empfinden nach ist der Grundstein des Heidelberger Neubaus gleichzeitig ein Grundstein für die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland. Einzementiert in den hüfthohen schmucken Sandstein ist übrigens – neben den Bauplänen und einem Gebetbuch aus dem 19. Jahrhundert – auch eine aktuelle Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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