Gesetzesänderung

»Unser Recht«

von Tobias Kühn

Mehr als zehn Jahre hat Hermann Hirschberger, 82, mit deutschen und britischen Behörden gekämpft. Jetzt scheint ihm der Durchbruch gelungen zu sein. »Vielleicht kommen wir nun endlich zu unserem Recht und erhalten die richtige Rente«, sagt er. Hirschberger wurde in Karlsruhe geboren, seit seinem 13. Lebensjahr lebt er in England. Mit einem sogenannten Kindertransport schickten ihn seine Eltern 1939 in Sicherheit. Sie selbst schafften es nicht mehr und wurden in Auschwitz ermordet. Über 10.000 jüdische Kinder zwischen drei und 17 Jahren verließen Deutschland, Österreich und die Tschechoslowakei von Dezember 1938 bis September 1939 mit Kindertransporten.
Nach deutschem Rentenrecht können Personen, die während der NS-Zeit aus Deutschland flüchteten, sogenannte Verfolgungsersatzzeiten geltend machen. Das heißt, bei der Berechnung ihrer Renten werden jene Monate mitgezählt, in denen sie nicht in die deutsche Rentenkasse einzahlten, weil sie »verfolgungsbedingt im Ausland lebten«, sagt ein Mitarbeiter des Bundessozialministeriums. Zahlte jemand jedoch im Ausland in die dortige staatliche Rentenkasse ein, so verdrängen diese Versicherungszeiten die deutschen »Verfolgungsersatzzeiten«, so das europäische Gemeinschaftsrecht. Viele Jugendliche und junge Erwachsene der Kindertransporte zahlten, wenn sie arbeiteten, Pflichtbeiträge in die britische Rentenkasse. Für eben diese Zeit bekommen sie bislang keine deutschen Ersatzzeiten angerechnet. Wer damals nicht arbeiten musste, etwa weil er bei wohlhabenden Verwandten wohnte oder eine Jeschiwa besuchte, hat Glück und erhält seit Jahren eine größere Rente aus Deutschland, weil er nicht in den britischen Rententopf eingezahlt hat. Hirschberger: »Wenn das nicht ungerecht ist!«
Eine Änderung des britischen Rentenrechts macht es möglich, dass schätzungsweise 300 bis 400 der ehemaligen Kindertransport-Flüchtlinge demnächst eine höhere Rente aus Deutschland bekommen werden. »Wir lassen dieser Gruppe von Menschen Gerechtigkeit widerfahren«, sagt Mike O’Brien, Staatssekretär für Rentenreform im britischen Arbeitsministerium. An ihn wandte sich Hermann Hirschberger Anfang des Jahres – und hatte Erfolg. Im Juli behandelte das House of Lords Hirschbergers Begehren und stimmte einer Gesetzesänderung zu, die im November noch von Königin Elizabeth unterzeichnet werden muss: Dann dürfen sich die Kindertransportflüchtlinge Beiträge, die sie zwischen 1938 und 1948 in die britische Rentenkasse eingezahlt haben, aberkennen las- sen, damit sie die deutschen Verfolgungsersatzzeiten nutzen können. »Die englischen Behörden waren kooperativ, die deutschen nicht«, sagt Hirschberger.
Reich werden die ehemaligen Flüchtlinge dennoch nicht. Bekommt Hermann Hirschberger jeden Monat bislang rund 80 Euro aus dem deutschen Rententopf, werden es dann, so schätzt er, etwa 365 Euro sein. Das ist nicht viel, doch allemal ein Zubrot, denn die Renten in Großbritannien sind im Durchschnitt rund viermal niedriger als in Deutschland.

Meinung

An der Seite Israels

Trotz aller Kritik an der aktuellen Regierungspolitik: Jüdinnen und Juden stehen zum jüdischen Staat

von Josef Schuster  24.03.2023

Meinung

Gibt es ein palästinensisches Volk?

Rafael Seligmann antwortet dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich

von Rafael Seligmann  23.03.2023

Wissenschaft

Oumuamua ist kein außerirdisches Raumschiff

Lange verblüffte der interstellare Besucher Astronomen: Dass Oumuamua auf seiner Bahn beschleunigte, befeuerte sogar Spekulationen über ein außerirdisches Raumschiff. Nun liefern Forscher eine Erklärung

 22.03.2023

FU Berlin

Knochenfunde werden beerdigt

Ein Teil der Gebeine könnte von Opfern nationalsozialistischer Verbrechen stammen

 22.03.2023

Italien

Polizei: Mann mit »Hitlerson«-Trikot bei Rom-Derby ist Deutscher

Aufnahmen der Überwachungskameras führten die Behörden zum Täter

 22.03.2023

Italien

Empörung nach antisemitischen Vorfällen bei Römer Derby

Der Verein Lazio Rom verurteilte »jegliche diskriminierende, rassistische oder antisemitischen Kundgebungen«

 21.03.2023

CDU

Friedrich Merz reist nach Israel

Der deutsche Oppositionsführer wird Ministerpräsident Netanjahu treffen

 17.03.2023

Hessen

Verfassungsschützer warnt vor »trügerischer Ruhe« bei Islamismus

Seit Ende des vergangenen Jahres sei eine »verstärkte Agitation« zu beobachten, sagt Bernd Neumann

 16.03.2023

Initiative

»Internationale Wochen gegen Rassismus« ab Montag

Einsatz gegen Rassismus, aber auch Antisemitismus und andere Formen des Menschenhasses soll sichtbar werden

 16.03.2023