Rettung

Tour am Toten Meer

von Sabine Brandes

Die Berge Judäas sind noch in morgendlichen Nebel gehüllt. Doch die beduinischen Schulkinder stehen schon hellwach im Wüstensand an der Straße und warten auf ihren Schulbus. Den Ranzen auf dem Rücken, die Augen vor Verwunderung weit aufgerissen. Denn was sie hier zu sehen bekommen, ist ein ungewohntes Bild: Hunderte von Autos aus allen Teilen des Landes schlängeln sich an diesem Samstag um sieben Uhr morgens die Straße in Richtung Totes Meer hinunter. Und alle haben eine besondere Fracht dabei: Fahrräder in Groß und Klein – auf dem Dach, im Kofferraum und auf Gepäckträgern.
Die Radtour 2007 entlang des salzigen Meeres ist von den Landschaftsverbänden Totes Meer-Megilot und Tamar sowie dem Tourismusministerium organisiert worden. Als Rettungsaktion für den einzigartigsten See der Welt. Denn der ist in Gefahr, droht zu sterben, obwohl eigentlich gar kein Leben in ihm ist. Das Tote Meer trocknet mit rapider Geschwindigkeit aus und wird – wenn nicht bald etwas getan wird – in nicht allzuferner Zukunft gänzlich von der Erde verschwunden sein. Seine Fläche ist bereits um ein Drittel geschrumpft. Hauptsächlicher Grund ist der Mangel an Wasser, das einst in reichem Strom vom Jordan und verschiedenen Seitenarmen geflossen ist. Dammbau, Wasserspeicher und Leitungen für Entsalzungsanlagen jedoch haben den Zufluss im großem Maße reduziert. Ein Teil davon geht in den täglichen Verbrauch von Israelis, Palästinensern und Jordaniern, doch der Löwenanteil wird für die, wie Umweltorganisationen betonen, ineffektive Landwirtschaft abgezweigt. Anzeichen für den drohenden Tod sind die vergrößerten Salzflächen und Krater, sogenannte Senklöcher, von denen immer mehr um das Gewässer herum entstehen.Wahrscheinlich könnte lediglich ein binationaler Kanalbau den See auf lange Sicht retten.
Eigentlich hätte die Radtour einmal rundherum führen sollen, durch Israel und Jordanien. »Doch organisatorische Schwierigkeiten«, so die Veranstalter, »machten dieses Vorhaben leider zunichte«. Dennoch ließ es sich das Team vom »Büro für Frieden und Entwicklung« aus dem Jordantal des Nachbarlandes nicht nehmen, mit an den Start zu gehen. Manche der Jordanier haben Straßenschuhe an den Füßen und sitzen auf arg klapprig wirkenden Rädern. Doch sie tragen ihre Jogginganzüge mit der grün-rot-weißen Landesflagge voller Stolz und auf dem Gesicht das breiteste Lächeln aller Teilnehmer. Die 14 jungen Männer im Alter von 16 bis 20 sind ganz und gar enthusiastisch. »Ja, das Tote Meer gehört uns doch auch«, sagt Ali Rahmu vehement. »Deshalb sind wir hier. Um es zu retten.«
So wie Rahmu denken alle, die gekommen sind. Mehr als tausend Frauen, Männer und Kinder wollen ein sportliches Zeichen setzen, um auf die Bedrohung der Umwelt aufmerksam zu machen. Sie alle sind mit ihren Drahteseln angereist, ganz modernen Rennmaschinen, Mountainbikes, Tandems, manche ausgestattet mit einem Kindersitz oder sogar zwei. Wichtigstes Utensil ist der Helm, denn Sicherheit geht auch bei einer Rettungsaktion vor, ohne ihn folgt die Disqualifizierung. Bei den Jordaniern ist noch ein anderes Mitbringsel von Bedeutung: Die kleine Fahne am Lenker. Damit jeder weiß: »Eure Nachbarn sind auch hier!«
Und so werden sie von den Israelis begrüßt. Als Leute von nebenan. Ein Israeli im Profi-Outfit hat ein jordanisches Fähnchen ergattert und an seinem Sattel befestigt. »Für die Umwelt, den Frieden und gute Beziehungen«, ruft er mit einem strahlenden Lächeln, während er schon motiviert in die Pedale seines glänzenden Rennrades tritt. Achmad Abdel-Quadu, Trainer des jordanischen Teams, verneint politische Gründe des Besuchs. »Wir sind hier um zu zeigen, dass auch wir uns um das Tote Meer sorgen. Wir wollen Aufmerksamkeit erregen, denn jeder muss wissen, wie groß die Gefahr für dieses wunderschöne Naturjuwel tatsächlich ist.«
Drei verschiedene Strecken führen heute entlang des Toten Meeres: Die 90 Kilometer lange Amateur-Tour, 30 Kilometer für alle und 14 für die Familien. Für Mountainbiker ist eine Offroad-Strecke in der Wüste mit steilen Anhöhen und herausfordernden Abhängen angeboten. 200 Fahrer wurden erwartet, mehr als 1.000 sind gekommen.
Nir Assif aus Tel Aviv strampelt eine Anhöhe hoch. »Es ist toll zu sehen, dass sich doch einige Leute Gedanken über die Umwelt machen«, meint er. Denn eigentlich ist der 35-Jährige frustriert über die Ignoranz seiner Mitmenschen. »Die meisten Israelis, die ich kenne, denken überhaupt nicht daran. Das Bewusstsein fehlt völlig, und das ist besonders schrecklich, weil wir doch so eine außergewöhnliche Natur haben.«
Drastische Worte hat auch Iris Kochawy von der Tourismusabteilung des Landschaftsverbandes Megilot parat: »Wir können sehen, wie es austrocknet. Pro Jahr geht es einen ganzen Meter zurück und bald noch mehr, wenn nichts geschieht.« Es sei schwer, das mitanzusehen, vor allem wenn man, wie sie, hier lebt. »Wir haben die Aufgabe, es zu beschützen und müssen gemeinsam um Hilfe schreien.«
Am Zielpunkt, dem Mineral Strand, sitzen die Radler zusammen und erzählen von ihren Tourerfahrungen. Ein junger Mann, ganz in Pink, unterhält sich mit einem israelischen Gleichgesinnten auf Englisch. Es ist der Deutsche Sebastian Böhm. Er ist mit einer vierköpfigen Gruppe Radfahrer um die dreifache Weltmeisterin im Behindertensport auf dem Rennrad, Natalie Simanowsky, angereist. »Es ist einfach klasse hier«, zeigt sich Böhm begeistert, »diese unglaubliche Natur, die besondere Atmosphäre und die netten Leute geben einem das Gefühl, in einer großen Familie zu sein.«
Eyal Herschtik lächelt. Der Mann vom israelischen Radsportclub »Zimuk«, freut sich, dass es den Teilnehmern gefällt. Doch neben dem Spaß an der Freude will er die eigentliche Bedeutung dieser Radfahrt betonen: »Wir machen so lange mit den Touren weiter, bis hier endlich etwas geschieht. Wir wollen unser Totes Meer mit Wasser drin und nicht als völliges Ödland. Diese wundervolle Gegend muss geschützt sein. Das müssen wir klarmachen – und wir werden immer mehr«, sagt er, schultert sein Rad, und geht energischen Schrittes in Richtung Ausgang, während das Tote Meer hinter ihm ganz ruhig liegt und blassblau schimmert.

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