Ferienprogramm

Tanzen, singen, bowlen

von Zlatan Alihodzic

Hebräisch-Lehrer Albert Berman kann Blick und Zeigefinger nicht mehr auf der Tafel lassen. »Was machst Du da?«, fragt er ein Mädchen. Die wahrheitsgemäße Antwort: »Rumalbern«. Das Duell ist entschieden. »Aleph, Beth, Gimel« zählte die kleine Ruhestörerin mit 20 anderen Kindern im Chor auf. Sie kennt die ersten Phrasen und schreibt ihren Namen in Hebräisch auf. Das alles mitten in den Sommerferien, morgens um halb elf – und freiwillig, beim Daycamp der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen.
In nur drei Wochen haben es die Kinder geschafft, einen Raum des Diakonischen Werks bis unter die Decke mit Bildern, Israelkarten, Plakaten und Basteleien zu dekorieren. Doch das Daycamp ist eben mehr als nur ein Spiel. »Einige Eltern meinten, dass wir die Kinder durch den Hebräisch-Unterricht überfordern würden. Aber das hat sich nicht bestätigt«, erklärt Dasha Itunina. Die 25-Jährige studiert Sozialpädagogik und lernt in Mülheim den praktischen Teil ihrer zukünftigen Arbeit sehr intensiv kennen.
Insgesamt nahmen 29 Kinder das Ferienprogramm der Gemeinde wahr. »Es wollten noch mehr teilnehmen, es gab sogar eine Warteliste. Aber das hätten wir nicht organisieren können«, sagt die Studentin. Im vergangenen Jahr war der Andrang nicht so groß. Damals fand die Veranstaltung auch zum ersten Mal in Mül-
heim statt. »Dann hat es sich wohl herumgesprochen, was hier angeboten wird«, erzählt Alexander Smolianitski. Er ist gerade 14, damit nur zwei Jahre älter als manche Teilnehmer, und hilft schon bei deren Betreuung. »Meine Mutter engagiert sich in der Familienarbeit der Gemeinde, so bin ich dann auch dazu gekommen«, sagt er.
Neben den jungen Freiwilligen, die ihre Freizeit in die Betreuung investieren, unterstützen das American Jewish Joint Distribution Committee und die Chais Family Foundation das Projekt finanziell. Der Hebräisch-Unterricht ist dabei Pflicht. »Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Kindern die Traditionen des Judentums näherzubringen. Zum Beispiel das Thema koschere Lebensmittel«, die Kinder wüssten nun Bescheid, erzählt Dasha Itunina.
Um nicht gegen Koscherregel zu verstoßen, hat das Daycamp selbst auf Fleisch beim Mittagessen verzichtet. »Der kulturelle Hintergrund ist uns wichtiger. Wie sie mit der Religion umgehen, sollen die Kinder selbst entscheiden«, sagt die angehende Sozialpädagogin. Kultur, Religion und Spaß wurden während des Daycamps deshalb vermischt. Ernst war das Thema »Koscher«, traurig der Neunte Aw, bewegend der Ausflug in die Alte Synagoge in Essen. Das Basteln für Sukkot und die spannenden Geschichten zu Purim sind spielerische Elemente, die das Programm kindgerechter gestalten.
»Ein Titel des Projekts ist ›Gescher‹, das hebräische Wort für Brücke«, erklärt Alexander. Eine solche Brücke soll das Ferienprogramm darstellen. Eingeladen ist jeder. Ob die Brücke zur jüdischen Kultur und zur Gemeinde tatsächlich beschritten wird, muss sich nun herausstellen. Im vergangenen Jahr habe sich die Großmutter eines Kindes gemeldet und erzählt, wie sehr sie sich darüber freute, dass ihre Enkelin jetzt den nichtjüdischen Nachbarn von jüdischen Feiertagen erzählt und noch viele Fragen zum Judentum stellte.
2006 seien vor allem Kinder von Familien gekommen, die ohnehin schon engen Kontakt zur Gemeinde hatten. In diesem Jahr kamen viele neue. »Wir hatten keine homogene Gruppe.« Deshalb habe man die Gruppe eigentlich aufteilen wollen. Aus Platznot blieben sie zusammen. »Das war am Ende doch gut«, sagt die 25-Jährige. Auch Alexander meint: »So hatten die Kinder untereinander ihre Aufgaben. Wenn die Älteren den Jüngeren helfen konnten, haben sie sich gleich wichtiger gefühlt und an Selbstbewusstsein gewonnen.«
Der Gewinn durch das Daycamp kann aber nicht nur an der Zahl der Kinder gemessen werden, die nun auch an anderen Projekten der Gemeinde teilnehmen. Die Freude, die den jungen Teilnehmern in jedem Moment anzusehen war, ist schon ein Gewinn. Sie spielen Fußball, gehen zum Bowling, tanzen und singen. »Einige Namen werde ich nicht so schnell vergessen«, meint Albert Berman vergnügt. Und auch die Kinder werde so einiges nicht vergessen. »Ich denke, dass fast alle, die das Daycamp besucht haben, nun das hebräische Alphabet können. Sie haben die Grundlagen, falls sie später weiterlernen möchten«, sagt Berman.
Wie wichtig die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist, hat die Gemeinde längst erkannt. Regelmäßig werden Veranstaltungen angeboten, allerdings häufig nur im Gemeindezentrum Duisburg. Das soll sich ändern. Im nächsten Jahr jedenfalls dürfte wieder ein Daycamp in Mülheim stattfinden. Die Nachfrage wird wohl für das Angebot sorgen.

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