Zufit Simon

Tanz die Mischpoche

Von Carsten Hueck

Auf der Bühne drei Tänzer, zwei Frauen und ein Mann, dicht nebeneinander. Sie bewegen sich synchron, schwanken in sanftem Rhythmus. Berührt einer den anderen, löst das eine Kettenreaktion aus. Gleichklang provoziert Eigendynamik, Anziehung und Abstoßung werden sichtbar.
»Familie ist ein sehr fragiles System«, sagt die israelische Tänzerin Zufit Simon. Ihr neues Stück Meine Mischpuche erzählt von Wechselwirkungen, Identität und sensiblen Punkten innerhalb einer Familie.
Die 28-Jährige, geboren in Tel Aviv, gehört zu den interessantesten jungen Tanzkünstlerinnen, die derzeit in Deutschland arbeiten. Seit zehn Jahren lebt sie schon hier. »So hatten sich meine Eltern das nicht vorgestellt. Dabei war es ihre Idee, mich nach Frankfurt zu schicken.« Eigentlich nur, um ein bisschen die Welt zu sehen und neue Impulse für den Tanz zu bekommen. Aus einem Workshop an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst wurde dann ein mehrjähriges Studium. »Das war gar nicht so einfach. Eigentlich hätte ich in Israel zum Militär gemusst. Ich wollte auch gehen. Aber die Hochschule hat mich überredet zu bleiben.« Wie sie, verkleidet mit langem Rock und bedecktem Haar, dann zu einem Rabbi ging, um die Befreiung vom Militärdienst aus religiösen Gründen zu bewirken, auch das erzählt Zufit Simon in Meine Mischpuche.
Das Stück ist ihre zweite Choreografie. Vor eineinhalb Jahren brachte sie bereits eine tänzerische Reflexion zur Wurzel des hebräischen Wortes »Adom« heraus. Die aktuelle Produktion ist das Ergebnis von Recherchen in der eigenen Familie. »Sie entstanden aufgrund der Frage: Was mache ich in Deutschland? Warum bin ich ausgerechnet hier?« Unterstützt durch ein Stipendium des Hauptstadtkulturfonds, reiste Zufit Simon mit dem Fotografen Udo Hesse nach Israel, interviewte Familienmitglieder und Verwandte vor der Videokamera. Aus Gesprächen, Begegnungen und eigenen Überlegungen kreierte sie für die Tanzbühne eine Art Selbstporträt. Ein Puzzle, das Elemente ihrer persönlichen Geschichte enthält, aber auch archetypische Erfahrung mit Familie thematisiert.
»Was auf der Bühne zu sehen ist, soll nicht eindeutig übersetzbar sein«, sagt die Tänzerin entschieden. »Ich will bestimmte Punkte zeigen, Imagination anregen. Denken sollen die Zuschauer selber.« Die drei Tänzer auf der Bühne stellen gemeinsam eine Person und zugleich die Dynamik einer ganzen Familie dar. Hunderte von Toneiern sind im Raum verteilt. Ein Minenfeld, auf dem sie sich erst vorsichtig bewegen, das sie im Laufe des Stückes aber immer stärker in die Choreografie mit einbeziehen. Mal dienen die Eier der Verwurzelung, helfen, einen Standpunkt zu finden. Dann rollen sie auseinander, bringen Instabilität, behindern Bewegungen. Oder sie werden zur Brücke, auf der man durch das Leben balanciert. Der Zufall hat Platz in dieser Choreografie, die klare Linien ebenso aufzeigt wie Brüche. Familienleben ist hier ein Eiertanz zwischen Menschen und Ländern. Deutlich wird: Kreisbewegungen zwischen Israel und Deutschland durchziehen die Familiengeschichte von Zufit Simon. Ihre Großeltern stammen aus Deutschland, die Eltern sind in Israel geboren. Ihre Mutter arbeitete als Fremdenführerin mit deutschen Touristengruppen.
In einzelnen Sprechakten, die das Stück durchziehen, gibt Zufit Simon pointiert Details zum besten. Sie spricht über ihren Körper, die »echt jüdische« Nase, die breiten Schultern, die christliche Großmutter. Nach der Machtübernahme der Nazis trat sie zum Judentum über und überzeugte ihren jüdischen Mann, nicht in die USA, sondern nach Palästina zu emigrieren. Die Simons besitzen eine Imkerei in einem kleinen Dorf nahe Petach Tikwa. Jedes Jahr zu Rosch Haschana kommen sie zusammen, um den Honig zu verkaufen. »Honig klebt die Familie zusammen«, heißt es in dem Stück. Zur Premiere reist die gesamte Mischpoche nach Berlin an.

Premiere am 28. August in den Berliner Sophiensälen. Weitere Vorstellungen dort:
29./30./31. August. Außerdem am 17. und 18. Oktober in der Eisfabrik Hannover
www.sophiensaele.com

Hessen

Verfassungsschützer warnt vor »trügerischer Ruhe« bei Islamismus

Seit Ende des vergangenen Jahres sei eine »verstärkte Agitation« zu beobachten, sagt Bernd Neumann

 16.03.2023

Initiative

»Internationale Wochen gegen Rassismus« ab Montag

Einsatz gegen Rassismus, aber auch Antisemitismus und andere Formen des Menschenhasses soll sichtbar werden

 16.03.2023

Einspruch

Das Vertrauen erodiert

Susanne Urban empört sich darüber, dass ein antisemitischer Polizei-Chat ungeahndet geblieben ist

von Susanne Urban  10.03.2023

Interview

Warum Daniele Ganser und seine Thesen so gefährlich sind

Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover über die Proteste gegen den umstrittenen Historiker

von Imanuel Marcus, Philipp Peyman Engel  09.03.2023

Interview

»Massive Relativierung der Schoa«

Rebecca Seidler über die Proteste gegen den umstrittenen Historiker Daniele Ganser

von Imanuel Marcus, Philipp Peyman Engel  09.03.2023

Staatsbesuche

Premier Netanjahu reist nach Rom und Berlin

Visite in der italienischen Hauptstadt fällt mit dem Protesttag gegen die Regierungspolitik zusammen

von Sabine Brandes  07.03.2023

Weltfrauentag

Mut und Ungehorsam

Die Purim-Geschichte zeigt, was wir heute von den persischen Königinnen Esther und Waschti lernen können – eine Liebeserklärung von Adriana Altaras

von Adriana Altaras  06.03.2023

Purim

Mut und Ungehorsam

Die Megilla zeigt, was Frauen heute von den persischen Königinnen Esther und Waschti lernen können – eine Liebeserklärung von Adriana Altaras

von Adriana Altaras  06.03.2023

Hamantaschen

Der Duft von Purim

Wie der Kosher Daily Markt in Berlin sich auf Purim vorbereitet

von Christine Schmitt  06.03.2023