synagogenplätze

sollten synagogenplätze an den hohen feiertagen kostenlos sein?

Teures Vergnügen

von Beni Frenkel

In den Sprüchen der Väter (Kapitel 5, Mischna 8) heißt es: »Zehn Wunder geschahen unseren Vätern im Heiligtum«. Ein elftes Wunder war, dass dort kein Eintritt verlangt wurde. Kamen doch alle Juden dreimal im Jahr nach Jerusalem und warfen sich vor dem Ewigen hin. Heute kommen viele Juden nur noch über die Hohen Feiertage in die Synagoge und müssen bis zu 150 Euro für einen Sitzplatz bezahlen.
Die jüdischen Gemeinden, die sonst für Gastfreundschaft stehen, zeigen sich hier in einer befremdlich kühl kalkulierenden Manier. Statt jeden Betenden willkommen zu heißen, werden Geschäfte gemacht. Der Psalmvers »Mein Haus ist ein Gebetshaus, wo alle Völker beten«, der in fast allen Synagogen an prominenter Stelle prangt, wirkt da nur noch wie eine Farce. Mein Haus ist eher eine Gewinnstätte, wo die Reichen beten.
Die größte Gemeinde der Schweiz, die Israelitische Cultusgemeinde Zürich (ICZ), hat sich vor etwa zehn Jahren eine Totalrenovierung ihrer Synagoge geleistet. Am Eingang steht eine große Glastafel, auf der die edlen Spender zu ewigem Ruhm verzeichnet sind: Die katholische Kirche hat die Fenster gespendet, eine Firma den Teppich, ein Millionär die Toilette und so weiter. Ein Prunktempel sondergleichen. Doch niemandem ist es eingefallen, das Wichtigste, nämlich das Beten, zu finanzieren.
Natürlich weiß auch ich, dass die Eintrittsgelder für wichtige Zwecke gebraucht werden. Die jüdischen Gemeinden haben wachsende Ausgaben. Die Sozialfälle werden leider nicht weniger. Sicherheitsdienste kosten Geld. Aber muss man das tatsächlich über Platzkarten finanzieren?
Es ginge auch anders. Die Gemeinden könnten sich einiges bei der Gewinnstrategie von Ryanair ab-schauen. Die Billig-Airline bietet ihre Flüge fast kostenlos an. Profit erzielt sie mit anderen Angeboten: Getränke, Essen, Gepäck, Bordunterhaltung kosten extra. So könnten auch die Synagogen wirtschaften: Die Tora-Aufrufe werden versteigert, Sitzkissen kosten fünf Euro und der Betreuungsdienst für Kinder zehn Euro. Zusätzlich könnte man an die Betenden eine Broschüre verteilen, in der die materiellen Sorgen geschildert werden und dezent auf den beiliegenden Einzahlungsschein hingewiesen wird.
Letztendlich muss sich jede Gemeinde fragen, wofür sie da ist. Erste Aufgabe einer Gemeinde ist es, den Gottesdienst zu garantieren. Ein Jude kann gewisse Gebete nur in einem Quorum von zehn Männern abhalten. Gäbe es diese Halacha nicht, würden keine Synagogen existieren. Von Betenden Gebühren zu verlangen, heißt, den Sinn und Zweck einer Synagoge zu verkennen. Das ist, als ob in einer Demokratie jeder Stimmberechtigte 150 Euro Wahlgebühren zahlen müsste.
Unsere Synagogen leiden an Beterschwund. In der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich kommt wochentags mit Mühe ein Minjan zusammen. Und selbst in den erhabensten Momenten an Rosch Haschana und Jom Kippur ist die Synagoge leider nicht voll. Es ist Zeit, darüber nachzudenken, was man dagegen tun kann. Ein erster Schritt wäre tatsächlich, die Gebühren für Synagogenkarten abzuschaffen. Wenn Menschen das heilige Bedürfnis haben, an Rosch Haschana vor Gott zu treten, darf man ihnen kein Geld abzwacken.

Schiefe Rechnung

von Benno Bleiberg

Seit mehr als hundert Jahren ist es Tradition, dass zu den Hohen Feiertagen Platzkarten in den Synagogen käuflich zu erwerben sind. Nicht nur in Deutschland, auch in den meisten jüdischen Gemeinden Großbritanniens, Frankreichs und der USA ist das Brauch. Und hier wie dort wird jedes Jahr aufs Neue die Frage gestellt, ob man nicht auf die »Eintrittsgelder« verzichten sollte. Beschwerden über die angeblich zu hohen oder insgesamt überflüssigen Gebühren gehören fast schon zum festen Feiertagsritual wie das Kol Nidre.
Zugegeben: Eine halachische Begründung, Geld für Synagogenplatzkarten zu verlangen, ist mir nicht bekannt. Der Grund ist eher pragmatischer Natur. Zu den Hohen Feiertagen findet eine wundersame Vermehrung von Betern statt. Der Fachbegriff dafür heißt »Feiertagsjuden«. Gemeindemitglieder, die man gewöhnlich nicht oder nur sehr selten in der Synagoge sieht, wollen plötzlich an den Gottesdiensten teilnehmen. Diese steigende Nachfrage nutzen die Synagogen, um ihre Finanzen aufzubessern.
Mit Abzocke, wie mancher vielleicht unterstellt, hat das aber nichts zu tun. Denn das Geld wird dringend gebraucht. Erstens fällt an den Hohen Feiertagen zusätzlicher Personalbedarf in den Synagogen an. Zusätzliche Rabbiner, Kantoren und Schofarbläser müssen engagiert werden, um in allen Bethäusern, je nach Tradition und Ritus, die Voraussetzungen für die Durchführung der Gottesdienste sicherzustellen.
Zweitens werden die Einnahmen aus den Platzkarten genutzt, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten, die sich über das ganze Jahr erstrecken, angefangen bei Toravorhängen oder -kronen, Siddurim, Kidduschim – bis hin zu solch profanen Kostenfaktoren wie Strom, Wasser oder Ge- bäudereparaturen. Auch Bethäuser brauchen von Zeit zu Zeit einen neuen Innen- oder Außenanstrich. Die freiwilligen Spenden der Stammbeter, die tagein, tagaus, Schabbat für Schabbat, die Synagogen besuchen, reichen dafür schon lange nicht mehr aus.
An dieser Stelle kommt jetzt wahrscheinlich das Gegenargument, dafür bezahle man doch Gemeindesteuern. In Berlin etwa würden die Synagogen schließlich zentral von der Gemeinde finanziert. Das stimmt zwar. Aber die Mittel reichen leider bei Weitem nicht. Trotz wachsender Mitgliederzahlen der Gemeinde wird das Steueraufkommen immer geringer. Gleichzeitig wachsen die Kosten für soziale Aufgaben kontinuierlich.
Mag ja alles sein, werden die Kritiker einwerfen. Aber 20, 40 oder 50 Euro (je nach Abstand zur Bima) für die Gottesdienstteilnahme zu den Hohen Feiertagen ist trotzdem ziemlich happig.
Ist es das wirklich? So mancher, der über die hohen Preise für den Synagogenbesuch klagt, hat keinerlei Probleme damit, weitaus mehr Geld für Kultur- und Unterhaltungsveranstaltungen auszugeben. Beim Konzert der Sängerin Barbra Streisand im Juni in der Berliner Waldbühne sollen, wie man hört, auch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde auf Plätzen bis zu 500 Euro pro Person gesessen haben. Und keiner hat sich beschwert.
Dabei berechtigte das Eintrittsticket dort nur zum einmaligen Besuch. Ganz anders die Synagogenkarte. Sie ist eben nicht nur für die Hohen Feiertage gedacht. Synagogen sind ganzjährig geöffnet. Wer zum Beispiel an jedem Schabbat und an allen Feiertagen ins Bethaus kommt, zahlt, selbst wenn er eine 50-Euro-Karte genommen hat, pro Besuch weniger als einen Euro. Wer sogar jeden Tag zum Morgengebet geht, kommt im Jahresdurchschnitt auf Kosten von wenigen Cent pro Besuch.
Fazit: Solange sichergestellt ist, dass sozial schwache Gemeindemitglieder auch ohne Zahlung eine Synagogenkarte bekommen (die von den »zahlenden Besuchern« quasi subventioniert wird), halte ich das gegenwärtige System für gerechtfertigt. Auch zu Zeiten des Tempels war man verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz seiner Erträge an die Kohanim und die Leviten abzutreten sowie zusätzlich persönliche Opfergaben zu den Wallfahrtsfesten im Tempel abzuliefern. Aber wahrscheinlich haben sich auch damals schon, vor 3.000 Jahren, einige beschwert.

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