Religionsunterricht

Schulangst

von Olaf Glöckner

Die jüdischen Organisationen in Russland richten sich darauf ein, dass in absehbarer Zeit das Schulfach »Grundlagen der orthodoxen Kultur« an den staatlichen Schulen etabliert wird. Seit Jahren fordert die Russisch-Orthodoxe Kirche die Einführung eines Religionsunterrichts unter diesem Namen – und sie geht davon aus, dass im September 2009 damit begonnen wird.
Russlands jüdische Gemeinden und Organisationen standen dem Ansinnen der Kirche bisher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Eine einheitliche Haltung gab es allerdings nicht – anders etwa als bei den muslimischen Verbänden des Landes, die von Anfang an entschiedenen Protest äußerten. Mittlerweile nimmt die Kritik von jüdischer Seite aber deutlich zu. »Kinder sollten nicht dazu genötigt werden, eine Religion zu lernen, die nicht ihrem Glauben entspricht«, kritisierte beispielsweise Russlands Oberrabbiner Berl Lazar. Mädchen und Jungen aus kulturellen Minderheiten würden sich unter psychischem Druck fühlen, selbst wenn der russisch-orthodoxe Religionsunterricht kein Pflichtfach wäre.
Die Förderation der Jüdischen Gemeinden Russlands (FEOR) hat inzwischen eine Protestresolution gegen den Religionsunterricht veröffentlicht. Als Alternative schlägt sie die Einführung eines inhaltlich übergreifenden Faches vor, »in dem Religionspädagogen die Schüler über allgemeine Grundlagen und Prinzipien der traditionellen Religionen in Russland – einschließ- lich ihrer Geschichte – informieren«. Für einen solchen Unterricht seien wesentliche Materialien mit interreligiösem Zuschnitt bereits vorbereitet – so in zwei Lehrbüchern für die Oberstufenklassen, an denen unter anderem die bekannten Historiker Raschid Kaplanoff und Alexander Lokschin mitgearbeitet hätten.
Michail Chlenow, Generalsekretär des Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses, bemängelte, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche bisher kein eigenes Unterrichtskonzept offengelegt habe. »Wenn dieses Re- ligionsfach auch die Geschichte der Russisch-Orthodoxen Kirche behandelt«, fragt Chlenow, »wie wird sie den Kindern beispielsweise einen heilig gesprochenen Kirchenvertreter vermitteln, der antijüdische Pogrome gerechtfertigt und behauptet hat, die Juden seien an ihrem Dilemma selbst schuld?«
Chlenow appellierte zugleich an alle jüdischen Organisationen in Russland, gemeinsam am Konzept für einen jüdischen Religionsunterricht zu arbeiten, der möglicherweise parallel eingeführt werden könnte und auch Hebräisch-Kurse enthalten sollte.
Gegenwärtige Schätzungen zur Zahl der in Russland lebenden Juden gehen weit auseinander und schwanken zwischen 230.000 und knapp einer Million. An den staatlichen Schulen des Landes, wo der russisch-orthodoxe Religionsunterricht bald Realität werden könnte, lernen vermutlich einige Zehntausend, möglicherweise aber weit mehr jüdische Mädchen und Jungen. Die russische Regierung, der gute Beziehungen zur Russisch-Orthodoxen Kirche, aber auch zu den jüdischen Dachorganisationen nachgesagt werden, hat sich zur möglichen Einführung des Religionsunterrichtes bisher nicht geäußert.

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025