iranischer Markt

Pumpen, Banken und Nabucco

von Andreas Wildhagen

Für den Iran wird es eng – das merken auch deutsche Firmen, die sich auf dem iranischen Markt tummeln oder dort große Pläne hegen. Dabei sind drei große Gruppen im Fokus: die illegalen Lieferanten, die kein Embargo schreckt; die Großindustrie, die in größeren Zeiträumen denken will und auf gute iranische Marktbedingungen nach dem Ende des Mullah-Regimes setzt; und viele Mittelständler, die bisher noch ganz legal Niederlassungen in Teheran betreiben und auf den Tag X warten, an dem sie den Rückzug antreten müssen. Bis dahin liefern sie, was das Zeug hält – vor allem Ersatzteile für Maschinen.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt: Es geht um verdächtige Schaltschränke und Pumpen für das halb fertige iranische Atomkraftwerk Buschehr. Aufgefallen war ein Foto: Ein ramponierter Stahlschrank, aus dem Drähte hängen. Daneben ein Schreiben: Ein iranischer Baustellenleiter mahnt eine deutsche Firma an, das Teil wieder zurückzunehmen. Der Brief befindet sich in einem Ordner bei der Staatsanwaltschaft Potsdam. Dort heißt es Anfang Oktober: »Bei zwölf deutschen Firmen besteht aufgrund der Indizien der Verdacht, dass sie technische Ausrüstung böswillig in den Iran liefern wollten.« Diese Teile sind dann über »eine russische Frontcompany«, so die Staatsanwaltschaft, erst nach Russland und dann zum Teil, so der dringende Verdacht, in den Iran weiterverkauft worden. Bestimmungsort: Buschehr.
Bereits vor 16 Jahren hat die Bundesregierung Lieferungen für das iranische Atomprogramm und Buschehr untersagt. Das gilt auch für kleinste Teile. Jetzt wird die Schraube angezogen. Deutschland verhandelt in der UNO und mit den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats bereits über konkrete Maßnahmen zur Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen Iran. Damit würden für deutsche Unternehmen auch die allerletzten Handelsmöglichkeiten mit dem nach Atomwaffen strebenden Staat verstellt. Deutsche Diplomaten berichteten vergangene Woche, dass zu einer Verschärfung nicht nur die USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, sondern möglicherweise auch Russland und China bereit seien. Russland würde dann auch als Umweg für illegale deutsche Lieferungen ausfallen. Eine russische »Frontcompany«, sprich eine Scheinfirma in Deutschland, hätte dann keinen Sinn mehr.
Wann die Resolution verabschiedet wird, ist offen. Schon jetzt sinken die deutschen Exporte in den Iran deutlich. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres schrumpften sie um 18 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Sowohl die Dresdner Bank als auch die Commerzbank teilten mit, sich aus jeglichen Geschäften mit dem Iran zurückzuziehen. Die Banken begründen ihren Rückzug nicht mit Moral und Politik, sondern ganz trocken: mit den hohen Verwaltungskosten, die die UNO-Sanktionen mit sich bringen.
Die deutsche Energiewirtschaft denkt nicht an Rückzug. Erdgas beispielsweise sei zu wertvoll, heißt es in der Branche, um sich in einer pauschalen Verzichtserklärung von internationalen Kooperationen bei der Ausbeutung von Gasfeldern zu verabschieden, auch wenn sie in den Gefilden eines Schurken liegen. Grund: Die wachsende Nachfrage nach Erdgas und der Ausbau der Flüssiggastechnologie Liquid Natural Gas (LNG) lösen nicht nur bei deutschen, sondern auch bei allen anderen westeuropäischen Importeuren die Sorge um die mittelfristige Sicherheit der Lieferungen aus. Um den Bedarf auch in Zukunft zu decken, wollen deutsche Importeure wie zum Beispiel E.ON Ruhrgas, ein Teilkonzern der E.ON AG, keine einzige potenzielle Lieferquelle ausschließen.
So sagt Ruhrgas-Vorstand Jochen Weise: »An den großen drei, an Russland, Katar und Iran, kommt niemand vorbei.« Mit möglichen iranischen Lieferanten sei man sogar im Gespräch. Mit welchen, will man bei E.ON Ruhrgas nicht sagen. »Allerdings«, gibt ein E.ON-Ruhrgas-Manager zu, »ist das Thema politisch heikel. Man kommt nicht darum herum, dass Iran der drittwichtigste Erdgas-Lieferant ist. Wir sind bei jedem Schritt mit dem Auswärtigen Amt im Gespräch«.
Dabei geht nichts ohne Drittstaaten. So treibt die Türkei trotz heftigen politischen Gegenwinds ihre Pläne zur Erschließung eines iranischen Erdgasfeldes voran. Der Energierohstoff soll durch eine gigantische Leitung vom Iran über die Türkei in die EU geleitet werden – durch eine 3.000 Kilometer lange Röhre, die als Arbeitsprojekt bereits »Nabucco-Pipeline« genannt wird. Bisher hat sich niemand an dieser eigenwilligen historisierenden Bezeichnung gestoßen. Man hält Nabucco für eine Oper von Verdi und damit basta. Anspielungen auf den Tyrannen Nebukadnezar? Versteht in der Branche keiner.
Allerdings fällt der Zungenschlag in der Düsseldorfer E.ON-Zentrale etwas vorsichtiger aus als beim Tochterunternehmen: »Erdgas aus dem Iran via Nabucco zu beziehen, stellt sich vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Lage schwierig dar.« Aber ganz verderben soll das Teheraner Regime das Begehren nach iranischem Erdgas dann doch nicht. »Im Iran hat aktuell der Export von LNG Priorität« – also das verflüssigte Erdgas, das über riesige Tankschiffe in wenigen Jahren vom Iran nach Deutschland transportiert werden soll. In Wilhelmshaven plant E.ON derzeit einen LNG-Hafen, in dem auch iranisches Erdgas angeliefert werden soll.
Viele Großunternehmen aber stellen ihre Iran-Geschäfte bewusst als unbedeutend dar. Einem Lastwagen-Manager bei MAN war es eine Meldung wert, dass »fünf Vorführwagen« in diesem Jahr an iranische Händler verkauft wurden. Offensiver ist die Auskunft eines Managers von KSB, Hersteller von Pumpen und Armaturen aus Frankenthal: »Wir liefern Pumpen für Wasserversorgung und Abwasserreinigung in den Iran.« Man glaubt bei KSB nicht an eine verschärfte UNO-Resolution.
Nach Angaben des Bundesverbands Groß- und Außenhandel (BGA) haben rund 50 mittelgroße deutsche Firmen eine Niederlassung im Iran. Es gibt dort 10.000 Händler und Vertreter, die für deutsche Firmen tätig sind – Tendenz sinkend. Die Anzahl französischer Händler wird auf gut das Doppelte geschätzt. Renault und Peugeot bauen zusammen mit iranischen Firmen sogar ein Billigauto. Es sind vor allem Ersatzteile für Maschinen, aber auch Grundstoffchemikalien, die deutsche Firmen in den Iran liefern. »Das ist bisher nicht illegal«, sagt ein BGA-Sprecher. Und der iranische Markt sei attraktiv: »Die Bevölkerung ist sehr jung, da ist großes Potenzial.«
Bleibt nur die Frage, wofür.

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