Oswiecim

Ort mit Vergangenheit

von Hartmut Ziesing

Seit mehr als 60 Jahren steht das südpolnische Oswiecim im Schatten des Todeslagers Auschwitz-Birkenau. Normalität ist in die Kleinstadt auch mehrere Jahrzehnte nach der deutschen Besatzung noch nicht wieder eingekehrt, obwohl die Menschen hier auch ein alltägliches Leben führen.
Jetzt dreht der Berliner Regisseur Robert Thalheim einen Spielfilm über Oswiecim und den Widerspruch zwischen Geschichte und Gegenwart an diesem Ort. Unter dem Titel Am Ende kommen Touristen zeigt Thalheim die Zwiespältigkeit, mit der die Bewohner des Ortes leben. Im Mittelpunkt des Films steht die komplizierte Beziehung zwischen einem Deutschen, der seinen Zivildienst bei der dort tätigen »Aktion Sühnezeichen« leistet, und einem ehemaligen polnischen KZ-Häftling, der noch immer in unmittelbarer Nähe des Lagergeländes lebt. Vor allem mit Hilfe einer jungen polnische Museumsführerin in der Gedenkstätte Auschwitz lernt der deutsche »Zivi« die Menschen und Probleme des heutigen Oswiecim kennen, das im Schatten dieses universalen Symbols für die nationalsozialistischen Verbrechen liegt.
Thalheim greift bei Drehbuch und Regie auf seine eigene Biographie zurück: Er selbst war Mitte der 90er Jahre Freiwilliger von »Aktion Sühnezeichen« in Auschwitz, wo er, zunächst noch mit einer Videokamera, erste Filme zu drehen begann. Seit seinem Debüt Netto, der ein Überraschungserfolg auf der Berlinale 2005 war, zählt der 32-jährige Thalheim zu den größten Nachwuchshoffnungen des deutschen Kinos. »Mein neuer Film ist eine Art Liebeserklärung an Polen. Aber je mehr man etwas mag, desto genauer schaut man hin«, sagt der junge Regisseur. »Deswegen sucht der Film keine einfachen Versöhnungsgesten.«
Den historischen Ort in seinen Film einzuarbeiten, ist die größte Herausforderung an Thalheim. Die polnische Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau erteilte ihm keine Dreherlaubnis für das Gelände des ehemaligen Lagers. Krystyna Oleksy, stellvertretende Direktorin der staatlichen Gedenkstätte, begründet diese Entscheidung mit der Ausstattung, die dafür notwendig wäre: »Es müßten neue Elemente, Schauspieler, Statisten und Filmkulissen in die Gedenkstätte gebracht werden. Aber Auschwitz ist ein Friedhof und keine Kulisse für Spielfilme.«
Regisseur Thalheim muß sich also ganz auf die Stadt Oswiecim konzentrieren. »Es gab im Team immer wieder die Frage, wie- viel vom Ort des konkreten Verbrechens man eigentlich zeigen muß, um Auschwitz gerecht zu werden«, erklärt Thalheim, »und jetzt bin ich sogar froh, daß wir nicht auf dem Gelände des Lagers drehen. Ich hoffe, daß man dadurch noch mehr Respekt dem Ort gegenüber wahrt.«
So befinden sich alle Drehorte ausschließlich in Oswiecim – am Bahnhof, am zentralen Stadtplatz und in einer Plattenbausiedlung, die man im Ort ironisch »Manhattan« nennt, weil die Hochhäuser nach Ansicht der Menschen so hoch sind wie die New Yorker Skyline. Die meisten Bewohner von Oswiecim freuen sich, daß ihre Kleinstadt Thema von Thalheims Film ist. »Mir gefällt, daß in der Stadt gedreht wird und nicht in der Gedenkstätte«, freut sich Gabriela Nikliborc, eine junge Oswiecimerin. »Wer weiß schon, daß das hier auch eine ganz normale Stadt ist, unsere Kinder auf Spielplätzen spielen und wir in Kneipen gehen.« Aber nicht alle Bewohner freuen sich über die Dreharbeiten. Bei Aufnahmen in der Plattenbausiedlung »Manhattan« empört sich eine ältere Frau, daß ausgerechnet ein deutscher Regisseur in der Stadt einen Film dreht. Gabriela Nikliborc, die selbst in einer Begegnungsstätte arbeitet, hat für solche Kritik kein Verständnis: »Es ist Teil der deutsch-polnischen Versöhnung, wenn ein junger deutscher Regisseur, der selbst hier gelebt hat, über eine polnische Stadt dreht. Das ist auch eine neue Perspektive für viele Polen«.
Am Ende kommen Touristen soll im Februar 2007 auf der Berlinale gezeigt werden und danach in die Kinos kommen. Das ZDF plant die Ausstrahlung des Films für den Sommer 2008.

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Terror

Hamas gibt die Leichen von Tamir Nimrodi, Uriel Baruch und Eitan Levy zurück

Die vierte Leiche ist ein Palästinenser

 15.10.2025 Aktualisiert

München

Friedman fordert Social-Media-Regulierung als Kinderschutz

Hass sei keine Meinung, sondern pure Gewalt, sagt der Publizist. Er plädiert für strengere Regeln

 10.10.2025

Waffenruhe

»Wir werden neu anfangen, egal, wie schwer es ist«

Im Gazastreifen feiern die Menschen die Aussicht auf ein Ende des Krieges

 09.10.2025

Perspektive

Wir lassen uns nicht brechen – Am Israel Chai! 

Ein Zwischenruf zum 7. Oktober

von Daniel Neumann  06.10.2025

Berlin

Preis für Zivilcourage für Brandenburger Bürgermeisterin

Christine Herntier wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus vom »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgezeichnet

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025

Nahost

Die Knackpunkte in Trumps Friedensplan

Netanjahu stellt sich hinter Trumps Plan für ein Ende des Gaza-Kriegs. Doch darin gibt es noch viele unklare Stellen

von Anna Ringle, Cindy Riechau  30.09.2025

Gaza/Jerusalem

Hamas fordert Feuerpause - Leben zweier Geiseln bedroht

Laut Kassam-Brigaden sei der Kontakt zu den beiden abgebrochen

 28.09.2025