Sara Voll

»Ohne fehlt mir was«

Der wichtigste Punkt jede Woche ist für mich, wenn wir die Schabbatkerzen entzünden. Das ist der Moment, in dem ich den Kontakt mit dem Ewigen habe. Ich fühle das. In der anderen Zeit habe ich auch Kontakt, ich denke, alles, was ich bekomme, hat Er mir geschenkt. Aber der Moment des Kerzenanzündens ist ganz besonders für mich. Die Kinder sind dabei, die Mutter, häufig auch die Familie meines erwachsenen Sohnes und stets auch Freunde und Bekannte. Ich lade immer Gäste ein. Das ist eine besondere Atmosphäre. Wir machen das Gebet, Kiddusch auf den Wein, und dann essen wir.
Für die Schabbatfeiern backe ich jeden Freitag Challot. Auch die anderen Speisen bereite ich vor: Gefilte Fisch, dazu auch etwas Fleisch und ein paar Salate. Und ich backe Kuchen. Jedes Mal einen anderen. Manchmal auch zwei. Das ist viel Arbeit. Aber Er gibt mir die Kraft, das alles zu machen. Jeder hat eigene Prioritäten im Leben. Für den einen ist es vielleicht das Äußere, er hat drei Schränke voller Kleider, für einen anderen sind es Bücher, für einen Dritten ist Musik ganz wichtig, er gibt sein Geld und seine Zeit dafür. Für mich ist Religion das Wichtigste.
Am Schabbat benutzen wir kein Telefon, und für das Licht haben wir einen Timer. Wir kochen nicht, alles muss vorbereitet sein. An diesem Tag bekomme ich Kraft für die ganze Woche. Am Sonntag denke ich schon, wann kommt der nächste Schabbat. Das ist wie eine Leiter. Sieben Stufen. Der Sonntag ist die erste Stufe, die siebte ist der Schabbes.
Wenn wir am Schabbat mit den Kindern und Enkeln zusammen beten, wenn wir spielen und singen, dann denke ich, wenn Er das sieht, gefällt es ihm. Ich lade verschiedene Leute ein, vor allem Menschen, die auch Russisch sprechen, denn mein Deutsch ist schlecht. Ich kann nichts erklären auf Deutsch, aber auf Russisch kann ich es stundenlang. Das liegt mir am Herzen: über den Glauben, die Tora, den Wochenabschnitt zu reden. Meine beiden Töchter sind zehn und zwölf Jahre alt. Die Ältere bereitet sich für ihre Batmizwa vor, die ist an Schawuot.
Morgens, wenn wir aufstehen, machen wir ein kleines Gebet, das »Mode Ani«, wir danken Ihm, dass die Seele zurück in den Körper gekommen ist. Dann kommt das eigentliche Morgengebet, das Schacharit. Erst danach wird gefrühstückt.
Mein Sohn, er wird bald 30, wohnt auch in Köln, ebenso meine Mutter. Mein Vater ist leider gestorben, kurz nachdem er und Mutter vor sieben Jahren nach Deutschland gekommen sind. Meine Familie mütterlicherseits lebte sehr traditionell. Meine Mutter konnte es nicht erklären, aber sie hat mir schon als kleines Kind gesagt, das ist der Topf für Milch, und das ist der Topf für Fleisch. Ich bin geboren mit dieser Information. Warum das so ist, das war für mich egal. Ich habe nicht gefragt, es war selbstverständlich. Die Feiertage waren wichtig, Pessach, Rosch Haschana, Jom Kippur – und das Fasten. Seitdem ich zehn Jahre alt war, habe ich regelmäßig gefastet. Aber wir haben nicht gebetet.
Mein Sohn war die erste Person, die gesagt hat: Ich will mehr über das Judentum wissen. Als er zwölf war, hat er gefragt, wo die Synagoge ist. Wir wohnten damals in Odessa. Mein Vater ist mit ihm hingegangen, hat ihm das Gebäude gezeigt, wollte ihm deutlich machen, dass es uninteressant sei. Und in diesem Moment – der Ewige hat das gemacht – öffnete sich die Tür der Synagoge, und etliche Jungen kamen heraus, gemeinsam mit dem Chabad-Rabbiner unserer Stadt. Er sprach meinen Sohn an und lud ihn zu einer der nächsten Sitzungen ein, in der man die Grundlagen des Judentums lernt. Ich hatte nichts dagegen. Er ging regelmäßig hin. Ich habe mich dann dem Rabbiner vorgestellt. Ich wollte wissen, wo mein Sohn hingeht, und was dort gemacht wird. Mehr als zwei Stunden dauerte das Gespräch mit dem Rabbi, es war sehr interessant. Danach lud er mich zur Schabbat-Feier ein. Am nächsten Schabbat war ich also im Haus des Rabbiners. Als alle aßen und tranken, habe ich die vielen Bücher gesehen. Ich habe gefragt, ob ich sie mir ansehen dürfte. Der Rabbiner bot mir einen Sessel an. Beim zweiten Buch wusste ich, das ist mein Leben. Schade, dass ich es vorher nicht verstanden hatte. Schade, dass es so spät war. 33 Jahre alt war ich bei diesem ersten Kontakt mit dem religiösem Leben. In der darauffolgenden Woche habe ich selbst die Kerzen entzündet. Und dann ging es Schritt für Schritt.
Als ich nach Deutschland kam, habe ich dreimal am Tag gebetet und nur koscher gegessen. Wenn ich heute nichtkoscheres Essen sehe, möchte ich es gar nicht. Mein Körper will es nicht, selbst wenn ich Hunger habe. Deswegen ist es für mich nicht schwer. In deutschen Geschäften kann ich Obst, Gemüse, Mehl, Salz, Zucker, frischen Fisch, Nudeln und manche Getränke kaufen. Rabbiner Mendel Schtroks von Chabad bei uns in Köln hat ein eigenes Auto und fährt regelmäßig nach Antwerpen. Dort kauft er für seine Familie ein und bringt Vorräte mit. Bei ihm kann ich Bestellungen aufgeben. Ich habe zwei Kühlschränke und eine große Gefriertruhe. Zweimal im Jahr fahre ich mit nach Antwerpen.
Seit zehn Jahren trage ich Perücke. Ohne kann ich es mir heute gar nicht mehr vorstellen. Mit freiem Kopf zu gehen, das stört mich, da fehlt mir was. Ich trage auch das ganze Jahr über Strumpfhosen, selbst im Sommer, wenn es heiß ist, wird mein Körper nicht von der Hitze gestört.
Ich habe häufig Termine mit den Kindern: Wir gehen ins Schwimmbad – nur am Frauenbadetag – oder in die Bibliothek, manchmal kommen andere Kinder zu Besuch. Oft helfe ich älteren Menschen, wenn sie Hilfe brauchen. Für nächste Woche hat mich zum Beispiel eine Bekannte eingeladen. Sie hat eine Mesusa gekauft für ihr Kosmetikstudio. Wir werden sie gemeinsam anbringen, ich werde den Segen sprechen.
Als ich nach Deutschland kam, hatte ich ein kleines Kind und war im fünften Monat schwanger. Nach ein paar Wochen hatten mein Ex-Mann und ich uns getrennt. Mein Sohn entschied sich nach einigen Monaten, nach Israel in eine Jeschiwa zu gehen. Also war ich auf mich allein gestellt mit zwei kleinen Kindern.
Nach acht Jahren kam mein Sohn zurück, heute hat er eine eigene Familie mit vier Kindern. Er ist ausgebildeter Rabbiner, Sofer und Kantor. Meine Mutter hat zwei Kinder, fünf Enkelkinder und bis jetzt zehn Urenkel. Wir sind eine große Familie, und alle sind religiös.
Ich selbst habe inzwischen Hebräisch gelernt. Ich kann es nicht sprechen, aber lesen. Im Laufe des Tages lese ich zwischendurch immer wieder Psalmen, zum Beispiel, wenn ich mit der Straßenbahn unterwegs bin in der Stadt, ich habe immer mein Psalmbüchlein dabei. Was ich sonst noch mache? Unsere Synagoge verschenkt an Pessach an Menschen, die arbeitslos sind, Mazze. Seit drei Jahren verteile ich sie gemeinsam mit einer Freundin, kürzlich auch wieder. Gelegentlich besuche ich verschiedene jüdische Seminare.
Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Jude, unabhängig davon, welchen Familienstand er hat, wie alt er ist und wie intelligent, oder wie es um seine Finanzen steht, in der Lage ist, nach den Vorschriften der Tora zu leben. Er muss es nur wollen!

Aufgezeichnet von Annette Kanis

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