Architektur

Moderne am Mittelmeer

von Ulf Meyer

Kaum eine andere Nation hat sich in den letzten 60 Jahren – auch baulich – so sehr selbst erfinden müssen wie Israel. Dabei wurden mehrere Fäden aufgegriffen und weitergesponnen: Das Bauhaus-Erbe, die volkstümliche Baukunst in Palästina und die (Weiter-)Entwicklung einer mediterranen Moderne. Gesellschaft, Geschichte und Politik beeinflussen die zeitgenössische Baukunst heute so sehr wie 1948.
Zu den angestammten Ikonen der modernen Architektur in Israel – wie dem Israel-Museum von Alfred Mansfeld, dem »Schrein des Buches« von Frederick Kiesler (beide vor Kurzem aufwendig renoviert), der Knesset und dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem – gehört auch Tel Aviv als Gesamtkunstwerk. Das einzigartige Ensemble von Häusern im Stil des Neuen Bauens wurde in den vergangenen Jahren restauriert. Die »Weiße Stadt am Meer« zählt seit 2003 zum Unesco-Weltkulturerbe und zeugt vom Einfluss der europäischen Tradition. Auch wenn sich Tel Aviv gerne Bauhaus-Stadt nennt, gibt es fast keine Gebäude, die etwas mit dem Bauhaus zu tun haben. Vielmehr war der Berliner Architekt Erich Mendelsohn der Maßstab für die Moderne in Tel Aviv. Seine Adaptierung der Moderne für die Bedingungen in Palästina prägt das Land bis heute. Um so bitterer ist es zu sehen, dass Mendelsohns Erbe, wie die Villa Schocken in Jerusalem, vom Abriss bedroht ist. Dabei war es Mendelsohn, der eine dem Klima angepasste Formensprache entwickelt hatte: Statt großer Panoramafenster nur kleine Fenster, die von Pergolen verschattet werden, Natur-steinfassade. An der Identität des jungen Staates hat er kräftig mitgebaut. Mendelsohn wurde zum »Anwalt einer Ost-West-Synthese, die modernste Zivilisation und älteste Kultur« miteinander verknüpft. Bei seinem Entwurf für das Hadassah-Hospital in Jerusalem von 1939 zeugen die orientalischen Kuppeln vom gewünschten Bezug zur Geschichte der Region. Mendelsohn ging es darum, eine israelische Architektur zu entwickeln. Er betonte den genius loci, um eine Gestaltung zu erreichen, die nicht »aufgesteckt wirkt, sondern aus dem Boden wächst«.
Die Kontroverse, ob eine abend- oder morgenländische Architektur die Identität des jungen Staates bestimmen sollte, dauert an. Die Idee, eine »bekannte Umgebung in der Fremde zu schaffen«, wie sie Theodor Herzl erdacht hatte, bevor entschieden war, dass der Judenstaat in Palästina errichtet werden würde, stand am Anfang der Debatte. Die Gartenstadtidee und die Kooperativen nach preußischem Vorbild dienten den sozialistischen Idealen einer Kolonialisierungsarchitektur der Kibbuzim. Das Plädoyer für eine »Westbin- dung« der israelischen Architektur wurde von Beginn an von einer Polemik gegen eine lokale »Architektur der Barbarei« begleitet. Regionalismus und Internationalismus standen einander gegenüber. Herzl hat in seinem visionären Roman Altneuland den Charakter der späteren »white cities« Haifa und Tel Aviv erstaunlich präzise prophezeit. Herzls Romanheld ist nicht zufällig ein Architekt.
Der Architekt Alexander Baerwald trat hingegen für eine »orientalische Architektur« ein. Von seinem Berliner Büro aus entwarf er »morgenländische Gebäude« wie das Technion in Haifa von 1913. Erst mit der Einwanderungswelle seit dem Beginn des Naziterrors in den 30er-Jahren schlug das Pendel um. In Ermangelung eines überzeugenden »hebräischen Stils« setzte sich schon 20 Jahre nach Gründung der Stadt Tel Aviv 1909 der Internationale Stil durch. Das Dilemma, eine Architektur, die entweder der Landschaft oder den Einwanderern fremd war, wurde dadurch freilich nicht gelöst. Tel Aviv als Modell des gesamten Staates wurde zu einer Hochburg des Internationalen Stils. Der Transfer von Ideen und Personen schuf ein »Stück Europa in Asien«, in dem die weiße Moderne auf ein anderes Klima, eine andere Kultur und eine andere Landschaft trifft. Einige Elemente der Moderne wie das Flachdach zum Regensammeln und als Dachterrasse sowie der weiße Putz als Sonnenreflektor, erwiesen sich in Palästina als opportun und praktisch. Erst der Holocaust förderte einen Bruch mit dem Westen.
Israel ist zu Recht stolz auf seine architektonische Offenheit, die in den letzten Jahren Talente wie Daniel Libeskind, der das Wohl-Zentrum der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan entwarf, oder Moshe Safdies, der die neue Yad-Vashem-Gedenkstätte in Jerusalem baute, nach Israel brachte.

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025