Altenheim

Mit der Zeit

von Hannah Miska

Eda Slucki tippt auf die Maus, und ein wunderschönes Familienfoto in schwarzbraunen Erdtönen erscheint auf dem Bildschirm. Eda strahlt. Sie ist 85 und hat gerade von ihrer Schwester eine E-Mail be- kommen, mit Anhang. Das Foto wurde nach dem Krieg in Polen aufgenommen und zeigt Eda mit ihrem Mann, ihren zwei jüngeren Schwestern und den Eltern.
Eda lebt in Melbourne, in einem Seniorenheim, das in den 40er-Jahren von jüdischen Einwanderinnen gegründet wurde. Seit einigen Wochen besucht sie einen Computer-Kurs. Nach dem Tod einer ihrer Schwestern konnte sie sich beim Lesen nicht mehr konzentrieren und war auf der Suche nach einem anderen anregenden Hobby. Da erspähte sie auf der Aktivitätenliste des Altenheims den neuen Kurs und meldete sich an.
Die Idee zu dem Kurs hatte Lilian Krupp, Mitarbeiterin des Heims und zuständig für »Bildung und Soziales«. Lilian ist ständig auf der Suche nach neuen interessanten Angeboten für die Bewohner, und die Liste der Aktivitäten ist lang. Es gibt jiddische Diskussionsgruppen, einen Chor, Teppich-Bowling, einen Kochkurs, gemeinsames Lesen der jüdischen Zeitung, eine politische Diskussionsgruppe, eine Cocktailstunde.
Als vor einigen Monaten die alten Computer im Büro erneuert wurden und zur gleichen Zeit eine Bibliothek aufgebaut wurde, fragte Lilian: Warum soll man die alten Computer nicht für die Bewohner nutzen? Rosemary, die Bibliothekarin, wusste gleich einen Bekannten, der eventuell einen Kurs leiten würde: Lee Lesters.
Der kürzlich pensionierte Software-Programmierer war gerade auf der Suche nach einer sinnvollen ehrenamtlichen Beschäftigung in der jüdischen Gemeinde. Er sagte sofort zu und arbeitete Kursunterlagen in verständlicher Sprache aus. Seit ein paar Wochen läuft der Kurs jeden Dienstagmorgen an drei Computern in der neuen Bibliothek.
Inzwischen verschickt Eda E-Mails in die ganze Welt. Sie hat Kinder, Enkel und Großenkel in Australien, Cousinen, Neffen und Bekannte in Mexiko, England und in den USA. »Ich schreibe Jiddisch«, sagt sie. »Denn ich möchte nicht, dass meine Freunde sehen, wie viele Fehler ich im Englischen mache.« Eda stammt aus Polen, sie überlebte den Holocaust mit ihrer Familie in Sibirien und emigrierte 1951 nach Australien. Sie hatte nie die Chance, einen Sprachkurs zu besuchen, sie lernte Englisch nur durchs Hören.
Lee hat seine Kursunterlagen längst zu den Akten gelegt. Er hat festgestellt, dass die schriftlichen Anleitungen nicht gelesen werden. Persönliche Betreuung ist das A und O. Das liegt auch daran, dass die Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Sylvia Hoffman, 70, zum Beispiel hat nach anfänglichem Interesse keine Lust mehr, E-Mails zu verschicken. »Was erlebe ich denn schon hier im Heim«, sagt sie, »das interessiert doch meine zehnjährigen Enkel nicht.« Hoffman möchte viel lieber mit Hilfe von geeigneter Software Ahnenforschung betreiben. Ihr Vater stammt aus Russland, die Mutter aus Palästina, sie begegneten einander in den 20er-Jahren in Australien – das dürfte ein hinreichend interessantes Projekt werden.
Bronia Gurflowska, 90 Jahre alt und ehemalige Schuldirektorin, macht den Kurs hingegen mit, weil sie informiert sein und die internationale Presse lesen will. Auf ihrem Bildschirm prangt die Titelseite der Jerusalem Post. Bronia lernt gerade, wie man im Internet surft. »Meine Enkel sind so stolz auf mich«, sagt sie und lächelt.
Lee Lester hat genau das, was man für diese pädagogische Aufgabe braucht: viel Geduld. Oft muss er Dinge mehrfach erklären oder in der nächsten Stunde von vorne beginnen. »Aber die Damen sind alle so hochmotiviert«, sagt er, »das wiegt alle Nachteile auf.«
Und: Es wird gelacht im Kurs. Neulich zum Beispiel poppte das »Internet-Kindermädchen«, eine Websitesperre auf Bronias Bildschirm auf. Prompt kicherten die anderen Damen und wollten wissen, auf welchen Webseiten die 90-Jährige denn so herumsurfte.

Jerusalem

»Der Papst hat Lust auf Dialog«

Abt Nikodemus Schnabel über die Wahl von Leo XIV., das jüdisch-christliche Gespräch und Hoffnung auf Frieden in Nahost

von Michael Thaidigsmann  14.05.2025

Geiseln

Edan Alexander ist frei

Die palästinensische Terrororganisation Hamas hat die Geisel an das Rote Kreuz übergeben

 12.05.2025 Aktualisiert

Margot Friedländer

»Ihrem Vermächtnis gerecht werden«

Am Freitag starb die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin im Alter von 103 Jahren in Berlin. Ein persönlicher Nachruf

von André Schmitz  10.05.2025

Berlin

Margot Friedländer erhält Bundesverdienstkreuz

Erst vor einem Monat erhielt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer den Preis des Westfälischen Friedens. Nun verleiht ihr der Bundespräsident die höchstmögliche Auszeichnung der Bundesrepublik

 09.05.2025

USA

Israelfeindliche Proteste an der Columbia University

Die Aktivisten demonstrieren gegen die Abschiebung des Studenten Machmud Chalil, dem die Regierung eine Unterstützung der Hamas vorwirft

 08.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Berlin

Auswärtiges Amt gegen dauerhafte Besatzung des Gazastreifens

Das Auswärtige Amt in Berlin reagiert besorgt und kritisiert abermals Israel. Gaza gehöre den Palästinensern. Die weiterhin von der Hamas gehaltenen Geiseln kommen in der Erklärung offenbar nicht vor

 06.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Berlin

AfD klagt gegen Einstufung des BfV

Die rechtsextremistische Partei will nicht als solche eingestuft sein. Die Klage ist keine Überraschung

 05.05.2025