Galei Zahal

Mit Ausstrahlung

von Eldad Beck

Mein Titel beim Armeesender »Galei Zahal« war etwas ominös: Zwischen 1983 und 1987 war ich »zuständig für arabische Angelegenheiten«. Offensichtlich meinte man damit die arabische Welt, die sich für viele Israelis irgendwo anders abspielte – nur nicht bei uns. Meine Kollegen und ich waren die Ersten, die Berichte aus den besetzten Gebieten sendeten, was nicht ganz einfach war. Nicht aus politischen Gründen, sondern weil wir ja im Dienst waren und Uniform sowie unsere Waffe tragen mussten. Viele Palästinenser wollten verständlicherweise unter diesen Umständen nicht mit uns reden.
Eines Tages führte ich ein Interview mit dem christlichen Bethlehemer Bürgermeister Elias Freidsch, der als gemäßigte politische Kraft galt. Das Gespräch wurde vom zuständigen Redakteur aus technischen und zeitlichen Gründen ein wenig gekürzt; allerdings war der englische Originalton unter dem hebräischen Voice-Over noch zu hören. Bereits am nächsten Tag gab es eine Anfrage der linken Parteien, die in Opposition zum damals regierenden rechten Likud standen. Man wollte wissen, wieso die Armee einen moderaten Palästinenser zensiert. Eine ganz normale Angelegenheit wie eine Kürzung wurde zu einem Thema, mit dem sich das israelische Parlament beschäftigte. Diese Geschichte illustriert, welche besondere Rolle dem Armeeradio in Israel zukommt.
»Galei Zahal« war nicht als Konkurrenz zum staatlichen Rundfunk gedacht, als es im September 1950 zum ersten Mal auf Sendung ging. David Ben Gurion stellte sich einen Sender vor, der auch der Integration der Neueinwanderer dienen sollte. Da sie ja ohnehin zum Militärdienst eingezogen wurden, sollten sie auch einen Ar-meesender hören, der ihnen auf Hebräisch das Land und die Kultur Israels näher bringt. Aus dem »Pädagogik-Sender« wurde dann aber doch sehr schnell die wichtigste, und vor allem sehr politische Konkurrenz des ziemlich staatsnahen öffent- lich-rechtlichen Rundfunks.
Dabei verfügte der Armeesender über einige Nachteile, die sich als Vorteile erwiesen: Bei »Galei Zahal« arbeiteten als Rekruten naturgemäß junge und noch unerfahrene, dafür aber sehr motivierte Leute. Sie waren nicht nur daran interessiert, kritisch zu berichten. Sie spielen seit Jahren auch immer die neueste Musik. Gut, einige mögen sich beschweren, dass der Sender zu viel New York und zu wenig Orient bringt. Aber dröge ist das Armeeradio nicht. Ganz im Gegenteil.
Außerdem verfügt der Sender seit jeher über ein wesentlich kleineres Budget als dessen Konkurrenten. Wenn man ernst genommen werden wollte, musste man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Auch die politische Kontrolle war im staatlichen Radio vor allem während der ersten beiden Jahrzehnte nach der Gründung Israels viel stärker. Bei »Galei Zahal« hingegen fand die von den staatlichen Medien vernachlässigte Opposition immer ein Forum. Versuche, die Berichterstattung des Senders zu beeinflussen, hat die Opposition deshalb immer abgeblockt.
Wir berichteten, wie die Armee während der ersten Intifada zum Teil sehr hart gegen die Palästinenser vorging. Zuweilen agierten wir in der Grauzone der Illegaliät. Zwischen 1992 und 1994 war ich noch einmal zuständig für »Arabische Angelegenheiten«. Vor dem Abschluss des Osloer Abkommens war es Israelis noch gesetzlich verboten, Kontakt zur Vertretern der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) aufzunehmen. Aber ich konnte ohne Probleme nach Tunis reisen und dort mit den PLO-Funktionären reden. Ganz offensichtlich genossen wir in diesem Fall zwar nicht den Schutz der Opposition, aber das Wohlwollen der soeben neu gewählten Regierung von Itzchak Rabin und Schimon Peres. Kurz nach Abschluss der Osloer Ver- träge gab es überall Graffiti in Israel, in denen es hieß: »Wozu brauchen die Palästinenser einen eigenen Sender? Sie haben doch schon ›Galei Zahal‹.«
Dennoch: Mit den Jahren entwickelte sich ausgerechnet der Armeesender zu einer der kritischsten Stimmen im Land. Das hat Vertrauen geschaffen. Die meisten Leute wollen Nachrichten über unser Militär vom Militärsender hören, eben weil er verlässlich und objektiv berichtet. Auch die meisten Hebräisch sprechenden Auslandskorrespondenten berufen sich auf das Armeeradio.
»Galei Zahal« ist eben kein klassischer Armeesender, der dem Militär ergeben wäre. Man berichtet auch über Dinge, die der Armee sehr unangenehm sind. Politiker äußern sich dort durchaus kritisch über die Armee. Wer allerdings zu weit geht und sich beständig eine zu heftige Kritik erlaubt, der wird nicht auf Dauer dort bleiben. Dass niemandem eine allzugroße Karriere vergönnt ist, der sich dauerhaft überkritisch über seinen Finanzier oder Ver- leger äußern würde, ist allerdings wohl eher der Normalfall.
Eine richtige Wende für den Sender kam mit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Zum ersten Mal kooperierten alle Sender, weil sich das Land in einer absoluten Krisensituation befand und viele Redakteure als Reservisten an die Front mussten. Auf der anderen Seite aber kamen ältere Reservisten, die schon auf eine lange journalistische Karriere und viel Erfahrung zurückblicken konnten, zu »Galei Zahal«. Sie brachten frischen Wind auch in die staatlichen Sender. Sie vermittelten den Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten ein Konzept von wirklich kritischer Berichterstattung.
Seither ist »Galei Zahal« zu einer Art Kaderschmiede für die israelische Medien geworden. Einige Leute, die während des Jom-Kippur-Krieges dort arbeiteten, gründeten 1984 die Zeitung »Chadaschot«, Israels erstes Tabloid-Format. »Chadashot« war auch die erste Zeitung, die sich ganz konfrontativ mit der Zensur auseinandersetzte und sich nicht scheute, Themen anzupacken, die für das Sicherheits-Establishment äußerst peinlich waren. Sie brachten zum Beispiel den Skandal um den »Bus 300« ans Tageslicht. Ein Fahrzeug der Linie 300 von Tel Aviv nach Aschkelon war im April 1984 von vier palästinensischen Terroristen gekapert und in den Gasa-Streifen entführt worden. Ein israelisches Kommando stürmte den Bus; zwei der Terroristen wurden bei dem Schusswechsel getötet, zwei weitere starben angeblich an ih- ren schweren Verletzungen auf dem Weg ins Krankenhaus. »Chadaschot« aber veröffentlichte entgegen den Anweisungen der Militärzensur die Fotos eines israelischen Kollegen, auf dem die beiden lebend und gar nicht so schwer verletzt auf Tragen zu sehen waren. Sicherheitskräfte hatten sie offensichtlich nach der Gefangenahme umgebracht.
»Chadaschot« wurde nur neun Jahre später wegen hoher finanzieller Verluste vom Schocken-Verlag eingestellt. Aber Journalisten des Armeesenders gründeten den ersten israelischen Privatsender »Arutz Schtaim« (Zweiter Kanal). Nachdem dieser Sender langsam zum Establishment gehörte, gründeten wiederum Leute von »Galei Zahal« den Nachrichtensender »Arutz Eser« (Kanal zehn). Das Muster bleibt ähnlich: Die älteren, erfahrenen Kräfte ziehen mit jüngeren Kräften aus dem Armeeradio etwas Neues auf. »Galei Zahal« ist die Urmutter der modernen israelischen Medienlandschaft. Und wahrscheinlich wird sie es noch eine ganze Weile bleiben.

Der Autor ist Deutschland-Korrespondent der größten israelischen Tageszeitung »Yedioth Ahronot«. Er hat sein journalistisches Handwerk bei »Galei Zahal« gelernt.

Capri

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