Einser-Abi

Max, der Denker

Die Jüdische Oberschule in Berlin-Mitte Foto: Uwe Steinert

von Christine Schmitt

Eigentlich hat Max Czollek überhaupt keine Zeit mehr, seitdem die Schule vorbei ist. Am vorherigen Abend war er noch lange mit der Musikauswahl für eine Feier beschäftigt, und auch jetzt klingelt ständig sein Handy. »Okay«, sagt er ins kleine Mo-biltelefon hinein, »20 Sekunden Musik kann ich für dich schneiden.«

Für eine Berliner Tageszeitung schreibt er Artikel für die Seite »Jugend und Schule«, er spielt Jazz-Gitarre, komponiert Songs, singt im Chor, fährt immer mit dem Fahrrad durch Berlin, weil er die S-Bahn nicht mag. Und er hat einen neunköpfigen engen Freundeskreis, der sich »Die Stullen« nennt – und er hat das beste Abitur an der Jüdischen Oberschule dieses Jahrganges geschafft: mit einem glatten Einser-Durchschnitt.

Zugeflogen sei ihm das Zeugnis aber nicht. Er habe schon gepaukt, sagt Max Czollek. »Ich habe an den richtigen Stellen mit Nachdruck gearbeitet. Es gehört doch viel mehr als Lernen zu einer guten Note.« Er habe sich in den vergangenen Jahren im mündlichen Unterricht stark engagiert, denn in den schriftlichen Arbeiten sei er nicht so berauschend, sagt der 19jährige. Wenn er schon in der Schule herumsitzen muß, dann soll es auch keine Zeitverschwendung sein, sondern es soll etwas Sinnvolles dabei herauskommen.

Bei Max ist etwas Besonderes herausgekommen. Er ist einer der wenigen Schüler in Berlin, der ein Abitur mit einem Einserschnitt auf dem Zeugnis hat. Aber das sei nur möglich gewesen, weil er Fächer wie Bio, Chemie, Hebräisch und Französisch abwählen konnte. »Die haben mich total gelangweilt.« Englisch und Philosophie dagegen haben ihn sehr interressiert, und da hat er gerne mitgearbeitet und mitgedacht.
Bis zu seinem Auslandsaufenthalt in Texas in der elften Klasse sei er kein überdurchschnittlich guter Schüler gewesen, erzählt Max. Aber auch damals zählte er mit zu den besten Schülern der Jüdischen Oberschule.
Früher habe er noch nicht so recht ge-wußt, was ihn besonders interessiert.

»Da hatte ich in allen Fächern eine Zwei.« Doch das eine Jahr in Amerika hat ihn verändert. Er hat gemerkt, daß er bisher weit unter seinen Möglichkeiten gelernt hat. An seiner Schule in Texas nahm er an einem Wettbewerb teil. Er mußte eine Rede schreiben und sie überzeugend vortragen. Prompt gelang ihm der erste Platz und durfte zur nächsten Runde nach Salt Lake City fahren. »Aber da schied ich gleich aus.« Dennoch: Sein Ehrgeiz war nun geweckt. Wenn er die Schule weitermachen wolle, dann müsse er wenigstens etwas mitnehmen, beschloß er damals »und haute rein«.

»Ich hasse diese Frage. Das weiß ich nicht«, antwortet er, wenn er gefragt wird, was er studieren möchte. Er will sich Zeit lassen mit einer Entscheidung. »Jetzt habe ich die Verantwortung für mein Leben in meiner Hand«, sagt der Friedrichshainer. Er will sich treiben lassen, hofft, viele Menschen zu treffen, von denen er etwas lernen kann. Außerdem will er noch ein bißchen Urlaub mit seinem Freundeskreis »die Stullen« in St. Petersburg machen und dort an einem Treffen von Juden, Christen und Muslimen teilnehmen. Danach verreist er mit seiner Freundin, Schwester, Mutter und Stiefvater. Dann geht es noch einmal für einige Monate nach Texas und Mexiko.

Eigentlich hätte Max gerne noch die Fahrradstrecke an der Weinstraße entlang abgefahren. »Die soll so schön sein.« Aber dafür sei der Sommer nicht lang genug.

Poster von Star Wars, Matrix, Bob Marley, Jimi Hendrix, eine Weltkarte und die Landkarte aus »Herr der Ringe« hängen in seinem Zimmer an den Wänden. »Sie sind nicht gerade aktuell für mein Leben, aber ich mag sie.« Gerade an den Porträts der Musiker, die er aus Amerika mitgebracht hat, hängt er. Etwa 1000 Bücher stehen in den Regalen. Allein 20 bis 30 hat er in den vergangenen Wochen gelesen.

Zu seinen Lieblingsautoren zählen Friedrich Nietzsche, Franz Kafka, Kurt Tucholsky und Jean-Paul Sartre. »Bücher bedeuten mir sehr viel.« Schließlich hatte sein Vater ihm früher abends immer am Bett vorgelesen. Der Liedermachen hatte den Sohn auch an Musik herangeführt. Und an die jüdischen Wurzeln seiner Familie. Max’ Großvater, Walter Czollek, überlebte das Konzentrationslager, flüchtete nach China und ging dann als überzeugter Kommunist in die nun untergegangene DDR. »Leider ist mein Großvater gestorben, als mein Papa 13 Jahre alt war«, sagt Max Czollek. Und auch er verlor seinen Vater im selben Alter.

»Ich möchte emotional intelligent sein und gut mit Menschen umgehen können«, sagt der junge Mann. Hilfsbereitschaft findet er wichtig. »Früher habe ich meinem kranken Vater öfters helfen müssen, das habe ich immer sehr gerne gemacht.« Die Fähigkeit, zu denken, möchte er weiter ausbauen. Aber eines konnte er bisher beim besten Willen nicht lernen: »Ich schaffe es nicht, mir Namen zu merken. Da bin ich hoffnungslos verloren.«

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