Jewrovision

Love is in the Air

von Marina Maisel

Es liegt was in der Luft und das muss Liebe sein. Warum sonst strömten an die 500 Jugendliche aus 27 deutschen Städten am Wochenende in die Bayerische Landeshauptstadt, wenn es nicht dieser wunderbaren Luft wegen wäre, die sich offenbar in München besonders gern ausbreitet. Davon können die Einwohner der Stadt längst ein Lied singen. Bobby Epstein und Joel Schilling können es auch und eröffneten am vergangenen Samstagabend mit ihrem Song »Love is in the air« die Jewrovision 2008, die unter diesem Motto das Hohe Lied der Liebe singen will.
Das Münchner Jugendzentrum »Neshama« hatte vergangenes Jahr den ersten Platz in Dortmund gewonnen und damit die Ehre, die Gäste aus ganz Deutschland zu sich nach München einzuladen. Seit sieben Monaten bereitet »Neshama« diese große Aktion vor. Das komplette Hotel Meininger wird gebucht, die gewaltige Georg-Elser-Halle für die Hauptveranstaltung geordert und das Wichtigste: ein ganz besonderes Programm vorbereitet. »Die Kinder sollten sich einfach kennenlernen können«, sagt Lorin Nezer, der Leiter des Jugendzentrums »Neshama«, zu seinem Konzept. Jugendliche gleicher Altersstufen kamen darum in jeweils eine Gruppe. Fünf Programme wurden am Freitagabend angeboten. »Es war ein toller gemeinsamer Schabbat«, begeisterte sich Rosch Yarden Lahad aus Düsseldorf. »Ich habe so etwas noch nicht erlebt.« Der Düsseldorfer Rosch war nicht allein mit seiner Begeisterung für den gemeinsamen Schabbat. Für viele Jugendliche ist der Schabbatgottesdienst in der neue Ohel Jakob Synagoge ein besonderes Erlebnis. »Die Synagoge ist sehr groß und sehr beeindruckend«, sagt Jacqueline Mackin aus Berlin. Für Michael Pomogaylo aus Recklinghausen wirken die neuen Gebäude wie die Klagemauer. Den Gang der Erinnerung, der das Gemeindezentrum mit der Synagoge verbindet, findet Liviya Flamme aus Stuttgart sehr wichtig.
Seit ihrer Eröffnung war die Hauptsynagoge Ohel Jakob noch nie so voll. Es mussten extra Stühle hineingestellt werden. Es war eng, aber der bewegenden Atmosphäre tat das keinen Abbruch. Am Samstag nach dem Gottesdienst ging es weiter. Sechzehn Peuloth laufen parallel in verschiedenen Räumen des Gemeindezentrums. Auch Madrichim und Betreuer aus anderen jüdischen Jugendzentren haben an diesen Tagen die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Während die Fans Peuloth haben, stimmen sich schon die Künstler in den Georg-Elser-Hallen ein. Die jungen Solisten singen sich ein, Tänzer testen die Bühne, die Theatercouch und die Bühnenmaske werden belagert. Dennis Katz aus Frankfurt am Main freut sich, wie toll es sei, »dass das Konkurrenzgefühl bis Samstag Abend gar nicht da war.«
»Das war auch unser Ziel«, erzählt Lorin Nezer. »Bis jetzt war die Jewrovision in erster Linie ein Wettbewerb, ein Konkurrenzkampf, wir wollten das Gemeinschaftsgefühl.« Das Motto »Love is in the air« hat zu einer freundschaftlich verbundenen Stimmung geführt. Beigetragen haben dazu neben den fünfhundert Teilnehmern auch mehrere hundert begeisterte Gäste. Präsidentin Charlotte Knobloch begrüßte neben der hochkarätigen Jury auch die Vorsitzende des Kreisjugendrings München Stadt, Karin Ruckdäschel, die sich »ernorm für die jüdische Jugend einsetzt«. Ihr Dank für die grandiose Arbeit ging auch an die Organisatoren und hier vor allem an Stanislav Skibinski, den Leiter der Abteilung Kinder, Jugend und Familie der IKG sowie an Lorin Nezer. Mit »viel Hazlacha, toi, toi, toi. Die Jewrovision ist eröffnet«, wünschte sie nicht nur den Münchnern sondern allen Teilnehmern viel Glück. Mit Hawa Nagila brachte die Münchner Gruppe Stimmung in die Halle. Lorin Nezer stellte sein musikalisches Können unter Beweis und sang im Duett mit Genya Zayaruznaya »Jeled bo habaita«, das Siegerlied vom letzten Jewrovision in Dortmund. Aber Wettbewerb ist Wettbewerb und die Moderatoren Anna und Igor stellten nach »Herzlich Willkommen! – Dobro Poschalowat!« die 14 Mannschaften vor. Eine elfköpfige prominent besetzte Jury mit unter anderem Susan Sideropolous, Sabina Gililov-Morein, Kriemhild Jahn, Ralph Siegel, Robert Nieman, Omri Ronen, André Kaminski und Shona Frasor hatte je ein Video und eine Show von jeder Gruppe zu bewerten. Es ist nicht einfach, als Erster in einen Wettkampf zu gehen, aber die Berliner lässt das offenbar kalt. Auf zwei großen Leinwänden läuft ihr Video. Die heiße Gruppe auf der Bühne, »Olam Berlin«, mit zwanzig Performern, Livemusik, starken Stimmen und einer Mischung aus klassischem Gesang und Rap, begeistert auf Anhieb. »Das war super! Das war elegant!«, schreien die Fans, und die Berliner sichern sich den zweiten Platz.
Die Städte Augsburg und Hagen zeigen sich da ganz anders und schicken nur je eine Sängerin in den Wettbewerb. »Die zwei Damen waren ganz allein«, bemerkte bei der Bewertung Shona Frasor, die als Jury-Mitglied bei »Deutschland sucht den Superstar« bekannt ist. Laura Margolin aus Hagen fand das absolut o.k. Sie singt schon lang im Chor und tritt oft als Solistin auf. Das 12-jährige Mädchen hat mit ihrem Mut ihrer Stadt einen 8. Platz erkämpft.
Die Dortmunder stimmen erst »Kalinka-Malinka« an, dann leichte französische Melodien. Mit ihrem romantischen Gesang und der genauen Tanztechnik haben »Emuna Dortmund« den dritten Platz geschafft. Im Jahr 2002, bei der ersten Jewrovision, waren sie die Sieger und entschieden auch den Wettbewerb 2006 für sich. »Damals, in Bad Sobernheim«, erinnert sich Dani Neubauer, der Erfinder der Jewrovision, »sind nur sechs Mannschaften aufgetreten und es gab nur hundert Gäste.«
In diesem Jahr wird noch eine Mannschaft zum zweiten Mal Jewrovision-Sieger. Eine Liebesgeschichte, die in einem Video erzählt wurde, hat Publikum und Jury gleichermaßen berührt und überzeugt. Lew Becker spielt darin einen schüchternen Jungen, der sich nichts zutraut. Er muss zur Jewrovision fahren und dort öffentlich auftreten. Er kann sich dazu nur überwinden, weil er das Mädchen Natali trifft, die ihn unterstützt. Die altbekannte Weise »New York, New York« von Frank Sinatra mit einem neuen Text überzeugte die Jury. Die gute Arbeit der Madricha Maja Markowitz, von der Text und Choreografie stammen, gepaart mit der Stimme und Ausstrahlung Lew Beckers haben den Düsseldorfern den verdienten 1. Platz gebracht. »Ich habe mich selbst geändert, ich habe es geschafft!«, freut sich Lew.
Das Video von Köln, in dem Borat auftaucht, sorgt für viel Heiterkeit beim Publikum, die sich noch steigert, als sein Darsteller selbst auf die Bühne kommt. Als »politisches Video« wurde der Nürnberger Beitrag bezeichnet. Über den ermordetn Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, das große Vorbild, erzählen »Re‹ut Karlsruhe« in ihrem Film. Mannheim und Hannover, Frankfurt und Wiesbaden präsentieren sich ebenfalls mit Video, Tanz und Gesang.
Es ist schon längst nach Mitternacht, als die Gastgeber auftreten. »I am captured by the Music once a Year! Darum sind wir gemeinsam hier: Nord und Süd, und Ost und West.« Auf den bunten T-Shirts der jungen Sänger sind die Namen der teilnehmenden Städte geschrieben. Die Münchner teilen sich für diese Darbietung zusammen mit Stuttgart den 4. Platz und alle freuen sich gemeinsam auf den nächsten Treff. »Wir treffen uns einmal im Jahr zur Jewrovision und das soll man nicht vergessen«, hatte »Neshama« gesungen. »Wir sind ein Jugendzentrum«, tönte es im Münchner Beitrag von der Bühne. In der Halle waren die jungen Vertreter der jüdischen Gemeinde längst zu dem einen Jugendzentrum Deutschland verschmolzen.
Diese Einigkeit und Harmonie wurde greifbar beim Abschied am nächsten Tag im alten Rathaus. Stadtrat Josef Schmid gratulierte den Jugendlichen zu ihrem Engagement und überbrachte die Grüße des Oberbürgermeisters Christian Ude. Für die IKG gratulierte Vorstandsmitglied Peter Guttmann. Die Anwesenheit von 500 Jugendlichen aus ganz Deutschland im Alten Rathaussaal, in dem die Reichspogromnacht ihren Ausgang nahm, sei für ihn ein Beweis, dass Hitlers Pläne gescheitert seien.
Mit der Hatikwa setzten die Jugendlichen Zeichen für eine Zukunft, in der die Liebe nicht nur in der Luft liegt.

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