George Tabori

Letzter Vorhang

von Wolf Scheller

Die Welt kannte ihn als Theatermacher und Stückeschreiber, als Regisseur und Schauspieler, gelegentlich auch als Intendanten. Er hat mit Chaplin und Beckett, mit Hitchcock und Joseph Losey gearbeitet, mit Anatol Litvak und Elia Kazan. George Tabori, der zuletzt in Berlin lebende Brite ungarischer Muttersprache, war wahrscheinlich die interessanteste Autorität auf den deutschsprachigen Bühnen.
Dabei stand dem Theatermann der Schreiber Tabori mindestens gleichwertig zur Seite. Der Steidl-Verlag hat in den vergangenen Jahren die Romane Taboris neu aufgelegt, Bücher, deren Inhalt sich oft am Kriminalroman und am »film noir« der vierziger Jahre orientiert. Gefährten zur linken Hand aus dem Jahr 1946 gehört zu diesen Entdeckungen. Das Buch erzählt von den Erfahrungen eines berühmten Autors, der sich während des Kriegssommers 1943 in einem kleinen italienischen Ort an der Adria einquartiert und mit dem Drama des Krieges konfrontiert wird.
Schon mit seinem Erstling Das Opfer, der noch während des Krieges in England und Amerika erschien, landete Tabori einen Überraschungscoup. Ausgerechnet der 1936 emigrierte ungarische Jude Tabori machte in dem Buch einen Major der deutschen Besatzungsmacht in Jugoslawien zum Ich-Erzähler. Das sorgte für Empörung vor allem bei der amerikanischen Kritik. Tabori hatte diesen Roman während des Krieges in Istanbul geschrieben, wo er als Zeitungskorrespondent und zugleich für den britischen Geheimdienst tätig war. Unbedingt lesenswert ist auch Tod in Port Aarif, die literarisch verarbeitete Frucht von Erfahrungen, die Tabori als Offizier der britischen Armee in Jerusalem und in Kairo gesammelt hatte. Ähnlich wie in dem späteren Roman Ein guter Mord (1947) beschreibt er hier den Einfluss des Klimas auf die Energie des Menschen.Ventilatoren und Insektenvertilger hatten keinen geringen Part in diesem Nahost-Roman zu spielen.
Es geht in diesen frühen Romanen Taboris auch immer wieder um die zentralen existentiellen Themen, um Probleme der Geschichtsphilosophie, um Materialismus und Moral, vor allem aber um Leben und Tod. Der Ort, an dem er diese Fragen aber wirklich ins Zentrum stellte, war die Bühne. Dort war der Theatermann Tabori meist mehr mit sich im Einklang als im Roman. Theater hatte er noch in Amerika bei Bertolt Brecht gelernt, dessen Denkmuster und dialektischer Witz immer wieder auch in Taboris Texten auftauchen. Noch im vorigen Jahr feierte Tabori beim Berliner Ensemble die Erinnerung an den Stückeschreiber Brecht.
Etwa zwanzig Arbeiten hat George Tabori für das Theater geschrieben. Als Augenzeuge des Jahrhunderts, in dem ein Großteil seiner Familie von den Nazis ermordet wurde, hat er sich dabei in Stü-cken wie Mein Kampf, Goldberg Variationen, und Mutters Courage immer wieder mit den Themen Judentum und Schoa auseinandergesetzt – auf seine, die satirisch-groteske Art. Als er 1968 erstmals in Deutschland arbeitete und am Schiller-Theater in Berlin sein wohl bekanntestes Stück Die Kannibalen inszenierte, gab es einen Skandal. Die Geschichte von KZ-Häftlingen, die einen Leidensgenossen umbringen und verspeisen, war für das deutsche Publikum zu viel.
Wien, Berlin, München, Salzburg und Budapest, wo er 1914 geboren wurde, haben George Tabori als Autor und Regisseur erlebt. Seine Stücke und Inszenierungen boten etwas, das dem zeitgenössischen Theater sonst häufig fehlt: Witz, Persönlichkeit, Schwung und jenes Gran Unberechenbarkeit, das dem Bühnenerlebnis erst Würze verleiht. Sich selbst bezeichnete Tabori gerne als notorischen Lügner, pathologischen Frauenfreund, als lebensmüden Greis oder unverbesserlichen Sunnyboy. Fügt man eine Prise Charme, geistvollen Witz und Genie hinzu, ergibt das eine Persönlichkeit, die in der deutschen Theaterlandschaft einzigartig war. Am Montag ist George Tabori 93-jährig in Berlin gestorben.

Erfurt

Israelischer Botschafter besucht Thüringen

Botschafter Ron Prosor wird am Montag zu seinem Antrittsbesuch in Thüringen erwartet

 15.03.2025

Berlin

Antisemitische Farbschmiererei an Hauswand in Berlin-Mitte

Die Gedenktafel in der Max-Beer-Straße ist Siegfried Lehmann (1892-1958) gewidmet

 14.03.2025

Berlin

Bundesregierung begeht Gedenktag für Opfer von Terror

Im Auswärtigen Amt werden dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet

 11.03.2025

München

Mann soll Plagiat wegen Obduktion seiner toten Mutter inszeniert haben

War es ein irrer Racheplan? Ein Mann soll mit der Fälschung eines Buches einem Rechtsmediziner geschadet haben. Seine Verteidigung fordert Freispruch – und auch er selbst äußert sich sehr ausführlich.

 07.03.2025

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025