Häfen

Letzte Grenze Schabbat

von Wladimir Struminski

Alle Macht den Arbeiterräten! In den israelischen Häfen war die alte sowjetische Losung bis vor einem Jahr ein Stück Realität. Der brummende Kapitalismus im jüdischen Staat wurde ausgerechnet in einem seiner wichtigsten Wachstumsmotoren ausgebremst: den Häfen. Die drei israelischen Warenumschlagshäfen – Haifa, Aschdod und Eilat – waren Teil der Hafenbehörde, einer nachgeordneten Dienststelle des Verkehrsministeriums. Allerdings hatte der Eigentümer, also die Regierung, nur bedingt etwas zu sagen. Die von der mächtigen Arbeitnehmervertretung durchgesetzten Löhne und Gehälter waren nicht nur für israelische Verhältnisse, geradezu üppig: nach Angaben der damaligen Direktion umgerechnet 6.000 Euro brutto für einen einfachen Hafenarbeiter.
Das Arbeitstempo war gemächlich. Schiffe, die ihre Ladung löschen wollten, mußten viele Stunden vor der Küste ausharren. Damit verloren die Spediteure jedes Jahr Hunderte Millionen von Dollar, für die letztendlich der israelische Verbraucher über höhere Produktpreise aufkommen mußte. Versuchen, den für die Arbeitnehmervertretung paradiesischen Gang der Dinge zu ändern, widersetzten sich Betriebsrat und Gewerkschaftsbund Histadrut notfalls mit ihrer schärfsten Waffe: Streik.
Im Sommer 2004, als die Regierung eine tiefgreifende Hafenreform durchzusetzen suchte, legten die Beschützer des Proletariats die Häfen wochenlang lahm. Alle Aufrufe der Wirtschaft, das in seinem Außenhandel zu 98 Prozent auf Seetransport angewiesene Land nicht vom Rest der Welt abzuschneiden, nutzten nichts.
Aber auch das Kabinett unter Ministerpräsident Ariel Scharon und seinem reformbegeisterten Finanzminister Benjamin Netanjahu blieb stur. Und so trat vor einem Jahr, im Februar 2005, die von der Knesset beschlossene Hafenreform endlich in Kraft.
Seitdem wird jeder der drei Häfen von einer staatseigenen, aber separat wirtschaftenden Gesellschaft betrieben. Für die Ha-fenentwicklung und die Verwaltung des Hafenvermögens ist zentral die Israel Ports Development and Assets Company (IPC) zuständig. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen zieht IPC-Generaldirektor, Amos Ron, eine Bilanz des ersten Reformjahres. Die Kernaussage lautet: »Das Monopol gibt es nicht mehr. Jetzt müssen die Häfen miteinander um Kunden konkurrieren.« Und Konkurrenz macht bekanntlich Beine. »Die Zahl der Arbeitsstunden ist gestiegen«, berichtet Unternehmensleiter Ron. »Hatten die Häfen vor der Reform zwanzig Stunden am Tag gearbeitet, so sind es heute 23,5. Mehr ist nicht möglich. Eine halbe Stunde wird für die Wachablösung zu Beginn des neuen Tages benötigt.«
Auch die Zahl der mit dem Löschen und Beladen befaßten Arbeitskräfte ist gestiegen, es gingen also keine Jobs verloren. Als Folge schmelzen die Wartezeiten für Schiffe: In Haifa auf zwei Stunden und in Aschdod, wo das Problem in der Vergangenheit weit schwerwiegender war, auf acht. Über diese beiden Häfen werden 94 Prozent des gesamten Warenumschlags abgewickelt. »Die Kunden sind zufriedener«, sagt Ron.
Am Ziel sind die Hafengesellschaften allerdings mit diesen Zahlen noch lange nicht. Sie wollen die Wartezeiten auf eine Stunde zu drücken – das wäre auch international ein respektables Maß. Doch in Zeiten der Globalisierung, die zu einem überwiegenden Teil auf dem Wasser abgewickelt wird, sind konkurrenzfähige Häfen ein zentraler Wirtschaftsfaktor.
Ein weiteres Merkmal der neuen Ära sind sinkende Arbeitskosten. Zwar wurden die Ver- tragsmodalitäten der alten Belegschaft auch für die Zeit nach der Reform gesichert. Wer aber erst jetzt in die Dienste eines der Hafenbetreiber tritt, muß sich – Spätschichten und Prämien inbegriffen – mit 3.000 Euro pro Monat begnügen, also der Hälfte des bisherigen Tarifs, der aber im Landesschnitt nach wie vor sehr ordentlich ist. In dem Maße, in dem der natürliche Generationenwechsel in den Belegschaften voranschreitet, werden sich erhebliche Ersparnisse im Personalbudget der Betreiberge- sellschaften bemerkbar machen. Dadurch werden Mittel für Investitionen frei.
Und die sind mehr denn je angesagt. Die Häfen müssen ihr Leistungsangebot nicht nur weiter verbessern, sondern auch ausbauen. Zum einen, weil die heutigen Kapazitäten den ständig anschwellenden israelischen Handelsströmen kaum noch gewach- sen sind. Einer Prognose zufolge wird der Warenumschlag der drei Häfen im Jahr 2020 auf 65 Millionen Tonnen klettern – drei Viertel mehr als im Jahr 2004.
Außerdem wollen die Betreiber ihre Unternehmen zu sogenannten Drehscheiben machen. Damit sind Häfen gemeint, in denen mit großen Schiffen Waren für verschiedene andere Destinationen ankommen und auf kleinere Schiffe umgeladen werden. In Haifa entfällt jetzt schon ein Drittel des Gütervolumens auf das Umladegeschäft. Die Waren werden nach Griechenland, in die Türkei oder nach Ägypten weiterbefördert. Über Dritthäfen wird sogar der Libanon beliefert. Allerdings ist die Drehscheibe Haifa noch ausbaufähig. Auch Aschdod will eine Scheibe vom Kuchen, wenngleich es bestehenden Ausbauplänen zufolge erst in sieben Jahren Umladedienste anbieten kann.
Wie so vieles in Israel, wirft inzwischen auch die Hafenreform in Israel die Gretchenfrage auf: »Wie hältst du’s mit der Religion?«. Während an den Kais in Haifa an sieben Tagen in der Woche Betrieb herrscht, halten die Konkurrenten in Aschdod und Eilat die Schabbat-Ruhe ein.
Im real existierenden Kapitalismus ist das ein gravierender Wettbewerbsnachteil, den Haifa aus demographischen Gründen ausgleichen kann. Der dortige Hafen kann am Schabbat auf nichtjüdische Arbeitskräfte zurückgreifen, vor allem Drusen aus umliegenden Dörfern, aber auch Angehörige anderer Minderheiten. In Aschdod und Eilat gibt es nicht genügend solcher Arbeitskräfte. Also müßten Juden die verbotene Werkstätigkeit am Ruhetag verrichten.
Daß sich an der unterschiedlichen Regelung in nächster Zeit etwas ändern wird, bezweifelt sogar Generaldirektor Ron. Und so findet der israelische Kapitalismus am heiligen Tag der Woche doch noch seine Grenzen.

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