Jom Haazmaut

Laut, lustig und lehrreich

Dienstagabend, Jüdisches Gemeindehaus, Fasanenstraße: Der große Saal ist mit blauweißen Stoffen, Fahnen und Ballons geschmückt. Der 58. Unabhängigkeitstag Israels soll gefeiert werden. Doch zu Beginn der eigentlich freudigen Veranstaltung steht die Trauer um Paul Spiegel sel. A. im Vordergrund. Gemeindechef Gideon Joffe und der Gesandte der Israelischen Botschaft, Ilan Mor, würdigen Werk und Leben des Zentralratspräsidenten und erheben sich mit den Anwesenden zu einer Gedenkminute. Anschließend sagt Joffe, daß Paul Spiegel es sicherlich gewollt hätte, »daß die Solidaritätsfeiern mit dem Staat Israel laut und fröhlich werden«. Dafür sorgen dann auch die Bigband unter Leitung von Boris Rosenthal und die Tanzgruppen des Jugendzentrums »Olam«. Zwischen Musik und Tanz die Reden. Dabei betont Gemeindechef Gideon Joffe: »Es ist unsere Pflicht als Juden, die Freude um die Existenz Israels laut zu verkünden«, damit auch in Berlin deutlich werde, »daß Israel überall auf der Welt Freunde hat, und daß Israel Freude macht.« Der Gesandte Ilan Mor verweist in seiner Ansprache darauf, daß sich Israel zu einem modernen und pulsierenden Land entwickelt habe. »Heute mehr als je zuvor geht es darum, wie wir das enorme positive Potential Israels und seine Energien mit der politischen Realität im Nahen Osten in Einklang bringen.« Israel sehne den Tag herbei, so Mor, an dem der jüdische Staat seine Ressourcen voll ausschöpfen könne, statt sie für den Überlebenskampf und den Kampf gegen den Terror verwenden zu müssen. »Bei der Verwirklichung dieser Wünsche brauchen wir die Unterstützung unserer Freunde in Deutschland und in aller Welt.« Der Staat Israel sei heute mehr als je zuvor auch auf die Unterstützung der jüdischen Gemeinden in der ganzen Welt angewiesen. »Sie sind unsere Partner bei der Realisierung dieses Traums.«

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Rotes Licht, zwei Räume, Garderobe und Bar. Der Bohannon Club in der Dircksenstraße nahe dem Hackeschen Markt ist einer von vielen Clubs in Berlin. Ganz ungewöhnlich ist dagegen die Party, die hier am Dienstagabend veranstaltet wird. »Jom Haazmaut zu feiern bedeutet, keine normale Party zu machen«, sagt Rimon Zilberg. Der junge Mann, der sich in der Berliner Partyszene DJ Sugar Ray nennen läßt, hat die Feier zum israelischen Unabhängigkeitstag organisiert. »Als Zielgruppe haben wir feierfreudige, jüdische Menschen zwischen 25 und 45 im Visier«, er- klärt er. »Sehr nett« findet es zum Beispiel Shila. Die 21jährige Botschaftsangestellte lebt seit einem Jahr in Berlin und freut sich, das Tel Aviver Nachtleben ersetzt zu bekommen. »Ich muß weitertanzen«, ruft sie und verschwindet in der Menge. Auf der Tanzfläche ist die Party längst zu einer einzigen feiernden Menge geworden. Rimon Zilberg alias DJ Sugar Ray spielt einen ausgefallenen Mix aus israelischer Musik und internationaler Chartmusik. »Super Stimmung hier«, sagt der 19jährige Sivan und bedauert, daß er schon nach Hause gehen muß , »aber morgen habe ich wieder Schule.« Auch die anderen Gäste bleiben nicht allzulange. So ist die Party zwar gegen halb drei zu Ende. Aber kaum jemand verläßt den Club ohne ein Lächeln auf den Lippen. Medizinstudentin Libi, 25: »Es ist schön, solche Partys auch außerhalb Israels zu finden. Man trifft fast immer Leute, die man kennt, und man lernt zusätzlich interessante Leute mit ähnlichen Interessen kennen.« Rimon Zilberg freut sich. Der Mann mit der roten Mütze und der gelben Sonnenbrille plant bereits die nächsten jüdischen Partys. »Und selbstverständlich sind wir auch nächstes Jahr zum Jom Haazmaut wieder am Start.«

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Getanzt, getrunken und geflirtet wird bei ihnen am Donnerstag nicht, dennoch sind die Schülerinnen und Schüler der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule sehr zufrieden. Informativ sei die Veranstaltung, »überhaupt nicht langweilig«, vor allem aber »neutral«, loben die jungen Leute immer wieder. Die israelische Botschaft hat zu diesem Projekttag unter dem Motto »Israel – anders kennenlernen« eingeladen, um Schülern der 11. bis 13. Klasse und ihren Lehrern einen Einblick in den israelischen Alltag anzubieten. So finden Workshops zu den Themen Musik, Religion, Umweltschutz, Schüleraustausch und »Real Life« statt. Die Schüler haben sich bestens vorbereitet und verlangen Antworten auf heikle Fragen der Politik im Nahen Osten: »Ist der Rückzug der Siedler aus einigen Gebieten ausreichend, um Frieden zu schaffen?«, wollen sie unter anderem von Botschaftsrat Joel Lion wissen. Am Ende eines langen Tages dann die Stars: Schauspielerin Susan Sideropoulos (Verena Koch aus »Gute Zeiten Schlechte Zeiten«) und Sängerin Maya Saban erzählten von ihrem Verhältnis zu Israel und stellen sich den Fragen. Für Susan Sideropoulos, deren Mutter aus Israel stammt, Vater aus Griechenland, und selbst in Hamburg geboren, ist Israel vor allem ein schönes Urlaubsland. Auf die Frage nach ihrem Bezug zum Judentum verrät sie, daß ihre bevorstehende Hochzeit nach jüdischer Tradition geplant sei – und ihre Familie noch internationaler werde, da die Eltern des Bräutigams aus Rußland stammen. Maya Saban, deren Vater Israeli syrischer Abstammung ist, bezeichnete sich als »nicht sehr religiös, aber traditionell«. Für sie sind jüdische Israelis und Palästinenser »eigentlich Geschwister«. »Beide sollten das Recht auf einen eigenen Staat haben«, sagte sie, und erntet damit viel Beifall beim Publikum.

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Israel liegt mitten in Berlin. Zumindest für einen Tag, an dem der Verein »I like Israel« zwischen der Ruine des Palasts der Republik, dem Berliner Dom und dem Auswärtigen Amt die israelischen Fahnen wehen läßt. Es gibt Falafel, Humus und Tehina, israelischen Wein, Bamba, Judaica und jede Menge Informationen und Prospekte. In der Mitte des Platzes verbindet eine Figur den Ort mit dem Anlaß. Ein etwa ein Meter hoher Bär dient hier als symbolische Glückwunschkarte für den 58. Geburtstag Israels. Mit dicken schwarzen Stiften beschriften die Festbesucher das weiße Berliner Wappentier. Auch Michel Friedman verewigt sich darauf. Der Publizist hält auch die Eröffnungsrede für den Jahrestag der Staatsgründung: »Ein Tag, an dem der junge Staat seine Vitalität wieder beweist, wieder beweist, wie viel Leidenschaft bei den Menschen vorhanden ist.« Trotz Terror und Bedrohung »wird in Israel gelebt, gesungen und geforscht«, so Friedman weiter. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ergänzt: »Wenn Israel bedroht wird, ist es nicht Israel, das gemeint ist, sondern unsere Kultur, unser Lebensgefühl und unsere Weltoffenheit.« Manche Besucher haben eine weite Reise angetreten, um den Israel-Tag in der deutschen Hauptstadt zu begehen. Menachem Zimmerman ist zum Beispiel aus Baden-Württemberg gekommen: »Ich habe Urlaub und zeige hier meine Solidarität zu Israel.« Schließlich brauche Israel viele Freunde. Botschaftsrat Joel Lion zeigt sich angetan von der Veranstaltung, von der »demonstrativen Solidarität und Entschlossenheit«. Auch die Organisatoren sind mehr als zufrieden. »Es sind deutlich mehr Leute als im vergangenen Jahr gekommen«, sagt Marat Schlafstein. Der Jüdischen Allgemeinen erzählt der junge Mann, wie sehr ihn der Israel-Tag bewegt: »Wenn die vielen Luftballons gleichzeitig in die Lüfte steigen und wir zum Abschluß die Hatikwa singen, bekomme ich eine Gänsehaut.«

Texte von Johannes Boie, Dirk Hempel, Detlef David Kauschke und Sophie Neuberg

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