USA

Kein Frieden um jeden Preis

von Daniela Breitbart

Schalom Bajit, der häusliche Frieden, ist ein zentrales Ideal im Judentum. Unter der Chuppa versprechen sich jüdische Ehepartner gegenseitig Achtung und Respekt. Immerhin wurde Eva von Gott als körperlich wie geistig gleichberechtigter Partner für Adam geschaffen, lernen wir aus der Bibel. Solche Botschaften der jüdischen Tradition machen es uns schwer zu akzeptieren, dass es auch unter hoch angesehenen, wohl erzogenen oder »ganz normalen« jüdischen Männern und starken, unabhängigen Frauen Gewalt und Missbrauch gibt. Jüdische Familien seien von Natur aus stabil, erfüllt von Liebe und immun gegen Missbrauch, heißt es. Doch ob gebildet oder nicht, arm oder reich, streng religiös oder nicht: Häusliche Gewalt ist auch in jüdischen Familien eine Tatsache. »Wir müssen uns dieser Erkenntnis stellen und handeln«, sagt Rabbi Lisa Gelber.
Eine, die sich das Handeln auf die Fahnen geschrieben hat, ist Deborah Rosenbloom von Jewish Women International (JWI). Sie rief eine interreligiöse und interkulturelle Union ins Leben, die als Fürsprecher der Opfer häuslicher Gewalt Änderungen in Politik und Gesetzgebung er- kämpfen will. Vertreter von protestantischen, katholischen, muslimischen, asiatischen und jüdischen Gruppen sollen an der Vereinigung, die von JWI angeführt wird, teilnehmen. »Gemeinschaftliche Bemühungen sind der einzige Weg, wie wir häusliche Gewalt in Angriff nehmen können«, sagt Salma Abugideiri von der Organisation Peaceful Families Project. »Wir können mehr erreichen, wenn wir unser Wissen und unsere Ressourcen bündeln.« In der vergangenen Woche wurde die »Interfaith Domestic Violence Coalition« in Washington D.C. vorgestellt. Bei der feierlichen Eröffnung kamen auch Überlebende häuslicher Gewalt zu Wort – und hohe Geistliche. Denn religiöse Führer sind oft die ersten Ansprechpartner für die Opfer häuslicher Gewalt, die einen sicheren Ort dafür suchen, über ihren Missbrauch zu reden. Religionsgemeinschafen spielen eine entscheidende Rolle in der Unterstützung und Beratung der Opfer und fungieren häufig als deren Fürsprecher.
Es geht darum, eine wirkungsvollere (Gesetzes-)Politik und mehr Geld für Initiativen und Aktionen gegen häusliche Gewalt zu erreichen. »Wir müssen mit einer Stimme sprechen«, bekräftigt Lori Weinstein, Geschäftsführerin bei JWI. Das Eröffnungs-Briefing stand unter dem Motto »Politik und Überzeugung«: Wie religiöse Gemeinschaften zusammenarbeiten können, um die Gesetzgebung voranzutreiben. Keynote-Speaker Senator Amy Klobuchar: »Die Glaubensgemeinschaft spielt eine wichtige Rolle auf der politischen Ebene als einflussreiche moralische Stimme für Opfer, Überlebende und ihre Familien.«
Mit seiner Inititiative knüpft JWI an den großen Erfolg seiner Konferenz von 2007 zum Thema »Häuslicher Missbrauch in der jüdischen Gemeinschaft« an. Unter dem Motto »Beyond Awareness: Effecting Change« brachte die Konferenz im vergangenen März in Baltimore über 400 religiöse und säkulare Dienstleister, Fürsprecher, Überlebende, Sozialarbeiter, Geistliche und Seminarschüler, Erzieher, Anwälte, Forscher, Politiker, Spender, Finanzierer und Freiwillige zusammen. Ob Laie oder Profi: Die Teilnehmer konnten interaktive Workshops besuchen und Netzwerke knüpfen; für jüdische Geistliche und Sozialarbeiter gab es spezielle Trainings- und Schulungseinheiten. Die Themen reichten vom Gelingen einer gesunden Partnerschaft über sexuellen Missbrauch bis hin zum Einfluss von Gewalt auf Kinder.
Ein Schwerpunkt der Arbeit von JWI liegt auf der Prävention – Kinder und junge Erwachsene sollen früh lernen, wie man eine gesunde Partnerschaft aufbaut, erklärt JWI-Programmdirektorin Deborah Rosenbloom. Zahlen belegen, dass ein Drittel der Teenager in den USA bereits Opfer von Missbrauch geworden ist und junge Frauen zwischen 16 und 24 die höchste Rate von Gewalt in Beziehungen aufweisen. Statistisch ist belegt, dass nur die Hälfte aller Opfer sich überhaupt jemandem anvertraut. Die meisten verdrängen die Vorkommnisse oder schweigen – um des lieben Friedens willen.

Video

Was Sinwar kurz vor dem Überfall auf Israel machte

Die israelischen Streitkräfte haben Videomaterial veröffentlicht, das Yahya Sinwar am Vorabend des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 zeigt

 20.10.2024

Gaza

100.000 Dollar für jede lebende Geisel

Der Unternehmer und ehemalige Sodastream-CEO Daniel Birnbaum hat den »guten Menschen in Gaza« ein Angebot gemacht

 20.10.2024 Aktualisiert

Baden-Württemberg

Jüdisches Mosaik in Karlsruhe beschädigt

War es ein Unfall, Vandalismus oder eine gezielte Tat?

 15.10.2024

80. Jahrestag

Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an ermordete KZ-Häftlinge

Auch mehrere Kinder und Enkel von Opfern nahmen teil

 14.10.2024

Zahl der Woche

Unsere Zahl der Woche

Fun Facts und Wissenswertes

 11.10.2024

Kulturgeschichte

Erfundene Tradition

Wie das Dirndl zuerst jüdisch und dann nationalsozialistisch wurde

von Karin Hartewig  11.10.2024

Berlin

Wanderwitz: AfD »lebt ein völkisch-rassistisches Menschenbild«

Die rechtsextreme Partei vertrete »ihr Ziel der sogenannten Remigration ganz offen«, sagt der SPD-Abgeordnete

 11.10.2024

7. Oktober 2023

Baerbock betont Israels Recht auf Selbstverteidigung

»Wir stehen an Eurer Seite«, sagt die Außenministerin in Richtung Israel

 06.10.2024

Interreligiöser Dialog

»Jede Klasse ist da sehr verschieden«

Muslime und Juden gehen im Rahmen des Projekts »Meet2Respect« gemeinsam an Berliner Schulen

 05.10.2024