Schachgruppe

Jugend am Zug

von Dirk Hempel

Wenn das Team von Trainer Grigori Gorodetski antritt, herrscht Ruhe. Konzentriert schaut die Auswahl von Makkabi Berlin auf Gegner und Spielfeld. Manchmal wird die Stille durchbrochen: wenn sich jemand räuspert, in einen Apfel beißt oder flüsternd einen Kaffee bestellt. Gorodetski schreitet immer mal wieder durch den Raum und wirft seinen Spielern einen nachdenklichen Blick über die Schulter. Er will wissen, was jeder Einzelne macht. Dann kehrt er zurück zu seinem Gegenspieler. Denn auch der Trainer spielt mit.
Schach ist eben kein Sport wie jeder andere. So bietet auch die Liga-Begegnung des TUS Makkabi am vergangenen Sonntag ein ungewohntes Bild. Gegen die Gäste vom SG Weißensee 49, teilweise schon mit ergrautem Haar, hat Gorodetski seine hoffnungsvollsten Talente aufgeboten: Jungen, die größtenteils noch nicht einmal das Teenager-Alter erreicht haben. »Unsere Nachwuchsspieler haben sehr großes Potenzial«, sagt er nicht ohne Stolz.
Rund 40 junge Schachspieler zählt Makkabi Berlin mittlerweile. Einige bringen auch ihre Väter oder Großväter mit. »Bei uns spielen drei Generationen unter einem Dach«, so Gorodetski. Der Trainer sieht es gern, wenn die älteren Verwandten mit von der Partie sind. »Dann ist der Nachwuchs besonders motiviert und engagiert.« Für Gorodetski ist das Teil seines Erfolgsrezepts. Denn ein guter Schachspieler muss nicht nur Talent, sondern auch Zeit zum Üben mitbringen – und wird im besten Fall zuhause dabei unterstützt.
Alexei Kropmann beispielsweise übt täglich anderthalb Stunden. »Ich lese Schachbücher und mache Übungsaufgaben«, erzählt er. Der 12 Jahre alte Kropmann ist Berliner Meister der Unter-14-Jährigen (U14) und spielt seit drei Jahren intensiv Schach. Was ihn an dem Spiel mit den 32 Figuren auf 64 Feldern so fasziniert? »Schach macht mir einfach riesigen Spaß.« Neben den Übungen in den eigenen vier Wänden kommen zwei Trainingstermine pro Woche hinzu.
Auch Wladislaw Galkin ist durch sein Elternhaus zum Schachspiel gekommen. »Mein Vater hat immer Schach gespielt, also wollte ich das auch«, sagt er. Er ist für Makkabi in der U12 angetreten. Doch die Berliner Meisterschaft ist ihm noch nicht ganz sicher. Wegen Punktgleichheit steht noch ein Entscheidungskampf aus – gegen seinen Teamkollegen Ruven Davydov, der am vergangenen Sonntag rechts neben ihm sitzt. Während die Uhr beständig tickt, überlegt sich Wladislaw Galkin Zug um Zug. Manchmal nimmt er einen Schluck Wasser zu sich, dann bewegt sich seine linke Hand zu einer Figur, um sie doch nicht zu setzen. Noch einmal nachgedacht, dann wird die Figur doch bewegt. Mit dem Kugelschreiber wird jeder Zug notiert. Gelegentlich steht Galkin auf und schaut auf die anderen Partien im Raum. Acht Spieler je Mannschaft spielen hier gleichzeitig. Und es ist überwiegend ruhig – vom Ticken der vielen Uhren einmal abgesehen. Neben Galkin, Kropmann und Davydov sind noch mehr junge Talente im Raum. Denn die Berliner Einzelmeisterschaften für die Altersklassen U10 und U16 sind ebenfalls an den Makkabi-Nachwuchs gegangen. Einzig im U18-Wettbewerb ging der Meisterschaftstitel nicht an den Verein. Makkabi hatte in dieser Altersgruppe keinen Spieler aufgestellt.
Die Schachabteilung ist derzeit die erfolgreichste des Berliner Sportvereins. Vereinspräsident Tuvia Schlesinger zeigt sich darüber erfreut: »Eine großartige Bestätigung für die tolle Arbeit, die in unserer Schachabteilung geleistet wird«, sagt er. Seit 1998 wird bei Makkabi Berlin Schach gespielt. Es begann mit einer Schach-AG an der Jüdischen Grundschule. Resonanz und Leidenschaft waren vorhanden, der Gewinn der Deutschen Schulmeisterschaften kam noch im selben Jahr hinzu. Also wollte man dem Ganzen Kontinuität geben. »Warum sollten sich unsere Schachtalente auf alle möglichen Vereine Berlins verteilen?«, fragt Isaak Lat, selbst seit 1974 in der Tischtennis-Abteilung von Makkabi aktiv und heute Schach-Obmann.
Schon bald sorgte die neue Abteilung für Aufmerksamkeit: Beim Makkabi-Turnier 1999 holten die Berliner fünf von sieben Nachwuchstiteln. Eine Reihe von Pokalen und Titeln hat sich seitdem ange- sammelt. Auf »mehrere Dutzend« zählt Isaak Lat die blitzenden Trophäen der jungen Talente. So ist Makkabi Berlin bereits norddeutscher Meister und deutscher Vizemeister geworden. Nur eine Vitrine gibt es noch nicht, dafür fehlt bisher das Geld. »Vielleicht findet sich ja ein wohltätiger Spender«, hofft Lat. Ein bisschen größer sollte sie allerdings schon sein. Denn die Schachabteilung will ihre Erfolgsserie fortsetzen. Gorodetski strebt vor allem Mannschaftswettberbe an, zum Beispiel die Deutsche U12-Meisterschaft.
Deswegen geht es um ständige Optimierung. Kaum sind die Sonntagspartien beendet, werden sie noch einmal nachgestellt. Für Alexei Kropmann und Wladislaw Galkin beginnt nun die Analyse der Fehler, der eigenen und der des Gegners. »Manchmal lernt man aus verlorenen Partien mehr als aus gewonnenen«, sagt Trainer Gorodetski. Es komme darauf an, die Fehler zu erkennen und künftig zu vermeiden. Die meisten Züge rekonstruieren die beiden Jungen aus dem Gedächtnis, ein Blick auf ihren Zettel ist nur selten notwendig.
Kropmanns Partie endet mit Remis. Und auch der selbstbewusste Galkin ist während des Spieles gegen seinen etwa 30 Jahre älteren Gegner nicht mehr ganz so siegesgewiss. Doch der Gegner macht Fehler. So sieht er nach rund drei Stunden Spielzeit keine Chance mehr – er gibt auf.

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