Studie

Jeder zweite

von Ingo Way

Einer neuen Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld zufolge ist knapp die Hälfte der Deutschen fremdenfeindlich eingestellt. Die Studie »Deutsche Zustände« zur »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« unter Leitung des Soziologen Wilhelm Heitmeyer läuft seit 2002 und ist auf zehn Jahre angelegt. Die diesjährige Studie erscheint, wie ihre Vorgänger, im Suhrkamp-Verlag.
1.740 Bundesbürger ohne Migrationshintergrund wurden von Heitmeyer und seinen Mitarbeitern im Jahr 2006 zu ihren Einstellungen gegenüber Ausländern, Muslimen, Juden, Obdachlosen, Behinderten und Homosexuellen befragt. Die Forscher haben Belege dafür gesammelt, daß die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Dabei sei Fremdenfeindlichkeit in ländlichen Gebieten stärker verbreitet als in Städten; in Gegenden, in denen kaum Ausländer leben, stärker als in solchen mit hohem Ausländeranteil, im Osten stärker als im Westen Deutschlands. Damit widerspricht die Studie den kürzlich veröffentlichten Erhebungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, die in Westdeutschland eine hö- here Ausländerfeindlichkeit festgestellt hatte als im Osten des Landes. Die geringste Fremdenfeindlichkeit findet sich der Studie zufolge mit 37 Prozent in Berlin.
Der Politologe Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin hatte der erwähnten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgeworfen, politisch motiviert, von suggestiver Fragemethodik und damit unseriös zu sein. Auch gegenüber der Bielefelder Studie könnte solche Kritik laut werden. Denn als Beleg für Fremdenfeindlichkeit gilt darin schon die Verneinung der Frage, ob der Islam eine »bewundernswerte Kultur« hervorgebracht habe. Als menschenfeindlich wurde etwa auch ausgelegt, Obdachlose als »unangenehm« zu empfinden, was 33 Prozent der Befragten tun. Doch damit ist noch nicht gesagt, ob diese 33 Prozent autoritäre Maßnahmen oder nicht vielmehr Hilfsangebote für Obdachlose befürworten.
Im Gespräch mit dem Rundfunksender RadioEins versuchte Heitmeyer, möglicher Kritik entgegenzuwirken: Es gebe, so der Wissenschaftler, kein »objektives Maß« für Fremdenfeindlichkeit, die Prozentzahlen an sich sagten wenig aus, man müsse als Sozialforscher immer dazu sagen, was genau man als Fremdenfeindlichkeit definiere und welche Fragen gestellt worden sind.
Solcher Definitionsbedarf scheint besonders beim Thema Antisemitismus zu bestehen. Die Heitmeyer-Studie verzeichnete seit 2002 einen Rückgang dessen, was sie als »klassischen« Antisemitismus bezeichnet (im Unterschied zum »neuen« Antisemitismus, der sich als Israelkritik ausgibt), von knapp 22 Prozent auf 14. Dieser »klassische« Antisemitismus drücke sich in Einstellungen aus wie zum Beispiel, daß Juden in Deutschland zu viel Einfluß hätten oder durch ihr eigenes Verhalten eine Mitschuld an ihrer Verfolgung trügen. Doch nach dem Libanonkrieg stiegen die Werte wieder auf den Stand von 2002.
Der Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Antizionismus wurde in der Studie noch nicht ausreichend erforscht. Dabei hatten 2003 in einer Umfrage 65 Prozent der Deutschen angegeben, daß sie Israel für die größte Gefahr für den Weltfrieden hielten. Oft werden auch Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich gemacht.
Auf Anfrage gab sich Heitmeyer überrascht über den Wiederanstieg des klassischen Antisemitismus: Dieser »dürfte eigentlich gar nicht sein«. Zur Verbindung zwischen Antisemitismus und Antizionismus wolle er mit seinen Mitarbeitern weiter forschen und 2007 eine neue Studie vorlegen.

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Syrien

Netanjahu will keine Regierungstruppen südlich von Damaskus

Nach Berichten über Massaker gegen die drusische Minderheit hat Israel eingegriffen

 17.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025