kampf der kulturen

ist der »kampf der kulturen« noch zu verhindern?

Sachlicher Diskurs
von Ayyub Axel Köhler

Es muß verhindert werden, daß ein Krieg der Kulturen herbeigeredet und provoziert wird. Es muß verhindert werden, daß ein vermeintlicher Kulturkonflikt politisch für den Gewinn von Wählerstimmen mißbraucht wird. Das Gerede vom Kampf der Kulturen dient leicht als Rechtfertigung von Kriegen. Es geht also um den Frieden in der Gesellschaft und in der Welt.
Das Abendland ist wieder einmal in Gefahr, so scheint es. Da haben wir nun die Gelbe Gefahr hinter uns, die Rote Gefahr aus dem Osten ist gebannt und nun wird uns weisgemacht, daß der Islam und die Muslime uns bedrohen. Wenn es stimmt, was Hanna Liss von der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg feststellt, dann hat Deutschland ein Problem mit dem Fremden. Und erst kürzlich warnte die Richterin am Bundesverfassungsgericht, Christine Hohmann-Degenhardt, vor der Fortführung der unheilvollen Tradition unserer dunklen Vergangenheit. Sie wagt sogar zu behaupten, daß das, was über Jahrhunderte bis in die Neuzeit den Juden galt, sich jetzt gegen den Islam und seine Riten wendet.
Im Augenblick scheint die öffentliche Diskussion zu eskalieren. Die Stimmen in der Mehrheitsgesellschaft, in den Medien und bei den Politikern mehren sich, die selbstgerecht und selbstmitleidig von sich behaupten, ihr Fehler in diesem Kampf sei gewesen, zu tolerant gewesen zu sein. Das läßt Schlimmes erahnen.
Besonnenheit auf beiden Seiten ist nun gefordert. Dabei ist zunächst wichtig, die trübe Mischung der Diskussion zu klären. Es wäre schon viel geholfen, wenn man einige Dinge in einem größeren Zusammenhang behandelte: die vermeintich unvereinbaren religiösen Werte und Auffassungen, imperiales Verhalten, soziale Probleme und Ursachen und weltpolitische Konflikte. Eine nüchterne Analyse dieser Komplexe führt dann auch weg von der Konfrontation, hin zu politischen Lösungen.
Wir sollten uns bewußt machen, daß die Globalisierung auch in Deutschland angekommen ist. Deutschland ist keine Insel der Seligen. Die Welt ist zu uns gekommen. Auch in Deutschland muß man sich daran gewöhnen, hautnah mit dem Anderen und dem Fremden auszukommen. Unsere Verfassung bietet ideale Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen. Das Modell des säkularen Staates wäre in der modernen Welt sogar die beste Voraussetzung dafür. Ganz bewußt hat sich deshalb der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) in seiner Charta zu dieser Verfassung bekannt und verpflichtet. Im Vorwort zur Charta heißt es: »Als große Minderheit in diesem Land haben die Mus- lime die Pflicht, sich in diese Gesellschaft zu integrieren, sich zu öffnen und über ihre Glaubensbekenntnisse und -praxis mit der Gesellschaft in Dialog zu treten. Die Mehrheitsgesellschaft hat Anrecht darauf, zu erfahren, wie die Muslime zu den Fundamenten dieses Rechtsstaates, zu seinem Grundgesetz, zu Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten stehen.«
Es gilt nun, in der Gesellschaft und mit den Politikern einen sachlichen Werte-Diskurs aller Beteiligter und auf gleicher Augenhöhe zu führen. Dabei ist die strikte Neutralität unseres Staates entscheidend. Wir brauchen keine zusätzlichen gesetzlichen Regelungen – politische Lösungen sind gefragt. Statt Mißtrauen zu säen und zu hegen muß Vertrauen auf beiden Seiten gebildet werden. Es müssen politische Lösungen angestrebt werden, die den gesellschaftlichen Frieden im Lande sichern und mit dem friedlichen Zusammenleben der Religionen und Weltanschauungen ein gutes Beispiel für die Welt abgeben. Sehen wir die Diskussionen um die Kulturen positiv! Handeln wir konstruktiv! Die Diskussion sollte auf beiden Seiten der selbstgefälligen Erstarrung entgegenwirken und zur Selbstfindung und zur Belebung von Kulturen führen.
Offener Konflikt
von Michael Wolffsohn

Wir befinden uns längst im »Kampf der Kulturen«, egal, ob wir ihn so oder anders nennen. Genauer: Nicht »wir«, das jüdisch-christliche oder christlich-jüdische Abendland, bekämpfen »sie«, also das Muslimische Morgenland. Es ist umgekehrt: Es be- kämpft uns. Dieses »Morgenland« umfaßt inzwischen Nahost bis Fernost, Süd- und Südostasien und weite Teile des nördlichen (und südlichen) Afrikas. Und das Morgenland ist mitten unter uns im Abendland. Entstehung und Ablauf des »Karikaturenstreits« dokumentieren diese These. Lassen wir die Fakten sprechen.
Die Massenproteste gegen die Mohammed-Karikaturen wurden politisch inszeniert: von Extremisten der dänisch islamischen Diaspora, dem Iran, Syrien und leider auch Ägypten.
Zu bedenken ist, daß Israel in der islamischen Welt seit Jahrzehnten Gegenstand grob antisemitischer Karikaturen wie einst im Nazi-Hetzblatt »Der Stürmer« ist. Selbst auf der Frankfurter Buchmesse scheute sich die Arabische Liga nicht, antisemitische Publikationen zu präsentieren. »Wir«, besonders die USA, aber auch Europa, schützen seit Jahren die Muslime in aller Welt. Ohne westliche Hilfe an die islamistischen Mudschahedin wäre die Sowjetunion nie aus Afghanistan vertrieben worden, wären die Taliban nicht an die Macht gekommen. Diese bedankten sich beim Westen auf ihre Weise und beschenkten uns mit Osama Bin Ladins Terror.
Vom Terror des Taliban-Regimes konnten sich die Afghanen nicht alleine, sondern nur mit westlicher Hilfe befreien. Ohne den Westen wäre Kuwait 1991 nicht befreit, sondern möglicherweise auch Saudi-Arabien von Saddam Hussein besetzt worden. Ohne den Westen wären die Muslime Bosniens auch nach dem Massaker von Srebreniza weiter massakriert worden. Ohne den Westen wären die Muslime im Kosovo von Milosevic Serbien weiter vertrieben und gemeuchelt worden. Wozu sind Bundeswehr-Soldaten derzeit im Kosovo, in Afghanistan, Bosnien, Dschibuti oder im Sudan? Um »die Muslime« zu unterdrücken?
Haben die Demonstranten in der indonesischen Provinz Aceh vergessen, daß »der« Westen und nicht reiche Muslim-Staaten ihnen nach der Tsunami-Katastrophe schnell und großzügig, sogar aufopferungsvoll geholfen haben? Lange vor dem Karikaturenstreit wurden in Indonesien Christen als Christen verfolgt, Kirchen als Kirchen verbrannt. Wissen palästinensische Protestierer in Gasa Stadt, die deutsche Einrichtungen demolieren, nicht, daß vor allem Deutschlands und Europas Hilfe ihren harten Alltag etwas erträglicher macht? Bekamen Erdbebenopfer im iranischen Bam und bekommen die pakistanischen Erdbebenopfer Hilfe aus arabischen und islamischen Staaten oder von »uns«?
Weshalb werden in Nigeria Christen wegen dänischer Karikaturen ermordet? Die antiwestlichen Demonstranten wurden gezielt und bewußt mobilisiert und fanatisiert. Warum und wann?
Gleich nach der Veröffentlichung der Karikaturen, im Herbst 2005, versuchte die Botschafterin Ägyptens in Dänemark die islamischen Staaten zu »sensibilisieren« und zu aktivieren. Denn das Regime Mubarak wird von Islamisten innenpolitisch bedroht. Indem Ägypten sich an die Spitze der Bewegung stellte, wollte es beweisen, wie islamisch es trotz islamistischer Kritik sei. Glaubwürdig war das nicht, die Bewegung endete, bevor sie begann. Auch die Regierung Indonesiens sucht angesichts der islamistischen Bedro- hung im eigenen Land islamische Glaubwürdigkeit. Deshalb wiegelt auch sie nicht ab. Unter ähnlichem Druck steht die Regierung Karsai in Afghanistan.
Zu den eigentlichen Drahtziehern: Seit Monaten geriet Syrien wegen der von seiner Führung organisierten Ermordung des libanesischen Premiers Hariri außenpolitisch in Bedrängnis. Präsident Assad und die Seinen standen weltpolitisch mit dem Rücken zur Wand. Ebenso Irans Präsident. Die Gründe kennt jeder: nukleare Aufrüstung, Leugnung des Holocaust und Verhöhnung der Opfer.
Ende Januar gewann die islamistisch-terroristische Hamas die Palästinenserwahlen. Als Vorbedingung eines zivilen, politischen Umgangs forderte besonders die westliche Welt, daß Hamas auf Gewalt als Mittel der Politik verzichten müsse.
Der Iran, Syrien und Hamas arbeiten seit Jahren eng zusammen. Gleichzeitig gerieten sie in die Defensive, aus der sie sich durch den inszenierten Groß-Gegenangriff mit Hilfe fundamentalistischer Diasporamuslime zu befreien versuchen. Der Bock gibt sich als Gärtner.
Es ist richtig, wenn der Westen sagt: »So nicht«. Dialog und Partnerschaft mit der islamische Welt, sogar Hilfe für sie, muß es geben, aber nur auf Grundlage wechselseitiger Achtung und Integration im Innern.
Die Masse der Massen, die gegen die (geschmacklosen und künstlerisch schwachen) Karikaturen aufgehetzt wurde, hat sie gar nicht gesehen. Aber in verschiedenen islamischen Hochkulturen gab es immer wieder Bilder des Propheten. Wie für jede Kultur gilt auch für die große islamische: Sie ist mehr als Politik.

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