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Immer in Bewegung

von Hanne Foighel

Kürzlich an Pessach strömte in weniger als einer Woche eine halbe Million Menschen durch den Ben-Gurion-Flughafen. Einige kamen von auswärts, um die Feiertage in Israel zu verbringen, aber gut die Hälfte war in die Gegenrichtung unterwegs. Die Israelis, die früher geduldig am östlichen Mittelmeerufer saßen und auf den reichen Onkel aus Amerika warteten, haben sich in ein Volk unsteter Reisender verwandelt.
Bis in die Mitte der 80er-Jahre wurde jeder, der das Gelobte Land verlassen wollte, durch hohe Steuern bestraft. Jedem, der eine Passkontrolle passierte, nahm der Staat 250 Dollar ab. Wer eine Reise tun wollte, sah sich durch die monetären Restriktionen gezwungen, sein Geld auf dem Schwarzmarkt in ausländische Währung umzutauschen.
Als diese Beschränkungen Mitte der 90er-Jahre gelockert wurden, entdeckten die Israelis das Reisefieber. Zunächst vornehmlich in Gruppen organisiert. Die Welt erschien groß und unberechenbar, und die Sicherheit in einer Gruppe mit einem Hebräisch sprechenden Führer beruhigte den Durchschnitts-Israeli.
Dieser Archetyp des reisenden Israeli bot Stoff für zahlreiche Satiren. In Fernsehserien der 90er-Jahre wurde der »typische israelische Tourist« als Provinzler dargestellt, der nicht weiß, wie er sich in der großen weiten Welt verhalten soll: Zunächst füllt er seinen Koffer mit Humus, Pitabrot und Thunfisch in Dosen, da ihm die seltsamen Essgewohnheiten der restlichen Welt sicher nicht zusagen würden. Und in seinem Eifer, Souvenirs zu sammeln, kommt er mit gestohlenen Aschenbechern, Handtüchern und abmontierten Armaturen und Türklinken aus den Hotels, in denen er logierte, wieder zurück.
Doch der israelische Tourist des Jahres 2008 hat ein ganz anderes Profil. Wahrgenommen wird er als zwar ungeduldiger, aber offener und neugieriger Reisender, der immer auf der Suche nach neuen Abenteuern ist. Die israelische Touristin liebt Shopping, gute Hotels und gutes Essen. Und mancherorts heißt es, die Israelis würfen auf Reisen mit Geld nur so um sich.
Im vergangenen Jahrzehnt ging die Zahl der Israelis, die in organisierten Gruppen nach Europa reisten, rapide zurück. Das finden junge und gebildete Israelis heute spießig. Sie fahren lieber mit speziellen Reiseführern an weit entfernte Orte, um exotische Kulturen kennenzulernen. Gleichzeitig werden spezielle Barmizwa-Touren für Eltern und Kinder immer beliebter. Dann geht es entweder an klassische europäische Stätten oder auf Safari nach Afrika.
Die Neunziger brachten noch einen weiteren Typus israelischer Reisender hervor: den Backpacker, der gerade seinen Armeedienst hinter sich hat. Es scheint mittlerweile so, dass kein junger Israeli eine Ausbildung anfangen oder überhaupt im Leben weiterkommen kann, wenn er nicht mindestens sechs Monate lang – oft wesentlich länger – entweder durch Südamerika oder durch Indien und Südostasien getrampt ist. Häufig ziehen sie ganz alleine los – sie können sich ja darauf verlassen, unterwegs anderen Israelis zu begegnen.
Diese monatelangen Trips werden als einzig wirksame Möglichkeit angesehen, von den Belastungen der Armeezeit wieder herunterzukommen. Viele der jungen Leute wollen auf diesen Reisen »sich selber finden«. Psychologischen Studien zufolge sind die Rückkehrer zwar prall gefüllt mit aufregenden Abenteuern, haben aber die Antworten auf ihre existenziellen Fragen nicht gefunden.
Die Chabad-Bewegung nimmt diese Suche nach dem Sinn des Lebens sehr ernst und hat gezielt Zentren aufgebaut in den Gegenden, die bei jungen Israelis beliebt sind, etwa im indischen Goa oder in Nepal. Das traditionelle Sedermahl bei Chabad Katmandu ist unter Reisenden zu einer regelrechten Institution geworden. Viele fahren extra über Pessach nach Katmandu, um beim größten Seder der Welt mit 1.500 Teilnehmern dabei zu sein.
Der israelischen Statistikbehörde zufolge gab es 2007 vier Millionen Ausreisen mit einem israelischen Pass. Abzüglich der Geschäftsreisenden, die mehrmals im Jahr ein- und ausreisen, kommt man auf 2,2 reisende Israelis pro Jahr. Beinahe jeder dritte Israeli hat das Land im vergangenen Jahr mindestens einmal verlassen.
Es gibt keine Möglichkeit, exakt nachzuverfolgen, wohin die Israelis im Einzelnen reisen, aber wenn man sich die Ticketverkäufe ansieht, dann ist das Hauptziel immer noch das »klassische Europa«, wie es im Jargon der Reisebüros heißt – also Westeuropa. Auf Platz zwei folgen die USA. Während des vergangenen Jahrzehnts rückten die Länder Osteuropas auf Platz drei.
Viele Israelis, die nach Osteuropa reisen, suchen dort nach ihren Wurzeln. Aber dann kommen sie immer wieder – zum einen wegen der günstigen Preise, zum anderen, weil es dort noch viele unbekannte Dinge zu entdecken gibt.
Weitere beliebte Reiseziele sind Zypern und die Türkei. Wer einfach ein paar Tage entspannen will, und wem die Preise in Eilat oder im Galil inzwischen zu hoch sind, der fährt dorthin. Manche Klubs in Zypern und der Türkei leben fast nur von israelischen Familien. Dorthin zu fahren, ist für Israelis so selbstverständlich geworden, dass es fast schon als Inlandsreise wahrgenommen wird.
Und dann gibt es da noch den israelischen Geschäftsreisenden. Da Israel ein kleines Land ist mit eingeschränkten Jobmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte, arbeiten immer mehr Israelis im Ausland beziehungsweise für Mutterfirmen mit Sitz im Ausland. Tali Tepperberg von der Firma Snir Travels in Jerusalem bestätigt, dass viele der Geschäftsreisenden, die bei ihr buchen, mindestens einmal in der Woche zu Sitzungen, Ausstellungen, Projekten und dergleichen fliegen. »Der Geschäftsreisende muss jederzeit fliegen – egal, ob gerade Krieg oder Terrorwarnung herrscht«, sagt sie. Und wie reagiert der Durchschnittsreisende auf möglichen Terror? »Da gibt es zwei Typen israelischer Reisender«, sagt Tepperberg. »Die einen haben Angst davor, in arabische Länder zu reisen und fürchten sich ständig vor Terror, aber die meisten sind fatalistisch und fürchten sich vor gar nichts.«
Als in der Zeit nach dem 11. September viele Menschen auf der ganzen Welt Angst hatten, ein Flugzeug zu besteigen, hatten israelische Reiseagenturen keine Stornierungen zu verzeichnen. Die Israelis zogen weiter um die Welt, als wäre nichts geschehen.

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