Günter Grass,

»Im Rückblick ein Makel«

von Michael Wuliger

61 Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs hat Günter Grass in der FAZ ein von ihm bisher verschwiegenes biographisches Detail aus seiner Jugend öffentlich gemacht: Als 17jähriger war der spätere Literaturnobelpreisträger Angehöriger der 10. SS-Panzerdivision »Georg von Frundsberg«. Bislang hieß es in den Biographien des am 16. Oktober 1927 geborenen Schriftstellers, er sei 1944 als Flakhelfer eingezogen worden und habe dann als Soldat gedient.
Grass erklärt sein langes Schweigen traumapsychologisch. Seine SS-Mitgliedschaft habe er »im Rückblick immer als einen Makel empfunden, der mich bedrückt hat und über den ich nicht sprechen konnte.« Jetzt könne er nicht länger schweigen. »Es mußte raus!«
Zu den wenigen, die ihm das abnehmen, gehört Ralph Giordano: »Er hat sich selbst erlöst jetzt, indem er die Wahrheit gesagt hat und man könnte sagen, endlich gesagt hat, aber er hat sie gesagt.« Pragmatischere Gründe sieht Hellmuth Karasek: »Mit einem früheren Bekenntnis hätte Grass möglicherweise den Nobelpreis riskiert.« Der Schriftsteller Klaus Theweleit vermutet gar eine ordinäre PR-Masche für Grass’ demnächst erscheinende Memoiren: »Es handelt sich um die Reklameaktion eines Publicitysüchtigen, der ein neues Buch geschrieben hat.« Wer den Litera- turbetrieb kennt, kann dem eine gewisse Plausibilität nicht absprechen.
»Sein Lebtag hat er seine Landsleute genervt: ›Wir dürfen nie, nie vergessen!’ Er selbst erinnert sich erst jetzt«, schrieb spöttisch die Londoner Times. Mit seinem spätem Bekenntnis hat Grass aber nicht nur sich selbst gründlich desavouiert sondern auch das linksliberale literarische Establishment der alten Bundesrepublik. Männer wie Grass oder Walter Jens (dessen NSDAP-Mitgliedschaft auch erst vor ein paar Jahren publik wurde) haben jahrzehntelang als wort- und moralmächtige Warner gegen alte und neue Nazis gestritten. Sie hielten die Erinnerung an Auschwitz hoch. Im Ausland galten sie als Repräsentanten eines anderen und besseren Deutschlands. Daß es mit dem Antifaschismus und Wiedergutmachungseifer allerdings so weit nicht her war, wenn es um die eigenen Interessen ging, haben Klaus Briegleb und Stephan Braese belegt. In dem tonangebenden Literatenzirkel Gruppe 47 waren jüdische Emigranten unerwünscht. Junge aufstrebende Autoren wie Grass und Martin Walser wollten unbelastet unter sich sein. Letztendlich war der antifaschistische Furor der tonangebenden linksliberalen Autoren und Journalisten nichts als eine Selbstentlastung. Die Nazis waren immer die anderen: das Kapital, die CDU und Springerredakteure. Man selbst war blütenrein. Am Ende hat man das wahrscheinlich sogar selbst geglaubt.
Spätestens mit Grass’ Bekenntnis ist diese Lebenslüge futsch, wie schon vor ihr andere. Gewiß, der Schriftsteller war nur wenige Monate in der SS. Und nach 1945 hat er sich als untadeliger Demokrat bewährt. Das allerdings verdanken wir nicht Grass’ Gewissen, sondern der Tatsache, daß die Anti-Hitler-Koalition die Nazis besiegt hat. Wäre es andersherum gekommen, wer weiß was aus dem Mann in der SS noch hätte werden können.

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