Peter Falk

»Ich hätte da noch eine Frage«

von Anja Boromandi

Den zerknitterten Regenmantel, sein Markenzeichen in den Columbo-Filmen, trägt Peter Falk schon lange nicht mehr. Auch nicht die Zigarre im Mund. Mit dem Rauchen hat er aufgehört. Ansonsten ist Hollywoods wohl berühmtester TV-Inspektor ganz der Alte geblieben. Nur ein paar Falten mehr im Gesicht hat der inzwischen 79jährige.
Peter Falk ist auf Stippvisite in New York, wo alles begann. Hier wurde er am 16. September 1927 als Kind ungarisch-russisch-jüdischer Eltern geboren. Hier hatte er nach Politikstudium und erfolgloser Bewerbung bei der CIA 1956 seinen ersten Bühnenauftritt in Molières Don Juan. Hier ist er an diesem Abend Gast der jüdischen Gesellschaft Makor, wo er seine Memoiren Just One More Thing vorstellt. »Just one more thing«, zu deutsch »Ich hätte da noch eine Frage« war der klassische Columbo-Satz, mit dem der Inspektor arrogante Mörder immer wieder übertölpelte.
Unter Peter Falks kariertem Pullover schaut ein weißes Hemd mit blauem Blumenmuster im hawaiianischen Stil hervor. Das Haar silbergrau schimmernd, das rechte Auge wie immer halb geschlossen. Seit einer Krebserkrankung im Alter von drei Jahren hat er dort ein Glasauge.
Rund 50 Besucher sind gekommen, um Peter Falk aus seinem Leben erzählen zu hören. Zum Beispiel, warum er so spät, erst mit fast dreißig Jahren, seine Schauspielkarriere startete. »Ich war in jeder Beziehung ein Spätzünder, nicht nur in punkto Schauspielerei. Geheiratet habe ich mit 33. Ich wußte nie, was ich werden wollte, deshalb hat es wohl so lange gedauert, bis ich meine Berufung gefunden habe.« Sein erster Film hieß Murder Incorporated, deutsch Unterwelt. »Da habe ich, ähm ...« Er überlegt und hält die Hand, in alter Columbo-Manier an die graue Schläfe. »Welche Rolle hab ich da noch mal gespielt?« Er wendet sich hilfesuchend an die Runde. »Abe Kid Twist Reles« rufen mehrere Zuhörer wie aus der Pistole geschossen. Man merkt, hier sitzen echte Columbo-Kenner, die ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Aber, Moment mal, hatte er das jetzt wirklich vergessen oder war das ein Trick nach Columbo-Art, um das Wissen seines Publikums auszuspionieren? Die Gestik, das Innehalten und Nach-Worten-Suchen, das ist, als ob Columbo persönlich vor einem sitzt. Spricht hier Peter Falk oder Columbo? Irgendwie kann man die beiden immer noch nicht auseinanderhalten
1960 erhält Falk für die Darstellung des jüdischen Profikillers Reles seine erste Oscar-Nominierung. »Am Abend der Preisverleihung fuhren meine Frau und ich mit einem alten Volkswagen vor, alle anderen mit noblen Limousinen. Als dann der Gewinner für meine Kategorie aufgerufen wurde, hörte ich nur: ›And the winner is: Peter ...’ Ich wollte schon aufstehen. ›…Ustinov’.«
Im Laufe seiner Karriere arbeitet Falk mit vielen Regisseuren. »John Cassavetes war so ein verrückter Kerl, total unberechenbar. Es passierte oft, daß ich nachfragte, wann es losgeht, und er meinte nur: ›Die Kamera läuft bereits seit zwei Minuten.’ Damit wollte er mehr Improvisation und Spontaneität in die Szenen bringen.« Bei Mike Nichols mußte er während der Proben auf dem Boden liegen und an die Decke starren, während er den Text aufsagte. Wim Wenders rief ihn nachts an und bot ihm eine Rolle in Der Himmel über Berlin an. »Ich fragte, was mein Charakter denn von Beruf sei, er antwortete in die Länge gezogen wie ein Kaugummi: ›Och, der kann alles sein, Verkäufer, Tankstellenwärter. Er ist halt ein Ex-Engel.’ ›Ein was?’ fragte ich: ›Ich kenne nur Ex-Frauen, aber Ex-Engel? Damit hatte Wenders mich in der Tasche,« Und wie war die Zusammenarbeit mit Frank Capra? will jemand wissen. »Welchen Film hab ich mit ihm gemacht?« Falk denkt laut nach und schaut in die Luft. »Die unteren Zehntausend« tönt es im Chor aus dem Publikum. »Ach ja richtig, danke!« Egal, ob Columbo-Taktik oder Gedächtnislücke: Peter Falk weiß, worauf es bei einem guten Geschichtenerzähler ankommt; er bindet sein Publikum ein.
Dann kommt Falk auf die Rolle seines Lebens zu sprechen und lüftet ein Geheimnis: Columbos legendärer Knitterlook war seine eigene Idee. »Als ich in den Kostümraum kam und all die Anzüge sah, war ich sehr enttäuscht. Jeder hätte die tragen können, sie waren so austauschbar. Ich wollte etwas Einmaliges tragen, so wie Charlie Chaplin, etwas, das im Kopf bleibt. Also bin ich nach Hause gefahren und habe meinen Regenmantel geholt, den ich schon vier Jahre hatte. Ich sagte: ›Färbt den Anzug, damit er zum Mantel paßt.’ Danach stellte ich mich vor den Spiegel und sagte: Mehr brauche ich nicht!«
Nicht nur das Aussehen, auch der Charakter Columbos trägt Peter Falks Handschrift. Ihre komische Note bekamen viele Szenen der Serie durch seine Improvisationen. »Ich erinnere mich daran, wie ich einmal statt des Beweismittels den Einkaufszettel meiner Frau aus der Tasche gezogen habe, das haben wir einfach in den Dialog mit eingebaut. Durch diese Dinge hat mir die Arbeit Spaß gemacht.« In einer anderen Szene, in der Columbo am Telefon darauf wartet, verbunden zu werden, fing Falk an, vor der Kamera den Kinderreim »Nick nack paddy wack« zu summen. Er wurde zum Titelsong der Serie.
Anders als Columbo, der bekanntlich mit Vornamen »Inspector« heißt und von dessen Gattin wir nur wissen, daß sie Mrs. Columbo ist, hat Peter Falk ein Privatleben. Seit fast dreißig Jahren ist er mit der Schauspielerin Shera Danese verheiratet. Für Hollywood rekordverdächtig lange. Das Geheimnis seiner glücklichen Ehe: »Ich habe eine humorvolle Ehefrau, vermutlich die witzigste auf der ganzen Welt.«
Mit Shera lebt Peter Falk zurückgezogen in seinem Haus in Hollywood, wo er seiner zweiten Karriere als Maler nachgeht. »Als ich 45 Jahre alt war und in Serbien einen Kriegsfilm drehte, fing ich damit an. Dort war Winter, es gab keine Frauen, und Pokerspielen wurde mir nach einer Weile zu langweilig. Ein Bildhauer sprach mich an und bewunderte mein Bild. Zurück in New York kam ich an einer Kunstschule vorbei. Ich spähte dort durch eine Türritze und sah eine nackte Frau auf einem Podest und Studenten, die sie portraitierten. Am nächsten Tag habe ich mich dort angemeldet. Inzwischen male ich jeden Sonntag.« Ist Shera nicht eifersüchtig auf die Aktmodelle? »Nein, im Gegenteil, sie ist jedes Mal froh, wenn ich aus dem Haus bin.«
Filme macht Peter Falk auch immer noch. Zwei, drei Produktionen hat er gerade abgedreht, aber deren Titel schon vergessen. Fernsehen sieht Falk gar nicht mehr, aber er hat gehört, daß es inzwischen »lausig schlecht sein soll«. Ob er denn Kommissar Stephan Derrick kenne, möchte ein Deutscher im Publikum von ihm wissen. »Nein, der Name sagt mir nichts, wer ist das?« Horst Tappert wird’s verschmerzen.
Wird es noch mal eine neue Columbo-Folge mit ihm geben? »Also, ich habe da ein geniales Skript in der Schublade, aber bislang zeigt das Filmstudio kein Interesse. Ich verrate nur so viel: Eine Frau, die Bücher über Prominente schreibt, wird von Larry King interviewt. In einer Werbepause telefoniert sie mit einer Frau in Los Angeles. Die bricht nach zwei Minuten tot zusammen. Das Telefon ist das Mordwerkzeug.« Es wäre sein 70. Columbo. Den berühmten Regenmantel hat Falk jedenfalls sicherheitshalber zu Hause aufbewahrt. Und der alte Peugeot steht noch im Filmstudio. Nur für den Fall der Fälle.

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