flugblatt-affäre

Historiker: »Der Fall Aiwanger ist ein neuer Tiefpunkt«

Hubert Aiwanger im Wahlkampf Foto: picture alliance/dpa

Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer (58) sieht im Fall Aiwanger einen »Tiefpunkt in der Geschichte der deutschen Erinnerungskultur«. »Im Rückblick wird die Affäre Aiwanger-Söder als ein Wendepunkt in der Erinnerungskultur angesehen werden«, sagte der Professor der Universität Hamburg. In der Debatte zeige sich die Sehnsucht vieler Deutscher nach einem Schlussstrich.

»Durch Aiwanger ist dieser Schlussstrich unter der Geschichte salonfähig geworden und wird sogar in Bierzelten gefeiert«. Dies sei eine »Katastrophe für die Erinnerungskultur«, auch weil dadurch Menschen verhöhnt würden, die sich für die Erinnerung an NS-Verbrechen engagieren. Zimmerer ist Autor des jüngst erschienenen Buches »Erinnerungskämpfe. Neues deutsches Geschichtsbewusstsein«.

Seit Tagen steht der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wegen des Umgangs mit einem antisemitischen Pamphlet aus seiner Oberstufenzeit in der Kritik. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält an seinem Wirtschaftsminister fest. Entscheidend für die Erinnerungskultur sei nicht, was Aiwanger vor 35 Jahren genau getan habe, betonte Zimmerer.

Es komme darauf an, wie er heute mit den Vorwürfen umgehe und wie die Gesellschaft sein Verhalten bewerte. Dass Aiwanger die Affäre nutze, um politisch zu punkten und sich selbst als Opfer darstelle, sei eine Zumutung für viele, die sich um die Aufarbeitung der Vergangenheit bemühen - »von den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen ganz zu schweigen«.   

Jüdische Einrichtungen müssten von der Polizei geschützt werden, Holocaust-Gedenkstätten würden geschändet, die Anzahl antisemitischer und rassistischer Vorfälle steige seit Jahren.

»Offenbar war die deutsche Vergangenheitsbewältigung nicht so erfolgreich, wie es sich die deutsche Gesellschaft gerne selbst attestiert«, sagte der Historiker. Offizielle, politische Reden zu Gedenktagen drohten zum »leeren Ritual« zu erstarren. So werde etwa an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert, zu denen hunderttausende Geflüchtete gehörten. »Und am nächsten Tag votieren die gleichen Politiker gegen die Aufnahme von Flüchtenden oder machen Stimmung gegen Fremde.« epd

Konvertierte Ordensfrau

Edith Stein vor 25 Jahren heiliggesprochen

Im August 1942 wurde sie in Auschwitz ermordet

 01.10.2023

Bayern

Festnahmen nach Hitlergrüßen auf dem Oktoberfest in München

Auf der »Wiesn« kam es zu zwei Zwischenfällen dieser Art

 29.09.2023

Rheinland-Pfalz

Antisemitismus: Entlassung von Polizeianwärter rechtens

Der Mann hatte Judenhass in einer Chatgruppe verbreitet

 29.09.2023

Sicherheit

Deutschland unterzeichnet Kauf israelischer Raketenabwehr

In Berlin fällt der Startschuss für das Projekt Arrow 3

von Sara Lemel  28.09.2023

Gedenkstätten

80 Millionen Euro für Erinnerungsorte aus der NS-Zeit

Fast zwei Drittel der Mittel sollen in Gedenkorte in Bayern fließen

 28.09.2023

Analyse

Was es mit der antisemitischen Vereinigung »Artgemeinschaft« auf sich hat

Bundesinnenministerin Faeser verbot erneut eine rechtsradikale Gruppe

 27.09.2023

Interview

»Die entscheidende Frage ist: Schaffen wir es als Gesellschaft, uns auf eine Grenze der Belastbarkeit zu verständigen?«

Die Vize-Chefin der CDU über Absprachen mit der AfD, rote Linien und Fehler ihrer Partei in der Asylpolitik

von Michael Thaidigsmann  27.09.2023

Meinung

Aiwanger als Märtyrer

Ilanit Spinner hält es für ein Warnzeichen, dass die Freien Wähler bei der Wahl in Bayern nicht trotz, sondern gerade wegen der »Flugblatt-Affäre« auf einen Rekord zusteuern

von Ilanit Spinner  27.09.2023

Berlin

Thielemann wird Nachfolger Barenboims an der Staatsoper

Laut Kultursenator Chialo (CDU) wird der Generalmusikdirektor das Amt 2024 übernehmen

 27.09.2023