neue Gemeinde

Hilfe unerwünscht

von Heide Sobotka

Am 30. April hat Alexandra Khariakova in Unna zur Gründungsversammlung einer jüdischen Gemeinde eingeladen. Die Neugründung platzt mitten in die Verhandlungen, die Vorstand und Geschäftsführung der Gemeinde Groß-Dortmund mit Vertretern der Juden in Unna, an ihrer Spitze Alexandra Khariakova, über die Bildung einer Zweigstelle in Unna führten. Die Dortmunder fühlen sich von Khariakovas Verkündung überrumpelt. Für die Unnaer ist der Schritt nur folgerichtig.
Der Überraschung ist in Dortmund inzwischen die Empörung gewichen. »Wir fühlen uns gelinkt«, sagt Zwi Rappoport vom Dortmunder Vorstand. Am 17. April hatten sich Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder der jüdischen Gemeinde Groß-Dortmund mit Alexandra Khariakova und der Geschäftsführerin der Union progressiver Juden, Irith Michelsohn, an einen Tisch gesetzt und über Betreuungsmöglichkeiten für die Juden in Unna gesprochen. Dabei hatte die Dortmunder Gemeinde das, wie Irith Michelsohn findet, »großzügige Angebot« gemacht und den Gemeindemitgliedern in Unna weitgehend freie Hand in Verwaltung, Finanzen sowie religiöser Ausrichtung zugesagt. Danach hatte Unna vier Wochen Bedenkzeit.
Für Rappoport ist es keine Frage, dass in Unna über kurz oder lang wieder eine eigenständige jüdische Gemeinde entsteht. »Vor dem Krieg gab es dort eine jüdische Gemeinde. Lange Zeit stellte sich jedoch die Frage nicht. Die nach dem Krieg gegründete Groß-Gemeinde Dortmund kümmerte sich auch um Juden im Umkreis«, erklärt Rappoport. Nach der Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion veränderte sich die Situation. Dortmund betreute diese Gemeindemitglieder mit und brachte sie mit Bussen zu den Gottesdiensten und Veranstaltungen.
Seit 2001 gibt es zwischen Dortmund und Unna konkrete Überlegungen, wie die Juden in der etwa 30 Kilometer entfernten östlichen Nachbarstadt besser betreut werden könnten. Trotz aller Bemühungen sei die Dortmunder Gemeinde offensichtlich damit überfordert gewesen, sagt Alexandra Khariakova und nahm die Sache selbst in die Hand. Die Zuwanderer gründeten eine Selbsthilfegruppe, die schließlich in den »jüdischen kulturell-integrativen Verein Stern« mündete. »Dieses Forum war nicht nur eine emotionale Nische in der Fremde, es war ein Erfahrungsaustausch, eine konkrete Hilfe in der Alltagsbewältigung«, erklärt Khariakova. Hier fanden vor allem auch die nichtjüdischen Familienmitglieder Aufnahme.
Doch bei dem Kulturverein wollte man es nicht belassen. Im September 2005 meldeten der Kreis um Alexandra Khariakova Interesse an einer eigenen Kultusgemeinde an. Obwohl Hanna Sperling vom Dortmunder Vorstand bei einer Mitgliederversammlung anbot, einen Sozialarbeiter nach Unna zu entsenden und Räume anzumieten, fühlten sich die Unnaer in ihrem Streben nach Eigenständigkeit nicht ernst genommen. »Die Dynamik der bisherigen mehrjährigen Arbeit beansprucht für sich die Gründung einer eigenständigen Synagogengemeinde, denn alles andere würde einen Schritt rückwärts bedeuten«, befand Khariakova. Häufig habe sie auf Gesprächswünsche keine Antwort erhalten, was sie »als Desinteresse hinsichtlich der Zusammenarbeit« wahrgenommen habe, sagt Khariakova. Die Gründung sei nur eine »natürliche Dynamik der Selbstorganisation der Juden in einer Diasporasituation«. Finanzieren wolle man sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.
Bei einer Mitgliederbefragung am 13. Mai hätten sich von 62 Stimmberechtigten 57 für die Gründung einer liberalen Gemeinde ausgesprochen, sagt Khariakova. Unions-Geschäftsführerin Irith Michelsohn findet den Entschluss mutig. »Ich weiß nicht, wie Unna das allein managen will. Die Union progressiver Juden kann sie jedenfalls nicht finanziell unterstützen.« Darüber hinaus müsse sich die Gemeinde mindestens ein Jahr als Gemeinde bewähren, bevor sie aufgenommen werden kann.
Die Dortmunder Gemeinde hat ihr Angebot zurückgezogen. »Wir sehen in dem Vorgehen von Frau Khariakova eine Absage und werden uns nicht weiter bemühen«, sagt Rappoport. Am 10. Juni sollen nun die Mitglieder in Unna befragt werden, wie sie sich ihre gemeindliche Zukunft vorstellen.

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025

London

Nach antisemitischem Post: Lineker hört bei BBC auf

In den sozialen Medien teilt Gary Lineker einen Beitrag zum Israel-Gaza-Konflikt mit antisemitischer Konnotation. Nun zieht der frühere Fußballstar die Konsequenz

 19.05.2025

Erinnerungskultur

Beauftragter Klein will neues Konzept für NS-Gedenkstätten

Sie erinnern an die NS-Verbrechen und lenken den Blick auf die Gegenwart: Gedenkstätten. Sie bräuchten verlässlich Gelder und gut ausgebildetes Personal, sagt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus

von Leticia Witte  19.05.2025

Berlin

»Israelfeindliche Schriftzüge« an Humboldt-Universität

Laut Polizei sind Fassaden am Haupt- und an einem Seiteneingang betroffen

 19.05.2025

Berlin

Linnemann: Migrationsabstimmung mit AfD führte zu Polarisierung

Im Januar ließ die Union über einen Antrag und Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen. Sie nahm in Kauf, dass die AfD zustimmt. Die Abstimmung hätte besser nicht stattgefunden, meint der CDU-Generalsekretär jetzt

 19.05.2025

Den Haag

Zehntausende fordern härteren Israel-Kurs

Demonstranten tragen symbolisch rote Kleidung, um eine rote Linie für die niederländische Regierung zu markieren

 18.05.2025

Nahost

Militärexperte: Vorgehen in Gaza führt zu Erstarken des islamistischen Terrors

Carlo Masala warnt vor einer Erhöhung des Konfliktpotenzials in der Region

 17.05.2025

Jerusalem

»Der Papst hat Lust auf Dialog«

Abt Nikodemus Schnabel über die Wahl von Leo XIV., das jüdisch-christliche Gespräch und Hoffnung auf Frieden in Nahost

von Michael Thaidigsmann  14.05.2025