von Lev Krichevsky
Ein russisch-jüdischer Milliardär will der Jewish Agency 50 Millionen Dollar schenken – ein Betrag, der für die Aktivitäten Israels in der ehemaligen Sowjetunion ausschlaggebend sein könnte. Denn das Budget ist in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Dennoch herrscht in Jerusalem nicht nur helle Freude über die Großzügigkeit von Arcadi Gaydamak. Denn der Milliardär wurde vor zehn Jahren skrupelloser Geschäftspraktiken bezichtigt – vor allem wegen seiner Rolle beim Verkauf russischer Waffen an Angola. In den Skandal war das politische Establishment Frankreichs einschließlich des Sohns des damaligen Präsidenten François Mitterrand verwickelt. Gaydamak bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als »Opfer politischer Verfolgung«. Laut der Jewish Telegraph Agency (JTA) wird er aber angeblich in Frankreich wegen Betrugs und Steuerhinterziehung gesucht.
Eine noch nicht unterschriebene Vereinbarung mit der Jewish Agency soll Gaydamak einen Sitz in deren Versammlung sichern – einer repräsentativen Körperschaft mit 500 Mitgliedern. Damit bekäme er maßgeblichen Einfluß auf die Tätigkeit der Organisation. Der Milliardär sagte der JTA, die Vereinbarung sei so gut wie unterschriftsreif. Die Jewish Agency gibt sich dagegen vorsichtiger. Michael Jankelowitz, ein Sprecher der Agency in Jerusalem bestätigte, Gaydamak sei ein potentieller Partner, fügte aber hinzu: »Es gibt keinen endgültigen Beschluß.« Im Februar, wenn der Vorstand erwartungsgemäß den endgültigen Etat für das Jahr 2006 verabschieden wird, soll in der Frage abschließend entschieden werden. Das Budget der Agency ist in den vergangenen drei Jahren von 350 Millionen Dollar auf 290 Millionen Dollar geschrumpft. Die Zahl der Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel hat sich deutlich verringert, macht aber noch immer 40 Prozent der Einwanderung aus. Wenn die Agency, die mehr als 120.000 Menschen in der Region erreicht, keine zusätzlichen Mittel erschließt, muß sie einen großen Teil ihrer Aktivitäten einstellen. Jüdische Schulen, Ferienlager und Jugendklubs in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wären von den Kürzungen am stärksten betroffen.
Der 53-jährige Gaydamak war vor 35 Jahren aus der Sowjetunion nach Israel eingewandert. Über seine exzentrische Philanthropie berichtet die israelische Presse derzeit fast täglich. Vor einigen Monaten stürmte der Milliardär die russisch-jüdische und israelische Szene mit Aufsehen erregenden Sponsoring-Plänen und dem Einkauf von Sportmannschaften. Von 2000 bis 2003 spendete er 30 Millionen Dollar an die von Chabad Lubawitsch geleitete Vereinigung Jüdischer Gemeinden in der ehemaligen Sowjetunion. In der Jewish Agency fühlen sich einige Mitarbeiter unbehaglich bei der Vorstellung, daß Gaydamak künftig eine entscheidende Rolle spielen wird. »Ja, die (finanzielle) Situation ist äußerst angespannt«, sagt ein Funktionär, der ungenannt bleiben will. »Und hier kommt ein Mensch mit einem üblen Leumund in geschäftlichen Dingen, dem aufgrund dieser Spende ein praktisch uneingeschränkter Einfluß auf die Jewish Agency gewährt wird.« Gaydamak selbst weist jede Kritik zurück und beharrt darauf, daß dem Konflikt ungenaue und reißerische Medienberichte zugrunde lägen.